Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 405/2004
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U 405/04

Urteil vom 20. April 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Lanz

G.________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Cordula
Spörri, Ileri Rechtsanwälte, St. Urbangasse 2, 8001 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz

(Entscheid vom 22. September 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene türkische Staatsangehörige G.________ war nach seiner
Einreise in die Schweiz im Jahr 1979 bei verschiedenen Arbeitgebern in der
Landwirtschaft, auf dem Bau und in Fabriken tätig, zuletzt ab 1994 als
Montagearbeiter in der Firma X.________AG. Am 16. April 2001 erlitt er einen
Verkehrsunfall. Der von ihm gelenkte, vor einem Fussgängerstreifen zum
Stillstand gekommene Opel Kadett wurde von hinten durch einen anderen
Personenwagen gerammt. G.________ suchte wegen auftretender Beschwerden
anderntags den Hausarzt auf, welcher auf ein leichteres Schleudertrauma
befand und eine volle Arbeitsunfähigkeit bestätigte. Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als zuständiger obligatorischer
Unfallversicherer erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung;
Taggeld). Verschiedene ambulante und stationäre Therapiemassnahmen (unter
anderem anlässlich eines Aufenthaltes in der Rehaklinik Y.________ vom 30.
Juli bis 19. September 2001) führten nicht zu einer Besserung der
Symptomatik. Die berufliche Tätigkeit konnte bis auf erfolglose
Arbeitsversuche nicht wieder aufgenommen werden, was die Arbeitgeberin zur
Kündigung des Anstellungsverhältnisses per 31. März 2002 bewog. G.________
übt seither keine Erwerbstätigkeit mehr aus. Die SUVA traf Abklärungen zu
Hergang und biomechanischen Gegebenheiten des Unfalls sowie zum medizinischen
Sachverhalt. Gestützt darauf eröffnete sie dem Versicherten mit Verfügung vom
24. März 2003 die Einstellung der Leistungen zum 31. März 2003, und sie
verneinte zugleich einen Anspruch auf eine Invalidenrente und eine
Integritätsentschädigung. Zur Begründung wurde ausgeführt, die noch geklagten
Beschwerden seien mit einem psychischen Leiden zu erklären, welches nicht in
rechtserheblichem Zusammenhang zum erlittenen Unfall stehe. An dieser
Auffassung hielt die SUVA auf Einsprache des Versicherten hin fest
(Einspracheentscheid vom 16. Februar 2004).

Zwischenzeitlich hatte die IV-Stelle Schwyz G.________ mit Verfügung vom 14.
April 2003 rückwirkend ab 1. April 2002 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung (nebst Zusatzrente für die Gattin und vier
Kinderrenten) zugesprochen.

B.
Die von G.________ gegen den Einspracheentscheid der SUVA vom 16. Februar
2004 erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung der gesetzlichen
Leistungen über den 1. April 2003 hinaus, eventuell einer
(Komplementär-)Rente und einer Integritätsentschädigung, wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz ab (Entscheid vom 22. September 2004).

C.
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
in Aufhebung des kantonalen Entscheides seien ihm über den 1. April 2003
hinaus weiterhin die gesetzlichen Leistungen sowie eine
Invalidenkomplementärrente auf der Grundlage einer vollen Invalidität und
eine im Umfang noch festzustellende Integritätsentschädigung zuzusprechen.

Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ohne sich
weiter zur Sache zu äussern. Die Vorinstanz nimmt mit dem gleichen
Rechtsbegehren Stellung. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen für die Beurteilung der
Streitsache zutreffend dargelegt. Es betrifft dies namentlich die
Rechtsprechung über den für die Leistungspflicht des Unfallversicherers nebst
dem natürlichen Kausalzusammenhang vorausgesetzten adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und eingetretenem Schaden
(Krankheit, Invalidität, Tod) im Allgemeinen (vgl. auch BGE 129 V 181 Erw.
3.2 mit Hinweis) sowie bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133),
Schleudertraumen der Halswirbelsäule (HWS) ohne organisch hinreichend
nachweisbare Folgeschäden (BGE 117 V 359; sodann BGE 123 V 99 Erw. 2a und 127
V 103 Erw. 5b/bb mit Hinweisen), dem Schleudertrauma äquivalenten
Verletzungen (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2) und Schädel-Hirn-Traumen (BGE
117 V 369) im Besonderen. Das seit 1. Januar 2003 geltende Bundesgesetz über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) hat diese
Rechtslage nicht modifiziert.

2.
Gemäss der übereinstimmenden und nach Lage der medizinischen Akten
zutreffenden Auffassung von Parteien und Vorinstanz stellt das Unfallereignis
vom 16. April 2001 für die seither bestehenden, mit Behandlungsbedürftigkeit
und Arbeitsunfähigkeit verbundenen Beschwerden zumindest eine Teilursache
dar, was für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs genügt (vgl.
BGE 119 V 338 Erw. 1 in fine mit Hinweis und 341; RKUV 2003 Nr. U 489 S. 358
Erw. 3.2). Dass dieser Zusammenhang durch Erreichen des status quo ante vel
sine dahingefallen und der Anspruch auf weitere Leistungen deswegen zu
verneinen wäre (vgl. RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 f. Erw. 3b und 1992 Nr. U 142
S. 75 f. Erw. 4b), macht der Unfallversicherer nicht geltend. Er begründet
die Einstellung der Leistungen vielmehr damit, es fehle am adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 16. März 2001 und der noch
bestehenden Symptomatik, und wird darin von der Vorinstanz bestätigt.
Demgegenüber bejaht der Beschwerdeführer die Adäquanz.

3.
3.1 Die Meinungen gehen zunächst darin auseinander, wie der adäquate
Kausalzusammenhang zu prüfen ist. Dabei ist aufgrund der durchgeführten
eingehenden, auch bildgebenden medizinischen Untersuchungen davon auszugehen,
dass eine unfallbedingte Schädigung, die gegebenenfalls für die seit der
Auffahrkollision vom 16. April 2001 anhaltenden Beschwerden verantwortlich
gemacht werden könnte, organisch nicht hinreichend nachweisbar ist. Vor
diesem durch keine Seite in Frage gestellten Hintergrund vertritt der
Beschwerdeführer die Auffassung, die Adäquanz sei nach der sogenannten
Schleudertrauma-Praxis (BGE 117 V 359) zu beurteilen. Demgegenüber sind für
Vorinstanz und SUVA die für psychische Unfallfolgen geltenden Grundsätze (BGE
115 V 133) massgebend.

3.2 Ob der Beschwerdeführer beim Unfall vom 16. April 2001 ein
Schleudertrauma oder eine äquivalente Verletzung im Sinne der Rechtsprechung
erlitten hat, was die SUVA bestreitet, ist tatsächlich zumindest fraglich.
Die beteiligten Ärzte äussern sich dazu unterschiedlich. Zu beachten ist
namentlich auch, dass der Versicherte nach Lage der Akten in den ersten
Wochen nach dem Ereignis nebst Beschwerden im linken Arm und im unteren Teil
des Rückens nur Kopf- und Nackenschmerzen und somit lediglich einen Teil des
schleudertraumatypischen bunten Beschwerdebildes (BGE 119 V 338 Erw. 1, 117 V
360 Erw. 4b) klagte. Letztlich muss diese Frage aber, wie die Vorinstanz
erkannt hat, aufgrund der folgenden Überlegungen nicht abschliessend
beantwortet werden.

3.3 Praxisgemäss ist die Adäquanz auch dann unter dem Gesichtspunkt einer
psychischen Fehlentwicklung nach Unfall zu beurteilen, wenn die zum typischen
Beschwerdebild eines Schleudertraumas der HWS gehörenden Beeinträchtigungen
zwar teilweise gegeben sind, im Vergleich zur vorliegenden ausgeprägten
psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten (BGE 123 V 99
Erw. 2a mit Hinweisen; vgl. auch RKUV 2002 Nr. U 465 S. 437).

Dies trifft hier zu. Bereits bei der Untersuchung am Spital Z.________,
Rheumaklinik und Institut für Physikalische Medizin, vom 28. Mai 2001 wurde
eine deutliche beginnende Symptomausweitung festgestellt (Bericht vom 20.
Juni 2001). Sodann gelangten die Fachärzte der Rehaklinik Y.________
anlässlich des am 30. Juli 2001 angetretenen stationären Aufenthaltes des
Versicherten zur Beurteilung, die Psychopathologie, interpretiert als
Anpassungsstörung mit Angst und dissoziativen Elementen bei Verdacht auf
ängstlich-hypochondrische Persönlichkeitszüge, stehe weit im Vordergrund
(Austrittsbericht vom 2. Oktober 2001 mit neurologischen und psychiatrischen
Konsilien vom 2. resp. 15. August 2001). Ein eindeutig psychisch überlagertes
Beschwerdebild bestätigte dann am 7. November 2001 auch der damalige
Hausarzt. Bei dieser Sachlage haben Vorinstanz und Unfallversicherer die
Adäquanz zu Recht nach den für psychische Unfallfolgen geltenden Grundsätzen
geprüft. Danach ist bei der Prüfung der massgebenden Kriterien, anders als
nach der sogenannten Schleudertrauma-Praxis, wo nicht zwischen körperlichen
und seelischen Beschwerden unterschieden wird, die psychische Komponente
ausser Acht zu lassen.

3.4 Was der Versicherte vortragen lässt, rechtfertigt keine andere
Betrachtungsweise. Namentlich geht es hier nicht darum, sämtliche Beschwerden
als psychogen zu interpretieren. Massgebend ist vielmehr, ob die psychische
Problematik schon sehr bald nach dem Unfall eindeutig dominierte, was der
Fall ist.

4.
4.1 Bei der Prüfung des adäquaten Kausalzusammenhangs ist an das
Unfallereignis anzuknüpfen. Die Auffahrkollision vom 16. April 2001 ist
aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufes und der erlittenen Verletzungen
im Lichte der Rechtsprechung (siehe RKUV 2003 Nr. U 489 S. 360 Erw. 4.2 mit
Hinweisen; vgl. auch die von Urs Müller, Die Rechtsprechung des EVG zum
adäquaten Kausalzusammenhang beim Schleudertrauma, in: SZS 2001 S. 434 ff.,
namentlich auch S. 441, erwähnten Präjudizien) als mittlerer Unfall
einzustufen. Ein Grenzfall zu den schweren Unfällen oder gar ein solcher
liegt entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen
Auffassung trotz des heftigen Aufpralles des nachfolgenden Fahrzeuges nicht
vor. Dagegen spricht unter anderem auch, dass der Versicherte gemäss den
polizeilich protokollierten Zeugenaussagen nach dem Ereignis in der Lage war,
aus dem Auto auszusteigen und mit dem Unfallgegner zu disputieren. Er
bedurfte zudem erst anderntags ärztlicher Betreuung.

4.2 Von den weiteren, objektiv fassbaren und unmittelbar mit dem Unfall in
Zusammenhang stehenden oder als Folge davon erscheinenden Umständen, welche
als massgebende Kriterien in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind (BGE 115
V 140 Erw. 6c/aa), müssten demnach für eine Bejahung des adäquaten
Kausalzusammenhanges entweder ein einzelner in besonders ausgeprägter Weise
oder aber mehrere in gehäufter oder auffallender Weise gegeben sein (BGE 115
V 140 Erw. 6c/bb). Dies trifft, wie das kantonale Gericht im angefochtenen
Entscheid einlässlich dargelegt hat, nicht zu.

Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen zu keinem anderen
Ergebnis: Verletzungen, welche aufgrund ihrer Schwere oder besonderen Art
erfahrungsgemäss geeignet wären, psychische Fehlentwicklungen auszulösen, hat
der Versicherte nicht erlitten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der -
im Übrigen auf sehr diskutabler Grundlage erfolgten - Erwähnung einer
wahrscheinlichen milden traumatischen Hirnverletzung durch einen Arzt. Sodann
sind die physischen Beschwerden höchstens in einem zeitlich eng beschränkten
Rahmen für die notwendige ärztliche Behandlung verantwortlich zu machen.
Gleiches gilt in Bezug auf die nach dem Unfallereignis eingetretene,
anhaltende Arbeitsunfähigkeit, welche daher als massgebendes
Adäquanzkriterium ebenfalls nicht berücksichtigt werden kann. Hieran ändert
nichts, dass die SUVA bis Ende März 2003 Heilbehandlung gewährt und ein
Taggeld ausgerichtet hat (vgl. BGE 130 V 384 Erw. 2.3.1). Selbst wenn
schliesslich das als Letztes geltend gemachte Kriterium der körperlichen
Dauerschmerzen mit Blick auf die geklagten persistierenden Kopf- und
Nackenschmerzen bejaht werden könnte, wäre dies jedenfalls nicht in besonders
ausgeprägter Weise der Fall.

Unfallversicherer und Vorinstanz haben die Adäquanz somit zu Recht verneint.
Es kann im Übrigen auf die einlässlichen Erwägungen im angefochtenen
Entscheid verwiesen werden.

4.3 Darin wird auch zutreffend und ohne dass hiegegen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde Einwände erhoben würden, eine für den
streitigen Leistungsanspruch relevante Bedeutung der mehreren weiteren
ebenfalls bei der SUVA versicherten Unfälle aus den Jahren 1986 bis 1996
sowie vom 4. September 2002 verneint. Von weiteren Beweismassnahmen ist kein
entscheidrelevanter neuer Aufschluss zu erwarten, weshalb das kantonale
Gericht richtigerweise davon abgesehen hat (antizipierte Beweiswürdigung; BGE
124 94 Erw. 4b; RKUV 2003 Nr. U 473 S. 50 Erw. 3.4, 2002 Nr. U 469 S. 527
Erw. 2c.). Zu keinem anderen Ergebnis führt schliesslich die Zusprechung
einer ganzen Rente der Invalidenversicherung, waren doch hiebei die kausalen
Zusammenhänge, deren Dahinfallen einen weiteren
unfallversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch ausschliesst, nicht
massgebend.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 20. April 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: