Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 363/2004
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U 363/04

Urteil vom 12. Januar 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Nussbaumer

R.________, 1968, Beschwerdeführer, vertreten durch Herrn lic. iur. Pollux L.
Kaldis, Sozialversicherungs- und Ausländerrecht, Solistrasse 2a, 8180 Bülach,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Beschluss vom 7. September 2004)

Sachverhalt:

A.
R. ________ (geb. 1968) arbeitete ab Juni 2001 als Maurer bei der Firma
S.________ AG und war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen
versichert. Am 9. Oktober 2001 zog er sich bei der Arbeit eine
Hüftgelenksprellung rechts zu. Die Arbeitgeberin meldete ferner am 15. April
2002 einen Rückfall. Die SUVA erbrachte zunächst die gesetzlichen
Versicherungsleistungen und liess den Versicherten medizinisch abklären. Mit
Verfügung vom 1. Oktober 2002 teilte sie ihm mit, aufgrund der medizinischen
Unterlagen bestehe zwischen den aktuellen Rückenbeschwerden und dem
Unfallereignis vom 9. Oktober 2001 kein Zusammenhang. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 30. März 2004 fest.

B.
Hiegegen liess R.________ am 30. Juni 2004 beim Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich Beschwerde erheben mit dem Antrag, in Aufhebung des
Einspracheentscheides vom 30. März 2004 sei die Sache an die SUVA
zurückzuweisen, damit diese nach weiteren medizinischen Abklärungen erneut
über seinen Anspruch auf Versicherungsleistungen befinde. Während sich der
Antrag mit dem angefochtenen Einspracheentscheid vom 30. März 2004 befasste,
bezog sich die Begründung auf einen im Jahr 1953 geborenen Versicherten
gleichen Namens, der bei der SUVA wegen Atembeschwerden Leistungen für eine
Berufskrankheit beanspruchte. Der Vertreter der SUVA machte den Vertreter des
Beschwerdeführers am 13. August 2004 telefonisch auf den Mangel aufmerksam.
Mit Beschluss vom 7. September 2004 trat das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich auf die Beschwerde nicht ein. Zur Begründung führte es an, mit
Kenntnis der mangelhaften Beschwerde am 13. August 2004 sei eine
Fristansetzung durch das Gericht zur Beschwerdeverbesserung entfallen, denn
der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hätte unaufgefordert innert 10
Tagen ein Fristwiederherstellungsgesuch stellen müssen.

C.
R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in
Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Vorinstanz zu verpflichten,
auf die Beschwerde vom 30. Juni 2004 einzutreten. Ferner stellt er das Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege.
Die SUVA schliesst auf Nichteintreten bzw. auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das kantonale Gericht und das Bundesamt für
Gesundheit (BAG) verzichten auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische
Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
2.1 Nach Art. 61 lit. b ATSG muss die Beschwerde eine gedrängte Darstellung
des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten.
Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der
Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und
verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht
eingetreten wird.

2.2 Art. 61 lit. b ATSG entspricht der früheren Bestimmung des Art. 85 Abs. 2
lit. b AHVG und gleich lautenden Verfahrensbestimmungen in den anderen
Einzelgesetzen (wie auch Art. 108 Abs. 1 lit. b UVG), namentlich was die
Anforderungen an die Beschwerde und die Nachfristansetzung betrifft (Urteil
Z. vom 6. Mai 2004, H 305/03, erwähnt in ZBJV 2004 S. 752 und HAVE 2004 S.
242). Dies bedeutet namentlich, dass die zu Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG
ergangene Rechtsprechung (BGE 118 V 311) unter der Geltung von Art. 61 lit. b
ATSG weitergeführt werden kann. Da diese Praxis § 18 des Gesetzes über das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vom 7. März 1993 als
bundesrechtskonform bezeichnete und der kantonalen Bestimmung keine
weitergehende Bedeutung beimass - was im Übrigen nur im Sinne einer
Erleichterung der Beschwerdevoraussetzungen, nicht hingegen einer Erschwerung
derselben zulässig wäre -, ist im Folgenden nur noch zu prüfen, ob das
kantonale Gericht dadurch eine Bundesrechtsverletzung (Art. 104 lit. a OG)
begangen hat, dass es auf Nichteintreten erkannte, ohne dem Beschwerdeführer
für die mangelhafte Beschwerdebegründung eine Nachfrist anzusetzen.

3.
3.1 Nach der unbestrittenen Feststellung des kantonalen Gerichts hat der
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in der vorinstanzlichen
Beschwerdeschrift vom 30. Juni 2004 in der Begründung auf eine
Berufskrankheit eines im Jahr 1953 geborenen Versicherten Bezug genommen,
während es sich beim der Beschwerde beigelegten Einspracheentscheid um ein
Unfallereignis vom 9. Oktober 2001 sowie um einen Rückfall vom 15. April 2002
des im Jahr 1968 geborenen Beschwerdeführers handelt. Seit dem Telefonat mit
der SUVA am 13. August 2004 wisse der Vertreter des Beschwerdeführers von
diesem Mangel. Das Hindernis einer rechtsgenügenden Beschwerdeerhebung sei
mit der Kenntnisnahme der Verwechslung weggefallen. Mit dieser Kenntnisnahme
der mangelhaften Beschwerde entfalle eine Fristansetzung durch das Gericht
zur Beschwerdeverbesserung im Sinne von § 18 Abs. 3 des Gesetzes über das
Sozialversicherungsgericht. Vielmehr hätte der Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers unaufgefordert innert 10 Tagen ein
Fristwiederherstellungsgesuch stellen müssen.

3.2 Mit dieser Auffassung verletzt das kantonale Gericht Bundesrecht, weil
nach der nach wie vor geltenden Rechtsprechung bei einer ungenügenden
Beschwerde zwingend eine Nachfrist anzusetzen ist, ausser es liege - was hier
nicht der Fall ist - rechtsmissbräuchliches Verhalten des Beschwerdeführers
oder seines Rechtsvertreters vor. Namentlich ist nach der Rechtsprechung (BGE
119 V 266 Erw. 2a mit Hinweisen) auch im Fall gänzlich fehlender Begründung
eine Nachfristansetzung erforderlich (ebenso Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, N.
45 zu Art. 61, S. 613). Der fehlenden Begründung ist der vorliegende Fall
gleichzustellen, in welchem der Rechtsvertreter irrtümlicherweise seiner
Beschwerdeschrift eine Begründung eines andern Falles eingefügt hat. Da eine
formell ungenügende Beschwerde auf gerichtliche Ansetzung einer Nachfrist hin
zu verbessern ist, bleibt für ein Wiederherstellungsbegehren in diesem
Verfahrensstadium kein Raum. Nach dem Gesagten hat das kantonale Gericht mit
seinem Vorgehen Art. 61 lit. b ATSG verletzt. Die Sache geht daher an das
kantonale Gericht zurück, damit es dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers
eine Nachfrist zur Verbesserung der Beschwerdeschrift vom 30. Juni 2004
ansetze.

4.
Da nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen,
sondern eine prozessuale Frage zur Diskussion steht, ist das Verfahren
kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Nach Art. 156 Abs. 6 OG hat
unnötige Kosten zu bezahlen, wer sie verursacht. Der Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers hat seiner Beschwerdeschrift vom 30. Juni 2004 einen völlig
anderen Begründungstext beigefügt, diese unterschrieben und dabei seinen
Irrtum nicht bemerkt. Es kann von einem Rechtsvertreter erwartet werden, dass
er eine Beschwerdeschrift vor der Unterzeichnung noch einmal durchliest.
Dabei wäre er auf seinen Irrtum aufmerksam geworden. Er hat damit den
vorinstanzlichen Entscheid, auch wenn dieser Art. 61 lit. b ATSG verletzt,
und damit das vorliegende Verfahren verursacht. Es rechtfertigt sich daher,
ihm die Verfahrenskosten aufzuerlegen (BGE 129 IV 206, 125 V 375 Erw. 2b; ZAK
1988 S. 400). Ebenso wenig hat er Anspruch auf Ersatz seiner Bemühungen für
das letztinstanzliche Verfahren. Unter diesen Umständen ist das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der vorinstanzliche
Beschluss vom 7. September 2004 aufgehoben und es wird die Sache an das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen, damit dieses im
Sinne der Erwägungen verfahre.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers, lic. iur. Pollux L. Kaldis, Bülach, auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 12. Januar 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: