Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 375/2004
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U 375/04

Urteil vom 30. Dezember 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber
Scartazzini

D.________, 1955, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Rémy
Wyssmann, Hauptstrasse 36, 4702 Oensingen,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 7. September 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1955 geborene D.________ war seit dem 2. März 1992 bei der Firma
X.________ AG, Tiefbauunternehmung, als Bauarbeiter angestellt und dadurch
gegen die Folgen von Unfällen bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch versichert. Am 13. Oktober
1992 erlitt er mit dem Motorfahrrad einen Unfall und zog sich dabei
Verletzungen am rechten Knie (vordere Kreuzbandruptur) sowie eine Bennett
Fraktur rechts zu. Der Versicherte wurde am 21. Oktober 1992 im Spital
Y.________ operiert, war ab dem 29. März 1993 wiederum zu 50 % und ab dem 3.
Juni 1993 zu 100 % arbeitsfähig, wobei die ärztliche Behandlung am 21.
Oktober 1993 abgeschlossen werden konnte. Nachdem die ehemalige Arbeitgeberin
des Versicherten im Januar 2002 einen Rückfall angemeldet hatte, wurde ein
Arztbericht vom 15. Dezember 2001 eingereicht, in welchem Dr. med. W.________
ein chronifiziertes panvertebrales Schmerzsyndrom und eine beginnende mediale
posttraumatische Gonarthrose rechts diagnostizierte. Die SUVA veranlasste
medizinische Abklärungen und zog die IV-Akten bei, wonach D.________ ab 1.
Mai 2001 eine halbe Rente zusteht. Mit Verfügung vom 25. Oktober 2002
verneinte sie das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Verschlimmerung des
Unfalles vom 13. Oktober 1992 und lehnte einen Anspruch auf
Versicherungsleistungen ab. Dies bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom
21. März 2003.

B.
Beschwerdeweise liess D.________ den Antrag auf Ausrichtung der gesetzlichen
Leistungen sowie auf Einholung eines fachärztlichen Gutachtens, welches sich
zur unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sowie zum Integritätsschaden zu
äussern habe, stellen; dabei stützte er sich hauptsächlich auf eine am 30.
Januar 2004 erfolgte Stellungnahme von Dr. med. W.________. Mit Entscheid vom
7. September 2004 wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn die
Beschwerde ab.

C.
D.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die Rechtsbegehren
stellen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihm unter
Kosten- und Entschädigungsfolge die gesetzlichen Leistungen nach Massgabe
eines gerichtlich festzustellenden Integritätsschadens und einer ebenfalls
gerichtlich zu bestimmenden Invalidität zuzüglich eines Verzugszinses von 5 %
auszurichten. Eventualiter sei die Sache zur Abklärung des rechtserheblichen
Sachverhalts und zum Neuentscheid an die SUVA zurückzuweisen. Ferner wurde um
unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung ersucht; mit Schreiben vom
16. November 2004 wurde das Gesuch jedoch zurückgezogen.

Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer verunfallte am 13. Oktober 1992. Die Rückfallmeldung
erfolgte im Januar 2002 und der Einspracheentscheid erging am 21. März 2003.
Damit ist teilweise ein rechtserheblicher Sachverhalt zu beurteilen, der sich
vor dem In-Kraft-Treten des ATSG am 1. Januar 2003 ereignet hat.

In BGE 130 V 329 ff. erwog das Eidgenössische Versicherungsgericht, dass Art.
82 Abs. 1 ATSG nur eine beschränkte Tragweite zukommt, indem diese Bestimmung
- vorbehältlich Anpassungen rechtskräftig verfügter Leistungskürzungen
aufgrund von Art. 21 Abs. 1 und 2 ATSG - lediglich diejenigen Fälle von der
Anwendbarkeit des ATSG ausnehmen will, in denen vor dem 1. Januar 2003
rechtskräftig verfügt worden ist. Erging der Einspracheentscheid zwar nach
In-Kraft-Treten des ATSG, sind jedoch auch vor dem 1. Januar 2003
eingetretene Sachverhalte zu beurteilen, ist der Beurteilung der im Streite
liegenden Rechtsverhältnisse bis 31. Dezember 2002 das alte Recht, ab 1.
Januar 2003 das ATSG in Verbindung mit den revidierten Einzelgesetzen zu
Grunde zu legen.

In BGE 130 V 343 ff. hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden,
dass es sich bei den im ATSG enthaltenen Legaldefinitionen der
Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), der
Invalidität (Art. 8 ATSG) und des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) in
aller Regel um eine formellgesetzliche Fassung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu den entsprechenden Begriffen vor In-Kraft-Treten des ATSG
handelt und sich inhaltlich damit keine Änderung ergibt, weshalb die zum bis
31. Dezember 2002 gültig gewesenen Recht entwickelte Praxis übernommen und
weitergeführt werden kann. Keine materiellrechtliche Änderung bringt auch der
redaktionell neu gefasste Unfallbegriff des Art. 4 ATSG (Urteil R. vom 30.
September 2004 Erw. 2, U 252/04).

2.
Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht
des Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG vorausgesetzten natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und eingetretenem Schaden
(Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 129 V 181 Erw. 3.1 mit Hinweisen), zu den
Begriffen Rückfall und Spätfolgen (Art. 11 UVV; BGE 127 V 457 Erw. 4b, 118 V
296 f. Erw. 2c und d; SVR 2003 UV Nr. 14 S. 43 Erw. 4; RKUV 1994 Nr. U 206 S.
327 Erw. 2) sowie zur vorausgesetzten Adäquanz des Kausalzusammenhangs (BGE
129 V 181 f. Erw. 3.3, 127 V 103 Erw. 5b/bb, 115 V 133 ff.) richtig
wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. Ergänzend ist die Rechtsprechung zu dem
im Sozialversicherungsrecht geltenden Untersuchungsgrundsatz (BGE 130 V 68 f.
Erw. 5.2.5 mit Hinweisen), zum Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 153 Erw. 2.1 mit Hinweisen) und zum Beweiswert
eines Arztberichts (BGE 125 V 352 Erw. 3a; AHI 2001 S. 113 Erw. 3a) zu
erwähnen.

3.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes, indem
die Vorinstanz trotz Vorliegens einer posttraumatischen Gonarthrose, welche
im Sinne eines Rückfalls des am 13. Oktober 1992 erlittenen Unfalls zu
betrachten sei und mit diesem in einem kausalen Zusammenhang stehe, keinen
Integritätsschaden festgestellt habe. Zudem habe das kantonale Gericht es
unterlassen, eine von Dr. med. W.________ am 30. Januar 2004 attestierte
Arbeitsunfähigkeit von 20 % zu berücksichtigen und habe ferner bei der
Ermittlung des Invalideneinkommens, im Widerspruch zum von der IV-Stelle des
Kantons Solothurn angenommenen und vom Eidgenössischen Versicherungsgericht
bestätigten leidensbedingten Abzug von 15 %, einen solchen von lediglich 5 %
berücksichtigt.

3.1 Auf Grund der medizinischen Akten ist der natürliche Kausalzusammenhang
zwischen dem Unfallereignis vom 13. Oktober 1992 und den vom Versicherten
geltend gemachten Beschwerden nicht nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erstellt worden. Dr. med. B.________ beschrieb am 30.
September 2002 ein normal, ohne Hinweis auf eine Instabilität
funktionierendes Knie. Dieser Auffassung schloss sich der SUVA-Kreisarzt am
21. Oktober 2002 an und stellte eine praktisch seitengleiche knienahe
Muskulatur fest, ohne Schonzeichen, kein Umfangdefizit. Wie die Vorinstanz
zutreffend ausgeführt hat, findet sich in den medizinischen Akten kein
Hinweis darauf, dass das beim Beschwerdeführer von Dr. med. M.________ in
einem umfassenden Arztbericht vom 18. Juni 2001 festgestellte
chronisch-rezidivierende Panvertebral-Syndrom mit Schmerzprojektionen in
beide Beine mit der Knieproblematik in einem kausalen Zusammenhang stehen
würde. Selbst Dr. med. W.________ hielt in seinem Bericht vom 30. Januar 2004
ausdrücklich fest, dass eine Schmerzüberlagerung (im Knie) auch durch die
Veränderungen der Wirbelsäule zu erklären sein dürfte und die
Rückenbeschwerden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht auf das
Unfallereignis vom 13. Oktober 1992 zurückzuführen seien. In der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde bringt der Beschwerdeführer nichts vor, was
diesbezüglich zu einem anderen Schluss führen könnte.

3.2 Die Entschädigung einer Integritätseinbusse und die Ausrichtung einer
Rente auf Grund einer leistungsspezifischen Invalidität setzen das Vorliegen
eines natürlichen und eines adäquaten Kausalzusammenhangs voraus. Ist nach
dem Gesagten die natürliche Kausalität zwischen dem versicherten Ereignis vom
13. Oktober 1992 und den im Sinne eines Rückfalls geklagten
Gesundheitsbeschwerden nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit nicht gegeben, stellt sich die Frage des adäquaten
Kausalzusammenhangs nicht und besteht auch kein Anspruch auf
Versicherungsleistungen.

Selbst wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt wären, würde dies im
vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen. In der Tat stützt sich
der Versicherte hinsichtlich der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit von 20
% lediglich auf die von Dr. med. W.________ am 30. Januar 2004 gemachte
Aussage, wonach die rein unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit zu Folge der
gesundheitlichen Beeinträchtigung am rechten Knie maximal 10 bis 20 %
betrage. Ansonsten findet sich in den medizinischen Akten kein Hinweis
darauf, dass die Arbeitsfähigkeit unfallbedingt eingeschränkt wäre, während
die Einschätzung von Dr. med. W.________ auf einer einzigen Untersuchung vom
13. Dezember 2001 beruht. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers
trifft es auch nicht zu, dass die Beschwerdegegnerin über das Ergebnis dieser
Untersuchung nicht im Bild gewesen wäre, wird sein Bericht vom 15. Dezember
2001 im Einspracheentscheid vom 21. März 2003 doch ausdrücklich erwähnt.
Schliesslich ist festzustellen, dass der im Rahmen der von der Vorinstanz
durchgeführten Ermittlung des massgebenden Invalideneinkommens als zu gering
beanstandete Leidensabzug von 5 % auch bei der Berücksichtigung eines solchen
von 15 % keinen Anspruch auf eine Invalidenrente geben würde. Geht man
nämlich bei der Anwendung dieses Prozentsatzes von den unbestrittenen
Beträgen eines Valideneinkommens von Fr. 54'124.- und eines
Invalideneinkommens von Fr. 49'123.- (85 % von Fr. 57'792.-) aus, beträgt der
Invaliditätsgrad lediglich 9 % (abgerundet von 9,24 %; BGE 130 V 122 ff. Erw.
3), was nach Art. 18 Abs. 1 UVG für die Ausrichtung einer Invalidenrente
nicht ausreicht.

3.3 Nach dem Gesagten erfüllt der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für
den Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung nicht, wie die Vorinstanz
zutreffend entschieden hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 30. Dezember 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: