Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 391/2004
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U 391/04

Urteil vom 13. September 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Traub

A.________, 1952, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Elda
Bugada Aebli, Bahnhofplatz 9, 8001 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Beschluss vom 18. Oktober 2004)

Sachverhalt:

A.
A. ________ erlitt am 8. Februar 2000 einen Arbeitsunfall. Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) befand mit Verfügung vom 29. Januar 2003
und Einspracheentscheid vom 22. September 2003 über den Leistungsanspruch,
indem sie ihm mit Wirkung ab 1. September 2002 Invalidenrente aufgrund einer
Erwerbsunfähigkeit von 14 % sowie Integritätsentschädigung für eine Einbusse
von 5 % zusprach. A.________ führte Beschwerde beim
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit dem Rechtsbegehren, es
seien
"die bleibenden Unfallfolgen medizinisch umfassend durch unabhängige
Fachärzte abklären zu lassen und hernach über die Erwerbsunfähigkeitsrente
und die Integritätsentschädigung neu zu verfügen. Bis zum Vorliegen der neuen
Leistungsverfügung seien dem Versicherten ab 1. September 2002 weiterhin die
Taggelder auf der Basis einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit und Kostenersatz
für medizinische Behandlung zu gewähren."
Im Rahmen der Begründung wies er auf einen weiteren Unfall vom 20. Mai 2003
hin, welcher im Einspracheentscheid noch nicht berücksichtigt wurde. Die SUVA
ersuchte das kantonale Gericht mit Eingabe vom 16. Februar 2004, der Prozess
sei bis zum Abschluss der Abklärungen hinsichtlich des zweiten Unfalls und
der entsprechenden Verfügung zu sistieren. Ein allfälliges weiteres
Beschwerdeverfahren könne sodann mit dem bereits hängigen vereinigt werden.
Die Instruktionsrichterin (Referentin) wies das Sistierungsgesuch mit
prozessleitender Verfügung vom 3. Mai 2004 ab. Zugleich lehnte sie ein
"Gesuch des Beschwerdeführers um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
der Beschwerde" ab. Die Begründung beider Anordnungen nahm auf die
Prozessaussichten Bezug.

Mit Eingabe vom 17. Mai 2004 liess der Versicherte beantragen, die Sache sei
wegen Befangenheit der Referentin einer andern Kammer des Gerichts zu
übertragen. Die Begründung der verfahrensleitenden Verfügung erwecke den
Eindruck, die Instruktionsrichterin habe sich in der Einschätzung der
Rechtslage vorweg festgelegt, ohne die Beweise gebührend gewürdigt zu haben.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies das Ausstandsbegehren
ab (Beschluss des Gesamtgerichts vom 18. Oktober 2004).

C.
A.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei
der Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich aufzuheben
und die Vorinstanz anzuweisen, die als befangen zu betrachtende Referentin
durch ein anderes Mitglied des Gerichts zu ersetzen.

Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, die SUVA sowie das
Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Stellungnahme.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Angefochten ist ein Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich (Gesamtgericht), mit welchem ein Ausstandsbegehren hinsichtlich der
Instruktionsrichterin abgelehnt wird. Es handelt sich um eine
Zwischenverfügung (Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG sowie Art. 5
Abs. 1 und Abs. 2 VwVG). Verfahrensleitende und andere Zwischenverfügungen,
so auch solche über den Ausstand, sind selbständig durch Beschwerde
anfechtbar, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil für die
betroffene Partei bewirken können (Art. 45 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b VwVG).
Diese Voraussetzung, welche auch bei den in Art. 45 Abs. 2 VwVG als
selbständig anfechtbar bezeichneten Arten von Zwischenverfügungen verlangt
wird, ist bei Ausstandsentscheiden mit Blick auf den formellen Anspruch der
Prozessparteien, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unvoreingenommenen
und unbefangenen Richter entschieden wird, gegeben (BGE 104 V 176 Erw. 1b;
RKUV 1997 Nr. KV 14 S. 311 Erw. 2). Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist
demnach einzutreten.

1.2 Die Überprüfung eines Ausstandsentscheids ist kein Prozess um
Versicherungsleistungen, selbst wenn jener rein verfahrensrechtliche
Zwischenentscheid im Rahmen eines Leistungsstreits erging (BGE 121 V 180 Erw.
4). Folglich beschränkt sich die Kognition auf die Überprüfung der
Rechtmässigkeit und ist das Eidgenössische Versicherungsgericht grundsätzlich
an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts gebunden (Art. 132 in
Verbindung mit Art. 104 lit. a und Art. 105 Abs. 2 OG). Auch ist das
Verfahren letztinstanzlich kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario; Art. 135
in Verbindung mit Art. 156 OG).

2.
Die Gewährleistung eines unabhängigen, unparteiischen und unvoreingenommenen
Gerichts gemäss Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 1 BV erfordert unabhängig
vom kantonalen Organisations- und Verfahrensrecht, dass keine Ausstands- oder
Ablehnungsgründe gegenüber Angehörigen des Gerichts vorliegen. Art. 30 Abs. 1
BV stellt eine besondere Ausprägung des in Art. 29 Abs. 1 BV garantierten
Prinzips prozeduraler Fairness dar (Regula Kiener, Richterliche
Unabhängigkeit, Bern 2001, S. 150 f.; Urteil S. vom 23. Februar 2004,
1P.706/2003, Erw. 2). Zweifel an der Unbefangenheit eines Richters können
sich aus äusseren Umständen, wozu auch verfahrensorganisatorische Aspekte
gehören, oder aufgrund des richterlichen Verhaltens mit Bezug auf den zu
beurteilenden Fall ergeben (vgl. Art. 23 lit. c OG). Die Ablehnung und der
Ausschluss eines Richters ist nicht davon abhängig, dass dieser tatsächlich
voreingenommen ist. Es genügt, dass aufgrund der Umstände ein objektiv
gerechtfertigter Anschein der Befangenheit und Grund zur Befürchtung besteht,
wegen dieser Gefahr der Voreingenommenheit erscheine das Verfahren nicht mehr
als offen. Nicht massgebend ist das rein subjektive Empfinden einer
Prozesspartei (BGE 131 I 25 Erw. 1.1 und 116 Erw. 3.4, 128 V 84 Erw. 2a, 127
I 198 Erw. 2b, 126 I 169 Erw. 2; SVR 2000 UV Nr. 21 S. 73 Erw. 2b/cc).

Die Erheblichkeit schon des objektiv begründeten Anscheins der Befangenheit
folgt einmal aus dem Umstand, dass es sich dabei um einen inneren, dem Beweis
kaum zugänglichen Zustand handelt (grundlegend Kurt Eichenberger, Die
richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, Bern 1960, S. 50
ff.). Zudem sollen die Prozessparteien nicht nur in tatsächlicher Hinsicht
geschützt werden; es soll ihnen ermöglicht werden, Vertrauen in die
Rechtsstaatlichkeit des konkreten Justizverfahrens zu fassen und das Urteil
auch innerlich zu anerkennen. Aus der Sicht der Rechtsgemeinschaft steht das
Vertrauen in gerichtliche Verfahren und letztlich die Legitimation von
Gerichten in einem demokratischen Rechtsstaat überhaupt auf dem Spiel (BGE
114 Ia 56 mit zahlreichen Hinweisen).

3.
Richterliche Festlegungen in einem Verfahrensabschnitt, welcher der
instanzabschliessenden Urteilsfällung vorangeht, können durch
verschiedenartige organisations- und verfahrensrechtliche Vorgaben veranlasst
sein. Die Beurteilung der Frage, ob die Unbefangenheit einer späteren
Beurteilung der Sache dem objektivierten Anschein nach gefährdet ist, richtet
sich nach den funktionellen Gegebenheiten, unter denen sich der Richter vorab
mit der Sache befasst hat (BGE 131 I 116 Erw. 3.4), und, sofern keine
grundsätzlich-institutionelle Unvereinbarkeit besteht, allenfalls nach dem
Gegenstand und der Verbindlichkeit der Äusserung im Einzelfall (BGE 131 I 124
f.).
3.1 Vorbefassung im rechtstechnischen Sinn liegt vor, wenn derselbe Richter
in unterschiedlichen Verfahren oder im Rahmen verschiedener, funktionell
eigenständiger Verfahrensabschnitte in gleicher Sache amtet (BGE 126 I 73
Erw. 3c und 4a, 114 Ia 57 Erw. 3d; Kiener, a.a.O., S. 142; Jörg Paul Müller,
Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 579; vgl. ZBl 2005 S. 327
f.).
3.1.1 Solch gestaffelte Verfahrensordnungen sind vor allem im Straf- und im
Zivilprozess anzutreffen. Die Einsetzung des bereits in einem anderen
Verfahrenskontext mit der Sache befassten Richters ist nicht per se
verfassungs- und konventionswidrig (BGE 131 I 120 ff. Erw. 3.7.1-3.7.3). Es
kommt darauf an, ob das neue Verfahren als offen und nicht vorbestimmt
erscheint (BGE 114 Ia 59; Kiener, a.a.O., S. 145 ff.). Die Zulässigkeit einer
Mehrfachbefassung durch dieselbe Richterperson entscheidet sich dabei schon
anhand einer institutionell-abstrakten Betrachtung der betreffenden
Verfahrenskonstellation (vgl. die Übersicht von Konstellationen mit
verfassungsmässigen und -widrigen Vorbefassungen in BGE 131 I 117 Erw. 3.5).
3.1.2 Eine allgemeine, von den konkreten verfahrensrechtlichen Umständen
losgelöste Aussage, in welchen Fällen ein Richter ausstandspflichtig wird,
weil er sich in einem andern Verfahren bereits mit der Angelegenheit
beschäftigt hat, ist nicht möglich (BGE 131 I 117 oben, 126 I 73 Erw. 3c).
Zur Klärung der Frage, ob das Verfahren in Bezug auf den konkreten
Sachverhalt und die zu entscheidenden Rechtsfragen trotz der Vorbefassung als
offen und nicht vorbestimmt erscheint, kann bedeutsam sein, wie ähnlich oder
eng zusammenhängend die in beiden Verfahrensabschnitten zu entscheidenden
Fragen sind, wie gross der jeweilige Entscheidungsspielraum ist und in
welchem Mass der Fortgang des Verfahrens durch die Entscheidungen beeinflusst
wird (BGE 131 I 26 Erw. 1.2, 116 Ia 139 Erw. 3b, 114 Ia 59). Eigenheiten der
verschiedenen Rechtsgebiete sind dabei zu berücksichtigen (BGE 131 I 118 Erw.
3.6).
3.2 Im Unterschied zu den vorstehend dargestellten Lagen erfolgt die
richterliche Äusserung zum Streitgegenstand bei den verfahrensleitenden
Verfügungen im Rahmen eines einheitlichen Verfahrens.

3.2.1 In einem rechtsstaatlichen Verfahren trifft das Gericht regelmässig vor
dem eigentlichen Sachentscheid prozessuale Vorkehrungen.
Instruktionsmassnahmen dienen dem Ziel, eine Sache zur Entscheidungsreife zu
bringen; sie sind damit unselbständiger, dienender Natur. Prozessleitende
Verfügungen durch Angehörige des (späteren) Spruchkörpers im Hinblick auf den
Sachentscheid sind von vornherein unbedenklich und führen nicht zum Anschein
der Voreingenommenheit, soweit es sich um Routinevorkehren im Rahmen der
ordentlichen Verfahrensleitung handelt (vgl. für das kantonale
Beschwerdeverfahren in der Sozialversicherung Art. 61 lit. b bis d und lit. f
ATSG; vgl. BGE 131 I 27 Erw. 1.3, 126 I 73 Erw. 4; Kiener, a.a.O., S.142 f.,
168).

3.2.2 Die Prozessinstruktion bedingt indes oft auch eine provisorische und
summarische Beweiswürdigung und Einschätzung der Rechtslage und damit eine
vorläufige Aussage über den voraussichtlichen Prozessausgang. Eine solche
prognostische Abwägung strittiger materieller Fragen oder der
Beschwerdeaussichten fällt typischerweise an bei Verfügungen über die
unentgeltliche Rechtspflege, d.h. bei der Beurteilung der Aussichtslosigkeit
eines Rechtsmittels (grundlegend BGE 131 I 120 Erw. 7 mit zahlreichen
Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin), bei vorsorglichen Massnahmen (BGE
114 Ia 57 Erw. 3d; vgl. Kiener, a.a.O., S. 168 f.), Beweisanordnungen (RDAT
2002 I Nr. 40 S. 294), der Gewährung des rechtlichen Gehörs vor einer
möglichen Reformatio in peius (Urteil M. vom 16. Dezember 2002, U 8/02, Erw.
3) oder im Zusammenhang mit einem Vergleichsvorschlag (vgl. Urteil B. vom 21.
Juni 1993, B 11/92, Erw. 3e).

Die damit einhergehenden vorläufigen Bewertungen des Prozessthemas und
Prognosen zum Prozessausgang können unter dem Aspekt der Garantie des
unparteiischen Gerichts Probleme aufwerfen (BGE 131 I 121 f.). Im Raum steht
alsdann die Befürchtung, der Richter sei wegen seiner Mitwirkung an früheren
(verfahrensleitenden) Entscheidungen "betriebsblind" geworden, indem die
Erhebung des massgebenden Sachverhalts und dessen rechtliche Interpretation
im späteren Verfahren von seinen Erwartungen überlagert werde (vgl. BGE 116
Ia 139 Erw. 3b, 114 Ia 57 Erw. 3d unter Hinweis auf Gunther Arzt, Der
befangene Strafrichter, Tübingen 1969, S. 65 f.). Daran ändert nichts, dass
das Gericht beim Sachentscheid formal in keiner Weise an die frühere
Einschätzung des Instruktionsrichters gebunden ist. Es gilt zu bedenken, dass
der Sachrichter, der als instruierender Richter mit einer bestimmten Frage
bereits einmal befasst war, wegen seiner Vorkenntnisse im Kollegium faktisch
ein verstärktes Gewicht hat (vgl. BGE 114 Ia 71 Erw. 5b/ee). Die Gefährdung
einer unvoreingenommenen Prüfung und damit eines wirksamen Rechtsschutzes ist
im verwaltungsgerichtlichen - und so auch im sozialversicherungsrechtlichen -
Verfahren grösser als im Zivilprozess, der von der Verhandlungsmaxime
beherrscht wird. Denn der verwaltungsprozessuale Untersuchungsgrundsatz
überlässt die Bestimmung des Umfangs des zu würdigenden Beweismaterials
weitgehend der Initiative des Gerichts. Eine erhöhte Sensitivität weisen im
Übrigen Verfahren auf, in welchen das Gericht, wie im
sozialversicherungsrechtlichen Leistungsstreit der Fall, befugt ist, die
Angemessenheit eines Sachentscheids zu überprüfen.

3.2.3 Nach allgemeiner Konzeption der Prozessrechte liegt auch der Erlass
verfahrensleitender Verfügungen, die einen qualifizierten Bezug zur
voraussichtlichen materiellen Entscheidung aufweisen, in der Hand des
Sachrichters; der vorbeurteilende Zugriff auf materielle Streitfragen ist
insoweit systemimmanent. Die Verfahrensordnungen wären nun in sich
widersprüchlich, wenn eine prozessrechtlich gebotene und sachgerechte
Meinungsäusserung die Ablehnung des betreffenden Richters rechtfertigen würde
(BGE 131 I 121 Erw. 3.7.3; Claudia Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der
Befangenheit aufgrund von Meinungsäusserungen des Richters, Frankfurt a.M.
1992, S. 61). Dies entspricht auch der Praxis des Europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte (Urteil i.S. Fey vom 24. Februar 1993, Série A vol. 255,
Ziff. 30; Urteil G. vom 11. November 1993, 1P.740/1992, Erw. 7f und g). Für
die Zulässigkeitsbeurteilung kommt es vielmehr auf den Einzelfall und hier
einerseits auf die Notwendigkeit, im betreffenden Verfahrenszusammenhang
überhaupt inhaltlich auf den Sachentscheid vorzugreifen, an (Erw. 4.1
hienach), anderseits auf die Begründungsdichte und den Grad der
Verbindlichkeit der Äusserung (Erw. 4.2).

4.
Dürfen die Funktionen der Verfahrensleitung und der Sachentscheidung im
Sozialversicherungsprozess in Personalunion ausgeübt werden, soll ein Richter
im Einzelfall jedes Verhalten unterlassen, das objektiv den Eindruck zu
erwecken vermag, die spätere Entscheidung werde nicht mehr völlig ungebunden
erfolgen. Der Anschein von "Betriebsblindheit" ist zu vermeiden (BGE 131 I
116 unten).

4.1 Eine sachlich nicht gebotene Äusserung von Rechtsansichten führt unter
Umständen zum Anschein, als habe sich der Richter in Bezug auf die
entscheidungserheblichen Rechtsfragen bereits endgültig festgelegt und sei
nicht mehr bereit, seinen Standpunkt in Frage zu stellen (Gerdes, a.a.O., S.
65). Zum Ausgleich zwischen den Erfordernissen der Verfahrensleitung
einerseits und der inneren Unabhängigkeit des Richters anderseits ist
deswegen sicherzustellen, dass jede richterliche Äusserung, die auf den
voraussichtlichen Verfahrensausgang Bezug nimmt, hinsichtlich ihres
gegenständlichen Umfangs das Mass dessen nicht überschreitet, was - gemessen
am Zweck der prozessualen Vorkehr - für die Durchführung der Vorkehr
notwendig ist. Festlegungen aus Anlass von prozessleitenden Verfügungen, die
zur Erfüllung dieser Aufgabe eindeutig nicht erforderlich sind, erfolgen ohne
Grund und Rechtfertigung und sind somit grundsätzlich nicht mit Art. 30 Abs.
1 BV vereinbar. Allerdings ist eine im beschriebenen Sinne "überschiessende",
da nicht mit den konkreten Erfordernissen der Verfahrensleitung begründbare
Festlegung nicht leichthin anzunehmen; dem instruierenden Richter steht bei
der Ausgestaltung verfahrensleitender Verfügungen und ihrer Begründung ein
erheblicher Gestaltungsspielraum zu (BGE 131 I 123 unten f.).

Darüber hinaus darf die Festlegung nicht intensiver ausfallen, als es
aufgrund der im betreffenden Verfahrensstadium bereits erstellten
Entscheidungsgrundlagen effektiv gerechtfertigt ist; gerade in Fällen mit
komplexer Beweislage kann ein Richter, dessen Überzeugung vor der Würdigung
aller Beweise feststeht, kein unbefangener Richter sein (BGE 126 I 74 Erw.
4b).

4.2 Nebst der prozessualen Erforderlichkeit von verfahrensleitender Verfügung
an sich und Umfang ihrer Begründung sind auch Begründungsdichte und Grad an
Verbindlichkeit, mit welchem der Entscheid dem Adressaten vermittelt wird,
von Bedeutung, ohne dass diese Aspekte hier abschliessend dargelegt werden
müssen. Bemerkt sei lediglich, dass die zulässige Tiefe der Beweiswürdigung,
der Erörterung von Rechtsfragen oder der Interessenabwägung und damit die
gebotene und zulässige Begründungsdichte bei der Redaktion
verfahrensleitender Verfügungen wesentlich von ihrem Verhältnis zum
Hauptentscheid und von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängen. Weiter
Entscheidungsspielraum und hohe Präjudizialität der prozessleitenden
Verfügung erfordern tendenziell tiefer gehende Begründungen. So macht
beispielsweise eine Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der
Beschwerde einen adäquaten Grad an Verbindlichkeit der Begründung nötig. In
gleicher Weise kann bei der Androhung einer Reformatio in peius eine
vertiefte Erörterung der (voraussichtlichen) Entscheidungsgründe mit Blick
auf das rechtliche Gehör notwendig sein (Urteil M. vom 16. Dezember 2002, U
8/02, Erw. 3). Dagegen legt eine nur geringe Abhängigkeit des späteren
Sachentscheids von der verfahrensleitenden Verfügung Zurückhaltung in der
vorweggenommenen Prüfung materieller Streitfragen nahe. Je vorläufiger die
materielle Einschätzung effektiv ausfällt, desto mehr ist es im Interesse der
Akzeptanz des späteren Sachurteils (Erw. 2 hievor) zudem erforderlich, den
nicht abschliessenden und summarischen Charakter der Einschätzung mit einem -
ausdrücklich oder implizit formulierten - Vorbehalt auch formal
nachvollziehbar zu machen. Es muss zum Ausdruck kommen, dass die Prüfung mit
der gebotenen Zurückhaltung erfolgte (vgl. Urteil M. vom 16. Dezember 2002, U
8/02, Erw. 3.5 und 3.6).

5.
Das zu beurteilende Ausstandsbegehren bezieht sich auf eine
verfahrensleitende Verfügung, in welcher die Instruktionsrichterin, die
zugleich Mitglied der erkennenden Kammer des kantonalen Gerichts ist, ein
Sistierungsgesuch sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der
Beschwerde abgelehnt hat.

5.1 Zu entscheiden war zunächst, ob der Prozess sistiert werden soll, bis
feststeht, ob ein weiteres Verfahren, das den Leistungsanspruch unter
Berücksichtigung eines neuen Unfalls beschlägt, allenfalls vor die kantonale
Beschwerdeinstanz getragen wird.

5.1.1 Der Sistierungsentscheid hat keine präjudizielle Wirkung. Er erfordert
dementsprechend keine eingehende (Vor-)Prüfung der materiellen Streitfragen
und keine Bezugnahme auf den voraussichtlichen Ausgang des Prozesses. In
einer solchen Verfahrenslage rechtfertigt es sich prinzipiell nicht, das mit
einer vorläufigen Beurteilung des Verfahrensgegenstands zwangsläufig
verbundene Risiko des Anscheins in Kauf zu nehmen, dass die Entscheidung
nunmehr bis zu einem gewissen Grad vorbestimmt sei. Zweck des abgelehnten
Antrags war es, eine Vereinigung beider Verfahren und eine Gesamtentscheidung
über den vor Anhebung des gerichtlichen Verfahrens eingetretenen Sachverhalt
zu ermöglichen. Zu entscheiden war einzig, ob ein innerer Zusammenhang der
jeweiligen Verfahrensgegenstände besteht, der es als angezeigt erscheinen
liess, das erste Beschwerdeverfahren bis zur Anhebung eines allfälligen
zweiten einstweilen ruhen zu lassen.
Zur Begründung der Gesuchsablehnung führte die Instruktionsrichterin
Folgendes aus:
"Bezüglich der von der SUVA beantragten Sistierung ist darauf hinzuweisen,
dass in erster Linie die Versicherungsleistungen ab dem 1. September 2002
Gegenstand des angefochtenen Einspracheentscheides und damit des vorliegenden
Verfahrens bilden. Der Unfall vom 20. Mai 2003 ereignete sich erst zwischen
der Verfügung vom 29. Januar 2003 und dem Einspracheentscheid vom 22.
September 2003. Somit wirkt er sich weder auf die strittige
Leistungseinstellung noch auf die anfängliche Höhe der Dauerleistungen aus,
zumal allfällige Taggeld- und Heilbehandlungsansprüche im Sinne von Art. 100
Abs. 1 der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV) Gegenstand einer
eigenständigen Verfügung bilden werden. Dass der neue Unfall bereits vor
Erlass des Einspracheentscheides zu einer dauerhaften, sich auf die Höhe von
Invaliditätsgrad und Integritätseinbusse auswirkenden und daher zu
berücksichtigenden Änderung geführt hat, erscheint einstweilen als
unwahrscheinlich. Im jetzigen Verfahrensstadium ist jedenfalls eine
Sistierung nicht angebracht."
5.1.2Die Entwicklung der anspruchserheblichen Sachlage ist normalerweise bis
zum Zeitpunkt des Einspracheentscheids zu verfolgen (BGE 121 V 366 Erw. 1b;
RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101). Vorliegend aber besteht die Besonderheit, dass
zwischen Verfügung und Einspracheentscheid ein neues versichertes Ereignis
eingetreten ist. Aufgrund dessen ist es sinnvoll, den Anspruch, wie er vor
dem zweiten Unfall bestand, für sich allein und vorweg zu beurteilen; denn es
besteht die Möglichkeit, dass die Beurteilung der Gesamtheit der Unfallfolgen
nach dem zweiten versicherten Ereignis weitaus komplexer geworden sein
könnte. Die Wahrscheinlichkeit eines zusätzlichen Abklärungsbedarfs ist hier
höher, während die Aktenlage für die Zeit vor dem weiteren Unfall eher liquid
und einem abschliessenden Entscheid zugänglich zu sein scheint. Die kantonale
Instruktionsrichterin hat die Ablehnung der Sistierung denn auch
ausschliesslich im Hinblick auf die neue Sachlage nach dem zweiten Unfall
begründet. Die bestrittene Einstellung von Taggeld und Heilbehandlung auf den
1. September 2002 wird derweise von vornherein nicht tangiert, da sie vor dem
zweiten Unfall erfolgte. Die Ausrichtung von Dauerleistungen wiederum setzt
eine Stabilisierung des Gesundheitsschadens voraus (Art. 19 Abs. 1 UVG). Wenn
die tatbeständlichen Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer mit
dem zweiten Unfall eingetretenen Verschlimmerung des Gesundheitszustandes
zutreffen sollten, könnte nicht davon ausgegangen werden, dass sich der
Gesundheitszustand zwischen dem 20. Mai 2003 (zweiter Unfall) und dem 22.
September 2003 (Einspracheentscheid) insgesamt so weit stabilisiert hat, dass
die Frage von Invalidität und Integritätseinbusse bereits im massgebenden
Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens aktuell war. Allein dies
ist der Gehalt der beanstandeten Äusserung. Zu weiterreichenden
Fragestellungen, namentlich zur Beweiswürdigung - die Durchsetzung einer
umfassenden Abklärung bleibender Unfallfolgen im Hinblick auf Dauerleistungen
ist primäres Anliegen des Beschwerdeführers -, hat sich die
Instruktionsrichterin in diesem Zusammenhang nicht geäussert. Der
Prüfungsumfang geht somit nicht weiter, als es der Zweck der prozessualen
Vorkehr gebietet. Folglich stehen insoweit keine unnötigen und daher unter
dem Aspekt von Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 1 BV problematischen
Festlegungen im Raum.

5.1.3 Schliesslich lässt auch die Form der inkriminierten Formulierung keinen
Anschein der Voreingenommenheit entstehen, kommt doch deutlich zum Ausdruck,
dass der Verfügung nur summarische und provisorische Überlegungen zugrunde
liegen.

5.2 Mit Einspracheentscheid hat die Verwaltung einer allfälligen Beschwerde
im Voraus die aufschiebende Wirkung entzogen.

5.2.1 In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde beantragt, bis zum Vorliegen
der Ergebnisse weiterer medizinischer Abklärungen und einer neuen
Leistungsverfügung über Rente und Integritätsentschädigung seien dem
Versicherten weiterhin Taggelder auf der Basis einer vollständigen
Arbeitsunfähigkeit zu gewähren. Die vorinstanzliche Instruktionsrichterin sah
in diesem Rechtsbegehren zugleich ein Gesuch um Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung der Beschwerde. Sie lehnte dieses ab mit folgender
Begründung:
"(...) Da der Verwaltung beim Entscheid über den Entzug der aufschiebenden
Wirkung bei Verfügungen, die Versicherungsleistungen zum Gegenstand haben,
ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird, hat die (...)
Beschwerdeinstanz (...) in diesen nur einzugreifen, wenn die Gründe, die
gegen den Entzug der aufschiebenden Wirkung geltend gemacht werden, eindeutig
schwerer wiegen als diejenigen für einen sofortigen Vollzug der Verfügung
(...). Da die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zur Folge hat,
dass der Beschwerdeführer bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache
weiterhin volle Taggeldleistungen und Heilbehandlungsleistungen beziehen
kann, die 100%igen Taggeldleistungen wesentlich höher sind als die auf einem
Invaliditätsgrad von 14 % beruhenden Rentenleistungen und er damit unter
Umständen in den Genuss von zu Unrecht ausgerichteten Leistungen kommt,
welche er gegebenenfalls zurückerstatten muss, hat die SUVA ein Interesse
daran, eine Rückforderung wegen der damit verbundenen administrativen
Erschwernisse und der Gefahr der Nichteinbringlichkeit nach Möglichkeit zu
vermeiden. Demgegenüber werden in der Beschwerde keine besonderen Gründe
vorgebracht, die für die Weiterausrichtung der Versicherungsleistungen im
bisherigen Umfang sprechen. (...) [D]em Umstand, dass der Versicherte durch
die Einstellung der Taggeldleistungen während der Dauer des
Beschwerdeverfahrens allenfalls von Fürsorgeleistungen abhängig wird, kommt
keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dies wäre nämlich praxisgemäss nur dann
der Fall, wenn mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre, dass der
Beschwerdeführer im Hauptverfahren obsiegen wird (...), wozu im jetzigen
Verfahrensstand allerdings noch zu wenig Anhaltspunkte bestehen, zumal auch
eine allfällige Rückweisung der Sache zwecks weiterer Abklärungen im Sinne
des Rechtsbegehrens nicht zwangsläufig gegen die Zulässigkeit der
Taggeldeinstellung oder für höhere Dauerleistungen sprechen würde."
5.2.2Der Versicherte hatte verlangt, es seien ihm "bis zum Vorliegen der
neuen Leistungsverfügung" - und nicht etwa bis zum durch neue Abklärungen
definierten Zeitpunkt einer hinreichenden Stabilisierung des
Gesundheitsschadens - Taggelder und Heilbehandlung zu gewähren. Dieses
Begehren kann in einer praktischen Betrachtungsweise zwar durchaus in dem
Sinne ausgelegt werden, wie es das kantonale Gericht getan hat. Jedoch hätte
ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde
expressis verbis gestellt und mit einer einschlägigen Begründung versehen
werden müssen (Art. 61 lit. b ATSG). Weil beides unterblieben ist, war es
nicht erforderlich und damit auch nicht gerechtfertigt, auf einen allfälligen
Antrag einzutreten und einen verfahrensleitenden Entscheid über den Bestand
der aufschiebenden Wirkung zu treffen. Unter dem Aspekt der richterlichen
Unbefangenheit problematisch sind die diesbezüglichen Ausführungen also
zumindest soweit, als sie eine - wenn auch vorläufige - Bewertung der
Prozesschancen beinhalten.

5.2.3 Gleichwohl stellen die zitierten Äusserungen die innere Unabhängigkeit
der Instruktionsrichterin auch nicht dem Anschein nach in Frage: Die
Ausführungen betreffend die Problematik einer Rückforderung sind allgemeiner
Natur und enthalten keine Einschätzung von deren Wahrscheinlichkeit im
speziellen Fall. Hinsichtlich der Aussichten des Beschwerdeführers, im
Hauptverfahren zu obsiegen, wird betont, dass die Feststellung, es bestünden
nicht ausreichend Anhaltspunkte für einen solchen Verfahrensausgang, aufgrund
des derzeitigen Verfahrensstandes erfolge. Die Möglichkeit der anbegehrten
Rückweisung zur weiteren Abklärung wird ausdrücklich vorbehalten; dass die
entsprechenden Resultate noch offen sind und somit keine Erkenntnisse
vorliegen, welche einen für den Versicherten günstigen Ausgang wahrscheinlich
machen, ist in der Natur der Sache begründet. Dies darf und soll denn auch so
festgehalten werden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die
Instruktionsrichterin ein späteres Beweisergebnis vorweggenommen hätte.
Enthält der Verfügungstext auch insofern keine verfänglichen Stellen, ist aus
der objektivierten Sicht einer Prozesspartei - trotz der nicht gegebenen
Notwendigkeit der Vorkehr an sich - keine verfassungsrechtlich unzulässige
richterliche Selbstbindung erkennbar.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie
sind durch den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 800.- gedeckt; der
Differenzbetrag von Fr. 300.- wird zurückerstattet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 13. September 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: