Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 368/2004
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U 368/04

Urteil vom 28. Dezember 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Durizzo

Allianz Suisse Versicherungen, Hohlstrasse 552, 8048 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

S.________, 1947, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt August
Holenstein, Rorschacher Strasse 107, 9000 St. Gallen

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 18. August 2004)

Sachverhalt:

A.
Am 26. Januar 1992 hatte S.________ beim Eislaufen einen Zusammenstoss und
zog sich dabei eine Verletzung am rechten Fuss zu (Bimalleolarfraktur Typ
Weber C mit Ausriss des Volkmann'schen Dreiecks). Im April 1999 machte sie
einen Rückfall geltend. Die Allianz Suisse Versicherungen (im Folgenden:
Allianz) erbrachte als Unfallversicherer die gesetzlichen Leistungen. Mit
Verfügung vom 30. August 2002, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 30.
September 2003, schloss sie den Fall ab und sprach S.________ eine
Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 20 % in der Höhe
von Fr. 19'440.- zu. Den Anspruch auf eine Invalidenrente lehnte sie dagegen
ab mit der Begründung, die Versicherte könne selbst mit der unfallbedingten
Gesundheitsschädigung ein rentenausschliessendes Einkommen verdienen.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Ausrichtung einer
Invalidenrente für eine Erwerbsunfähigkeit von mindestens 20 % hiess das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 18. August 2004
gut und sprach der Versicherten ab 1. Februar 1999 eine Invalidenrente auf
der Basis eines Invaliditätsgrades von 22 % zu.

C.
Die Allianz führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Aufhebung
des angefochtenen Entscheides und Bestätigung des Einspracheentscheides vom
30. September 2003.

Während S.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen
lässt, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über die Ermittlung des
Invalditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG), die Rechtsprechung zu dem für den
Einkommensvergleich massgebenden Zeitpunkt des Rentenbeginns (BGE 128 V 174,
129 V 222), zum Beizug der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen
Lohnstrukturerhebung (LSE), wenn die versicherte Person nach Eintritt des
Gesundheitsschadens keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen hat (BGE 126 V 76
f. Erw. 3b/bb), zur Anpassung an die Nominallohnentwicklung, wobei nach
Geschlechtern zu differenzieren ist (BGE 129 V 408), sowie zum Abzug vom
Tabellenlohn (BGE 126 V 78 ff. Erw. 5) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen. Zu präzisieren ist, dass der Beurteilung der Verhältnisse bis 31.
Dezember 2002 die alten und danach die mit dem ATSG geänderten
Rechtsvorschriften zu Grunde zu legen sind (BGE 130 V 445, 130 V 329).
Materiellrechtliche Auswirkungen sind indessen damit nicht verbunden (BGE 130
V 348 f. Erw. 3.4).

2.
Die Vorinstanz hat sich bei der Ermittlung des noch strittigen
Invalideneinkommens auf Tabelle TA1 der LSE 1998 gestützt. Wie das
Eidgenössische Versicherungsgericht in dem in RKUV 2001 Nr. U 439 S. 347
publizierten Urteil erkannt hat, ist bei Versicherten, die nach Eintritt des
Gesundheitsschadens lediglich noch leichte und intellektuell nicht
anspruchsvolle Arbeiten verrichten können, vom durchschnittlichen monatlichen
Bruttolohn ("Total") für Männer oder Frauen bei einfachen und repetitiven
Tätigkeiten (Anforderungsniveau des Arbeitsplatzes 4) auszugehen. In dem in
RKUV 2000 Nr. U 405 S. 399 veröffentlichten Urteil hatte es erkannt, es könne
sich durchaus rechtfertigen, statt auf den Durchschnittslohn innerhalb eines
bestimmten Wirtschaftszweiges oder eines Teils hievon (Tabelle TA1) auf
denjenigen für eine bestimmte Tätigkeit (Tabelle TA7) abzustellen, wenn dies
eine genauere Festsetzung des Invalideneinkommens erlaube.

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zunächst erfasst Tabelle TA7 entgegen
den Einwendungen der Beschwerdeführerin zwar neben dem privaten auch den
öffentlichen Sektor, allerdings nur den Bund. Darauf kann nicht abgestellt
werden, weil die Versicherte bei der kantonalen Verwaltung tätig war. Des
Weiteren können aber auch nicht die Durchschnittslöhne in einer oder
verschiedenen in Tabelle TA7 ausgewiesenen bestimmten Tätigkeiten
herangezogen werden, weil dies keine genauere Festsetzung des
Invalideneinkommens erlauben würde. Zu Unrecht macht die Beschwerdeführerin
in diesem Zusammenhang unter Verweis auf ihren Einspracheentscheid
insbesondere geltend, der Versicherten seien Sekretariats- und
Kanzleiarbeiten oder andere kaufmännisch-administrative Tätigkeiten zumutbar,
hat sie doch nie solche ausgeübt. Wie sich aus den Akten ergibt, war die
Versicherte nach ihrem Schulabschluss als angelernte Hundecoiffeuse, nach
ihrer Heirat und der Geburt ihrer vier Kinder in Heimarbeit für eine
Strumpffabrik und als Raumpflegerin tätig. Ab 1985 war sie bei der Verwaltung
X.________ als Hauswartin angestellt und kümmerte sich um 40 Wohnungen und
200 Autoeinstellplätze sowie die Rasenpflege. Demgegenüber ist eine
produktionsnahe oder eine Tätigkeit im Verkauf von Konsumgütern und
Dienstleistungen dem Leiden der Versicherten nicht angepasst. Die Gutachter,
welche die Versicherte nach dem Rückfall untersucht haben, empfehlen eine
vorwiegend sitzende Tätigkeit (Expertisen des Dr. med. M.________, Chirurgie
FMH, vom 3. August 2000, und des Dr. med. P.________, Orthopädische Chirurgie
FMH, vom 8. Januar 2002). Damit fallen nicht nur die von der
Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Tätigkeiten ausser Betracht; es gibt
angesichts der unterschiedlichen Berufe, welche die Versicherte bisher
ausgeübt hat, auch keinen Grund, auf den Durchschnittslohn für eine bestimmte
Tätigkeit gemäss Tabelle TA7 abzustellen. Damit bleibt bei der Ermittlung des
Invalideneinkommens Tabelle TA1 der LSE 1998 massgebend.

Der vom kantonalen Gericht vorgenommene Abzug vom Tabellenlohn von 10 % ist
im Rahmen der Angemessenheitskontrolle und mit Blick auf vergleichbare Fälle
nicht zu beanstanden (Art. 132 lit. a OG; BGE 126 V 81 Erw. 5 und 6 mit
Hinweisen).

3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der Beschwerdegegnerin steht
gestützt auf Art. 159 Abs. 2 OG in Verbindung mit Art. 135 OG eine
Parteientschädigung zu.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Allianz Suisse Versicherungen hat der Beschwerdegegnerin für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 28. Dezember 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: