Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 456/2004
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2004
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2004


U 456/04

Urteil vom 1. April 2005
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber
Flückiger

Z.________, 1977, Beschwerdeführer, vertreten durch die Beratungsstelle für
Ausländer, Weinbergstrasse 147, 8006 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 11. November 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1977 geborene Z.________ war als Sanitärmonteur bei der Y.________ AG
angestellt und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfall und Berufskrankheit
versichert. Am 19. Februar 2001 erlitt er einen Verkehrsunfall, als ein
anderes Auto von hinten auf den von ihm gelenkten, stehenden Personenwagen
auffuhr. Der Versicherte erlitt dabei einen Schlag an den Rücken, weil der im
Rückraum des Firmenautos platzierte Werkzeugkasten gegen das Trenngitter und
die Rücklehne des Führersitzes prallte. Der tags darauf konsultierte Dr. med.
K.________, Innere Medizin FMH, hielt in einem Zeugnis vom 9. März 2001 fest,
initial seien ausser leichten Schmerzen im lumbalen Bereich keine Beschwerden
aufgetreten. Er diagnostizierte ein panvertebrales Syndrom mit
thoraco-lumbospondylogenen Beschwerden beidseits rechtsbetont bei Status nach
Kontusion der Lendenwirbelsäule (LWS) und Schleudertrauma vom 19. Februar
2001. Der Versicherte war in der Folge eine Woche lang (vom 8. bis 14. März
2001) zu 100 % arbeitsunfähig. Danach nahm er seine Tätigkeit als
Sanitärmonteur bei der Firma Y.________ AG wieder mit vollem Pensum auf. Er
blieb jedoch in Behandlung und absolvierte vom 19. April bis 3. Juli 2001
sowie erneut ab Februar 2002 ärztlich angeordnete Physiotherapie wegen des
weiterhin diagnostizierten Panvertrebralsyndroms. In den ärztlichen Berichten
wurden neu zusätzlich aufgetretene Bein- und Fussbeschwerden erwähnt.

Ab 11. Juni 2002 setzte der Versicherte die Arbeit wieder aus. Die SUVA liess
ihn am 26. Juni 2002 durch ihren Kreisarzt Dr. med. C.________ untersuchen
und lehnte es anschliessend ab, weitere Leistungen zu erbringen, da die
vorhandenen Symptome - Beinbeschwerden und Schlafstörungen - nicht auf den
Unfall vom 19. Februar 2001 zurückzuführen seien (Schreiben vom 3. Juli und
6. August 2002).

Am 21. November 2002 liess der Versicherte melden, es seien erneut
unfallbedingte Beschwerden aufgetreten. Die SUVA veranlasste wiederum eine
Untersuchung durch Dr. med. C.________ vom 14. Januar 2003. Daraufhin lehnte
sie es - nach Beizug von Berichten des Dr. med. H.________, Neurologie FMH,
vom 14. Oktober 2002 und des Dr. med. K.________ vom 28. Februar 2003 - mit
Verfügung vom 13. März 2003 ab, weitere Leistungen für das Ereignis vom 19.
Februar 2001 zu erbringen. Daran hielt die Anstalt auf Einsprache hin mit
Entscheid vom 27. April 2004 fest. Vorgängig hatte sie einen der
Eidgenössischen Invalidenversicherung erstatteten Bericht des Herrn
G.________, dipl. Psychologe/Psychotherapeut, vom 9. März 2004 zu den Akten
genommen.

B.
Die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde wies das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau ab (Entscheid vom 11. November 2004).
Im Verlauf des Verfahrens hatte der Versicherte Berichte der Praxis des Dr.
med. K.________ vom 9. und 10. Juni 2004 sowie des Dr. med. M.________,
Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 21. und 26. September 2003
eingereicht.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Z.________ die Zusprechung weiterer
Leistungen beantragen. Der Beschwerdeschrift wurden unter anderem ein von der
IV-Stelle des Kantons Aargau veranlasstes Gutachten der Psychiatrischen
Poliklinik des Spitals X.________ vom 27. August 2004 und ein Bericht des Dr.
med. I.________, Neurologie FMH, vom 15. April 2004 beigelegt.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die - mit dem am 1. Januar 2003 erfolgten
Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) unverändert gebliebenen -
Bestimmungen und Grundsätze über den für die Leistungspflicht des
obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 Abs. 1 UVG) vorausgesetzten
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und eingetretenem Schaden (BGE
119 V 338 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b; vgl. auch BGE 129 V 181 Erw. 3.1, 406
Erw. 4.3.1) sowie die überdies erforderliche Adäquanz des Kausalzusammenhangs
im Allgemeinen (BGE 129 V 181 Erw. 3.2, 405 Erw. 2.2, 125 V 461 Erw. 5a mit
Hinweisen) und bei psychischen Unfallfolgen im Besonderen (BGE 127 V 103 Erw.
5b/bb, 115 V 133 ff.), die Begriffe des Rückfalls und der Spätfolgen (Art. 11
UVV; BGE 123 V 138 Erw. 3a mit Hinweisen, 118 V 296 Erw. 2c), den im
Sozialversicherungsrecht regelmässig erforderlichen Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen) sowie
die Beweiskraft und die Würdigung medizinischer Berichte und Stellungnahmen
(BGE 125 V 352 ff. Erw. 3) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Richtig ist auch, dass die Beweislast für das Unfallereignis als solches
(RKUV 2002 Nr. U 469 Erw. 3a S. 528 mit Hinweis) und für das Bestehen des
natürlichen Kausalzusammenhangs in dem Sinne bei der versicherten Person
liegt, als im Falle von Beweislosigkeit kein Leistungsanspruch besteht,
während demgegenüber das Dahinfallen der einmal gegebenen Unfallkausalität
(im Sinne des Erreichens des status quo ante oder des status quo sine) durch
den Versicherer nachzuweisen ist bzw. er die Folgen der Beweislosigkeit zu
tragen hat (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45, 1994 Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b).

2.
Das kantonale Gericht hat eine ausführliche Würdigung der medizinischen Akten
vorgenommen. Dabei gelangte es mit überzeugender Begründung zum Ergebnis,
während des vorliegend relevanten Zeitraums hätten keine mit hinreichender
Sicherheit auf das Unfallereignis vom 19. Februar 2001 zurückzuführenden,
organisch nachweisbaren Beschwerden mehr bestanden. Insbesondere ist mit der
Vorinstanz davon auszugehen, dass der Versicherte nach dem Unfall zunächst
insbesondere an Beschwerden im thorakolumbalen Bereich litt, welche im
weiteren Verlauf jedoch deutlich reduziert werden konnten, während die später
aufgetretenen Beinbeschwerden im Lichte der medizinischen Unterlagen sowie
angesichts des zeitlichen Abstands zum Unfallereignis nicht mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit auf dieses zurückgeführt werden können. Andererseits
enthalten die Akten Hinweise darauf, dass während des vorliegend zu
beurteilenden Zeitraums eine psychisch begründete Symptomatik bestanden hat.
Damit bleibt zu prüfen, ob die SUVA gegebenenfalls für die Auswirkungen
dieses Beschwerdekomplexes leistungspflichtig ist. Streitig ist diesbezüglich
der adäquate Kausalzusammenhang zum Unfallereignis.

3.
3.1 Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der
Beschwerdeführer beim Unfall vom 19. Februar 2001 ein Schleudertrauma der
Halswirbelsäule (HWS), ein Schädel-Hirntrauma oder eine äquivalente
Verletzung (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2) erlitten hätte, in deren Folge
frühzeitig Elemente des "typischen" Beschwerdebildes wie diffuse
Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Übelkeit,
rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen usw. (BGE 119 V 338 Erw. 1, 117 V 360
Erw. 4b, 382 Erw. 4b) aufgetreten wären. Unter diesen Umständen beurteilt
sich die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen Unfallereignis und
fortbestehender Symptomatik nach der in BGE 115 V 133 ff. begründeten
Rechtsprechung zu den psychischen Unfallfolgen (vgl. zum Ganzen BGE 127 V 102
Erw. 5b/bb mit Hinweisen).

3.2 Mit Blick auf die Gerichtspraxis zu Auffahrkollisionen vor einem
Fussgängerstreifen oder einem Lichtsignal (vgl. RKUV 2003 Nr. U 489 S. 360
Erw. 4.2) ist das Ereignis vom 19. Februar 2001 grundsätzlich den
mittelschweren Unfällen im Grenzbereich zu den leichten zuzuordnen. Die
Adäquanz des Kausalzusammenhangs ist demzufolge zu bejahen, falls ein
einzelnes der in die Beurteilung einzubeziehenden unfallbezogenen Kriterien
(BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa) in besonders ausgeprägter Weise erfüllt ist oder
die zu berücksichtigenden Kriterien insgesamt in gehäufter oder auffallender
Weise gegeben sind (BGE 115 V 140 Erw. 6c/bb). Beides ist, wie die Vorinstanz
zu Recht erkannt hat, nicht der Fall. Bejaht werden kann im Rahmen der auf
die physischen, unfallbedingten Anteile beschränkten Betrachtung allenfalls
das Kriterium der körperlichen Dauerschmerzen, dies jedoch nicht in einer
Ausprägung und Intensität, welche für sich allein die Adäquanz zu begründen
vermöchte. Den diesbezüglichen Erwägungen des kantonalen Gerichts ist nichts
beizufügen. Die Beurteilung bliebe auch dann unverändert, wenn man
allenfalls, in Berücksichtigung des zusätzlich erlittenen Schlags gegen den
Rücken durch den Werkzeugkasten, von einem mittelschweren Unfall ausserhalb
des Grenzbereichs zu den leichten ausgehen wollte. Mangelt es demnach an
einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem
durch dieses ausgelösten psychischen Beschwerdebild, hat die SUVA - und ihr
folgend die Vorinstanz - den streitigen Leistungsanspruch zu Recht verneint.
Ob und gegebenenfalls inwieweit eine psychische Störung von Krankheitswert
gegeben ist, welche in einem natürlichen Kausalzusammenhang zum Unfall vom
19. Februar 2001 steht, muss unter diesen Umständen nicht näher geprüft
werden (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 68 Erw. 3c).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 1. April 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: