Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 47/2004
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U 47/04

Urteil vom 4. Oktober 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Rüedi und Schön; Gerichtsschreiber Grünvogel

B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Petra
Oehmke, Bahnhofplatz 9, 8910 Affoltern am Albis,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen

(Entscheid vom 31. Dezember 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1966 geborene B.________ war als Bauhandlanger/Hilfsarbeiter bei der
Firma A.________ angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Unfallfolgen versichert. Am 27.
November 1986 stürzte er von einer Rampe und quetschte sich die dominante
linke Hand. Nach zwei Rückfällen gewährte die SUVA mit Verfügung vom 2. Juni
1997 eine ab 1. Juli 1996 laufende Invalidenrente auf der Grundlage einer
Erwerbsunfähigkeit von 15 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einer
Integritätseinbusse von 10 %.

Eine erneute Traumatisierung der linken Hand führte am 28. April 1999 zu
einer im Kantonsspital Schaffhausen durchgeführten Arthrodese des linken
Handgelenks, worauf die SUVA mit Verfügung vom 16. März 2001 und später mit
Einspracheentscheid vom 6. Juli 2001 die Integritätseinbusse neu auf 15 %
festsetze. Der Einspracheentscheid  blieb unangefochten. Bezüglich der von
B.________ beantragten Rentenerhöhung stellte sich die SUVA dagegen am 8.
September 2001 auf den Standpunkt, die gesundheitlichen Veränderungen seien
ohne Auswirkungen auf die bisherige Erwerbsfähigkeit. Mit Einspracheentscheid
vom 30. Januar 2002 hielt die Anstalt an dieser Auffassung fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen
mit Entscheid vom 31. Dezember 2003 ab.

C.
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides sei
ihm anstelle der bisherigen Rente eine Invalidenrente auf der Grundlage einer
Erwerbsunfähigkeit von 37 %, eventuell von 30 %, zuzusprechen.

Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt
für Gesundheit, Abteilung Kranken- und Unfallversicherung, verzichtet auf
eine Stellungnahme.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat zunächst richtig ausgeführt, dass für die
Beurteilung des vorliegenden Falles nicht die Bestimmungen des am 1. Januar
2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000, sondern die bis zum 31.
Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar sind (BGE 129 V 4 Erw. 1.2).
Zutreffend dargelegt hat es sodann die für die Revision laufender Renten der
obligatorischen Unfallversicherung nach (alt) Art. 22 Abs. 1 UVG und der
Rechtsprechung (BGE 119 V 478, 112 V 372 Erw. 2b 109 V 265 Erw. 4a mit
Hinweisen; RKUV 1987 Nr. U 32 S. 446) geltenden Regeln. Darauf kann verwiesen
werden.

2.
Die Vorinstanz zeigt sodann in zutreffender Würdigung der ihr zur Verfügung
gestandenen Akten und Parteivorbringen auf, dass der Gesundheitszustand seit
der erstmaligen Rentenfestsetzung insoweit eine Veränderung erfahren hat, als
mit der linken Hand nunmehr nicht mehr sämtliche Arbeiten möglich sind und
die Handkraft herabgesetzt ist. Deswegen sind dem Beschwerdeführer zwar nach
wie vor leichte körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über
10 kg mit der linken Hand, ohne Tätigkeiten mit Vibrationen und Schlägen
sowie extremen Kälteexpositionen vollzeitig zumutbar. Indessen können auch
nicht mehr sämtliche feinmotorischen Arbeiten ausgeführt und kann die linke
Hand nicht mehr als Stütze für Überkopfarbeiten eingesetzt werden.
Zusätzliche Einschränkungen bestehen bei Rotationsbewegungen des linken
Handgelenks. Auf die diesbezüglichen vorinstanzlichen Erwägungen kann
verwiesen werden.

Der Beschwerdeführer beruft sich letztinstanzlich neu auf den vom Facharzt
für Orthopädie, Dr. M.________, im Rahmen der von der Invalidenversicherung
in Auftrag gegebenen interdisziplinären Begutachtung bei der Medizinischen
Abklärungsstelle (MEDAS), erstatteten Bericht über das orthopädische
Konsilium vom 30. September 2003. Neue medizinische Erkenntnisse sind darin
nicht zu finden, obwohl zwischenzeitlich diverse neue Röntgenaufnahmen der
beiden Handgelenke gemacht worden sind. Auch fällt auf, dass sich die
Untersuchung und die Bewertung schwergewichtig auf die im Rahmen eines
Arbeitsprogramms der IV-Stelle geklagten Leidens an der rechten Hand
konzentriert. Diese konnten indessen nicht objektiviert werden. In diesem
Kontext ist auch die Einschätzung des zumutbaren Arbeitspensums zu sehen,
wenn Dr. M.________ ausführt, es sei nicht objektivierbar, dass diese
Tätigkeit (gemeint ist jene im Arbeitsprogramm) nach vier Stunden auf Grund
von Beschwerden in der rechten Hand nicht mehr möglich sein sollte, und
anschliessend von einer zumutbaren Arbeit von 2 x ca. 4 Stunden täglich
schreibt. Nicht dass Dr. M.________ nicht auch die verbliebene
Einsatzmöglichkeit der linken Hand geschätzt hätte. Diesbezüglich führt er
aus, sie könne die rechte Hand bei leichten Arbeiten (lediglich) geringgradig
unterstützen. Damit weicht Dr. M.________ aber von der überzeugend
begründeten, die Einsatzmöglichkeiten der linken Hand detailliert
umschreibenden Einschätzung von Dr. X.________, SUVA-Kreisarzt und Facharzt
für Chirurgie, vom 10. Januar 2001 ab, ohne sich mit dieser näher auseinander
zu setzen, oder wenigstens darauf Bezug zu nehmen. Ebenso wenig äussert er
sich zum Bericht  des dem Ärzteteam Unfallmedizin der SUVA angehörigen
Facharztes für Chirurgie, Dr. Y.________, vom 14. Dezember 2001, worin die
Restarbeitsfähigkeit noch weniger vorsichtig als von Dr. X.________
eingeschätzt bestimmt ist. Da die SUVA zudem ausschliesslich für
unfallbedingte Beschwerden leistungspflichtig ist und der Gesundheitszustand
zum Zeitpunkt des Einspracheentscheides (BGE 129 V 4) massgebend ist, besteht
keine Veranlassung, von der nachvollziehbaren, schlüssig erscheinenden
Einschätzung von Dr. X.________ abzuweichen.

3.
Bei der Ermittlung des ohne Invalidität erzielbaren Einkommens
(Valideneinkommen) ist entscheidend, was der Versicherte im massgebenden
Zeitpunkt nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V
360 Erw. 5b) als Gesunder tatsächlich verdienen würde. Die
Einkommensermittlung hat so konkret wie möglich zu erfolgen. Massgebend ist,
was die versicherte Person auf Grund ihrer beruflichen Fähigkeiten und
persönlichen Umstände unter Berücksichtigung ihrer beruflichen
Weiterentwicklung, soweit hiefür hinreichend konkrete Anhaltspunkte bestehen,
zu erwarten gehabt hätte (AHI 1998 S. 171 Erw. 5a mit Hinweisen). Da nach
empirischer Feststellung in der Regel die bisherige Tätigkeit im
Gesundheitsfall weitergeführt worden wäre, ist Anknüpfungspunkt für die
Bestimmung des Valideneinkommens häufig der zuletzt erzielte, der Teuerung
sowie der realen Einkommensentwicklung angepasste Verdienst (RKUV 1993 Nr. U
168 S. 101 Erw. 3b am Ende; vgl. auch ZAK 1990 S. 519 Erw. 3c).

3.1 Der Versicherte war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses vom 27. November
1986 als Bauhandlanger angestellt und verdiente dabei gemäss der von der
damaligen Arbeitgeberin am 4. Dezember 1986 ausgefüllten Unfallmeldung UVG
Fr. 14.- (zuzüglich 8,3 % Ferien-/ Feiertagsentschädigung und 8,3 % 13.
Monatslohn). Dies entspricht mit Fr. 16.30 etwa dem in der Lohn- und
Gehaltsstatistik des BIGA (heute: seco) vom Oktober 1987 für 1986
ausgewiesenen durchschnittlichen Verdienst für ungelernte Arbeit im
Bauhauptgewerbe von Fr. 16.14 (einschliesslich aller Zulagen). Für den
behaupteten Aufstieg zum Baufacharbeiter bestehen keine hinreichend konkreten
Anhaltspunkte (vgl. hierzu: AHI 1998 S. 171 Erw. 5a mit Hinweisen). Allein
aus den Berufserfahrungen kann darauf nicht geschlossen werden. Es ist somit
danach zu fragen, was der Versicherte im Jahre 2001 mutmasslicherweise als
gesunder Bauhilfsarbeiter erzielt hätte.

3.2 Da seine Entlöhnung beim Unfall im Wesentlichen dem statistischen
Durchschnittsentgelt entsprach und er anschliessend nicht mehr oder nicht
mehr regelmässig arbeitete, ist das Valideneinkommen auf Grund der (nunmehr)
vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen
(LSE) zu ermitteln. Danach erzielte ein im Bauhauptgewerbe einfache und
repetitive Arbeiten ausführender Mann im Jahr 2000 mit 40
Wochenarbeitsstunden monatlich Fr. 4544.- (LSE 2000 S. 31 TA1 S Ziff. 45).
Der Nominallohnerhöhung von 2,8 % sowie der durchschnittlichen Arbeitszeit im
Baugewerbe von 42 Stunden angepasst, führt dies zu einem auf ein Jahr
hochgerechnetes Valideneinkommen von Fr. 58'858.- (4544.- x 12 Monate / 40 x
42 x 1.028; Die Volkswirtschaft 2003, Heft 5, S. 82 f. Tabellen B9.2 und
B10.2).

4.
4.1 Zur Festsetzung des Invalideneinkommens hat das kantonale Gericht die LSE
aus dem Jahre 2000 beigezogen. Gemäss Tabelle A1 der LSE 2000 belief sich der
Durchschnittslohn für die mit einfachen und repetitiven Arbeiten beschäftigen
Männer im privaten Sektor 2000 für eine 40-Stundenwoche auf Fr. 4437.-
(einschliesslich 13. Monatslohn), was bei einer betriebsüblichen
durchschnittlichen Arbeitszeit von 41,7 Stunden (Die Volkswirtschaft 2003,
Heft 5, S. 82 Tabelle B9.2) und in Berücksichtigung der allgemeinen
Lohnentwicklung im Jahre 2001 von 2,5 % (a.a.O., S. 83 Tabelle B 10.2) einen
Jahreslohn von Fr. 56'895.- ergibt.

4.2 In einem nächsten Schritt reduzierte die Vorinstanz den Tabellenlohn um
15 % unter dem Titel der leidensbedingten Einschränkung, weil der
Beschwerdeführer zufolge der gesundheitlichen Beeinträchtigung auch im Rahmen
einer angepassten leichten Tätigkeit eingeschränkt sei. Der Versicherte
erachtet diesen Abzug in Anbetracht des Gesundheitsschadens für unzureichend.
Zwar ist die Kraft der dominanten linken Hand vermindert und die Feinmotorik
herabgesetzt. Auch sind Überkopfarbeiten wie auch Rotationsbewegungen des
Handgelenks untersagt. Extremer Kälte, Schlägen und Vibrationen darf die Hand
ebenso wenig ausgesetzt sein. Auf der anderen Seite kann die linke Hand bei
leichteren Arbeiten nach wie vor intensiver als nur im Sinne einer Zuführhand
eingesetzt werden. Ebenso wird die adominante rechte Hand nach einer gewissen
Anpassungszeit in einem gesteigerten Masse Aufgaben der (bisher) dominanten
linken Hand übernehmen können. Da im Übrigen keine weiteren lohnwirksamen
Faktoren auszumachen sind, ist gesamthaft gesehen der von der Vorinstanz
vorgenommene Abzug von 15 % als angemessen zu betrachten. Das trotz
gesundheitlicher Beeinträchtigung noch zumutbare Einkommen beträgt daher
mindestens Fr. 48'361.- (Fr. 56'895 x 0.85). Im Vergleich zum
Valideneinkommen für das Jahr 2001 von Fr. 58'858.- führt dies zu einem
Invaliditätsgrad von  17,83 % (1 - 48'361 / 58'858).  Damit ist die Rente
zufolge Verschlimmerung des Gesundheitsschadens mit zusätzlicher
Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit revisionsweise auf 18 % zu
erhöhen (BGE 130 V 121).

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Entsprechend dem Prozessausgang
steht dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 110 V 57 Erw. 3a mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der
Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 31. Dezember 2003 und
der Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt vom
30. Januar 2002 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass der
Beschwerdeführer Anspruch auf eine Invalidenrente auf der Basis einer
Erwerbsunfähigkeit von 18 % hat.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die SUVA hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen wird über eine Parteientschädigung
für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen
Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und
dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 4. Oktober 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: