Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 360/2004
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U 360/04

Urteil vom 3. März 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Grünvogel

T.________, 1966, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hess,
Seidenhofstrasse 14, 6003 Luzern,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 6. September 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1966 geborene T.________ war seit Februar 1999 bei der Firma A.________
AG als Allrounder tätig und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfälle versichert. In der Nacht vom 7. auf den 8. April 2001 kam
es zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen T.________ einerseits und
dem früheren Ehemann seiner damaligen Freundin K.________, H.________, sowie
zwei weiteren Personen anderseits. T.________ wurden durch Messerstiche in
den Unterleib der Dünndarm wie auch die Vena cava sup. verletzt. Zusätzliche
Schnitt- oder Stichwunden fanden sich im Bereich der Stirn und der
Augenbrauen beidseits sowie am Oberarm links. Das Amtsstatthalteramt stellte
am 21. Februar 2002 die gegen T.________ eingeleitete Strafuntersuchung wegen
Beteiligung an einem Raufhandel ein.

Mit Verfügung vom 25. Juli 2003 kürzte die SUVA sämtliche Geldleistungen
wegen Beteiligung an einer Rauferei und Schlägerei um 50 %, woran sie mit
Einspracheentscheid vom 16. September 2003 festhielt.

B.
Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern mit Entscheid vom 6. September 2004 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt T.________ die Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids und des Einspracheentscheids beantragen.
Gleichzeitig ersucht er um unentgeltliche Verbeiständung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Verwaltungsgericht hat die Bestimmungen über die Kürzung von
Leistungen der Unfallversicherung (Art. 39 UVG), namentlich bei Beteiligung
an Raufereien und Schlägereien (Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV) in der bis Ende
2002 geltenden, hier anwendbaren Fassung (BGE 129 V 4 Erw. 1.2) und die dazu
ergangene Rechtsprechung (RKUV 1991 Nr. U 120 S. 90 Erw. 3b mit Hinweisen;
siehe auch BGE 107 V 235 Erw. 2a) richtig wiedergegeben. Dabei hat es
insbesondere auch dargelegt, dass sich die Beteiligung an Raufereien oder
Schlägereien im Sinne von Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV nicht mit dem Tatbestand
der Beteiligung an einem Raufhandel gemäss Art. 133 StGB deckt (RKUV 1991 Nr.
U 120 S. 90 Erw. 3c mit Hinweis). Darauf wird verwiesen.

2.
Der Beschwerdeführer kannte K.________ nach eigenen Aussagen vom 18. April
2004 gegenüber der Kriminalpolizei seit zweieinhalb bis drei Jahren, wobei
aus anfänglicher Freundschaft eine Liebschaft geworden war. Angesichts dieses
Umstandes, unterstrichen durch die unbestrittene Tatsache, dass sich
K.________ am Abend des 8. April 2001 wegen des gewaltmässigen Versuchs ihres
ehemaligen Ehegatten, sich Einlass in ihre Wohnung zu verschaffen, sogleich
Hilfe rufend telefonisch an den Versicherten gewandt hatte, ist mit der
Vorinstanz davon auszugehen, dass dieser über den im Jahre 1995 in eine
Anzeige wegen Tätlichkeit und Drohung mündenden Gewaltexzess von H.________
gegenüber seiner damaligen Ehefrau orientiert war. Von Gegenteiligem
auszugehen, wäre lebensfremd. Er wusste demnach über die in H.________
liegende Neigung zu physischer Gewalt. Trotz eindringlicher Bitten von
K.________ liess er sich nicht davon abbringen, H.________, zu dem er seinen
eigenen Ausführungen folgend ein gespanntes Verhältnis hatte, am selben Abend
persönlich aufzusuchen.

Soweit er in diesem Zusammenhang die vorinstanzliche Feststellung bestreitet,
K.________ habe ihm von einem Zusammentreffen mit ihrem Ex-Ehemann
ausdrücklich abgeraten, so stellt er sich damit in Widerspruch zu den
Aussagen des eigenen Sohnes im Rahmen der polizeilichen Zeugenbefragung vom
12. April 2004, wonach K.________ die Telefonnummer von H.________ erst nach
anfänglichem Widerstand herausgegeben, dafür vom Beschwerdeführer aber das
Versprechen abverlangt und schliesslich auch erhalten habe, H.________ nicht
aufzusuchen. Angesichts dieser klaren, auf persönlicher Wahrnehmung
basierenden, sich zudem im Einklang mit den von der Polizei am 8. April 2001
festgehaltenen Ausführungen von K.________ stehenden Sachverhaltsschilderung
besteht keine Veranlassung, an deren Richtigkeit zu zweifeln.

Die ohnehin bereits spannungsgeladene Situation wurde durch das von
gegenseitigen Beschimpfungen begleitete Telefongespräch zwischen dem
Versicherten und H.________ zusätzlich verschärft. Trotz dieser ungünstigen
Vorzeichen und im Wissen um die Aggressivität von H.________ schickte sich
der Beschwerdeführer direkt im Anschluss an das angesprochene Telefonat an,
H.________ persönlich zur Rede zu stellen. Damit ging der Versicherte
objektiv betrachtet das Risiko einer dem angestrebten (weiteren) Wortwechsel
folgenden tätlichen Auseinandersetzung mit ein, was zur Reduktion der
Geldleistungen gestützt auf Art. 39 UVG in der bis Ende 2002 gültigen Fassung
in Verbindung mit Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV genügt. Denn nach der
Rechtsprechung ist eine Beteiligung an einer Rauferei oder Schlägerei nicht
nur bei der Teilnahme an einer eigentlichen tätlichen Auseinandersetzung
gegeben. Eine Beteiligung ist jedes Verhalten, das objektiv gesehen bereits
das Risiko einschliesst, in Tätlichkeiten überzugehen oder solche nach sich
zu ziehen (RKUV 1991 Nr. U 120 S. 89 f. unten Erw. 3b). Nicht notwendig ist,
dass der Versicherte selbst tätlich geworden ist. Unerheblich ist auch, aus
welchen Motiven er sich beteiligt hat, wer mit einem Wortwechsel oder
Tätlichkeiten begonnen hat und welche Wendung die Ereignisse in der Folge
genommen haben. Entscheidend ist allein, ob die versicherte Person die Gefahr
einer tätlichen Auseinandersetzung erkannt hat oder erkennen musste (BGE 99 V
11 Erw. 1 in fine; RKUV 1991 Nr. U 120 S. 90 Erw. 3b). Deshalb ist
insbesondere auch unbedeutend, ob unmittelbar vor dem Gewaltakt (nochmals)
ein Wortwechsel stattgefunden hat oder nicht und wie sich die Angelegenheit
im Weiteren nach dem Eintreffen vor Ort im Einzelnen abgespielt hat. Die
diesbezüglichen Vorbringen zielen daher an der Sache vorbei. Damit erweist
sich die von der Vorinstanz bestätigte Kürzung der Geldleistungen als
rechtens.

3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Angesichts der im Gesuchsformular
aufgezeigten Vermögens- und Einkommenssituation ist der Versicherte
gesamthaft gesehen als bedürftig zu betrachten. Da der Prozess darüber hinaus
nicht gänzlich aussichtslos und die Verbeiständung durch einen Anwalt geboten
ist (vgl. BGE 128 I 232 Erw. 2.5.2, 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit
Hinweisen), kann dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Verbeiständung
gewährt werden. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG
verwiesen, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Beat
Hess, Luzern, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1750.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
(BAG) zugestellt.

Luzern, 3. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: