Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 358/2004
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U 358/04

Urteil vom 23. März 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Lanz

H.________, 1938, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt
Steiner, Spitalgasse 4, 9004 St. Gallen,

gegen

Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft, Hohlstrasse 552, 8048 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Trogen

(Entscheid vom 23. Juni 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1938 geborene H.________ war als Kantonsschullehrer über seinen
Arbeitgeber bei der Elvia Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft
(nachstehend: Elvia) obligatorisch unfallversichert. Ab November 1995 traten
verschiedenartige gesundheitliche Beschwerden auf, für die H.________ einen
Zeckenbiss verantwortlich machte. Eine zur Abklärung und Therapie veranlasste
Hospitalisation vom April 1996 führte zur Diagnose einer Borreliose bei
Lyme-Disease und Verdacht auf Neuroborreliose. In der Folge wurde eine
Arbeitsunfähigkeit bestätigt. Am 12. Januar 1998 wurde der Sachverhalt als
Unfall an die Elvia gemeldet. Es folgten internistische, neurologische und
neuropsychologische Abklärungen des sich weiter verschlechternden
Gesundheitszustandes. Ab März 1999 nahm auch der von H.________ aufgesuchte
Dr. med. S.________, Facharzt für Innere Medizin FMH, wiederholt Stellung.
Dieser Arzt veranlasste eine stationäre Therapie in der Klinik A.________,
welche wie die weiteren Behandlungsmassnahmen zu keiner bleibenden Besserung
führte. Aufgrund der unterschiedlichen Beurteilungen der beteiligten Ärzte
sah sich die Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft (nachstehend: Allianz)
als Rechtsnachfolgerin der Elvia veranlasst, ein Gutachten des Spitals
X.________, Departement Innere Medizin, Abteilung Infektionskrankheiten und
Spitalhygiene, vom 21. Mai 2002 einzuholen. Gestützt darauf verneinte sie
ihre Leistungsflicht mangels eines natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen
versichertem Ereignis und gesundheitlicher Störung (Verfügung vom 13. August
2002). Daran hielt die Allianz auf die von H.________ und seinem
obligatorischen Krankenversicherer eingereichten Einsprachen hin fest
(Einspracheentscheid vom 30. April 2003).

B.
Die von H.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 23. Juni 2004 ab.

C.
H.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
es sei die Leistungspflicht des Unfallversicherers festzustellen.
Eventualiter wird die Einholung eines fachmedizinischen gerichtlichen
Gutachtens und subeventualiter die Rückweisung an die Vorinstanz zur
Neubeurteilung nach allfälliger Beweisergänzung beantragt.
Die Allianz schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Grundsätze über den für die Leistungspflicht
des Unfallversicherers nebst dem adäquaten erforderlichen natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden
(Krankheit, Invalidität, Tod; vgl. BGE 129 V 181 Erw. 3.1 mit Hinweisen),
namentlich auch bei Zeckenbissen (BGE 122 V 230), den zu beachtenden
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b;
sodann BGE 129 V 181 Erw. 3.1 mit Hinweisen), die Bedeutung ärztlicher
Berichte für die Beurteilung dieses Zusammenhangs (BGE 112 V 32; ferner BGE
118 V 290 Erw. 1b und RKUV 2000 Nr. U 377 S. 185 Erw. 4a) und den Grundsatz
der freien Beweiswürdigung, namentlich im Hinblick auf den Beweiswert von
Arztberichten (BGE 125 V 352 Erw. 3a; siehe auch RKUV 2003 Nr. U 487 S. 345
f. Erw. 5.1) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

Hervorzuheben ist, dass den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens durch den
Unfallversicherer eingeholten Gutachten von externen Spezialärzten, welche
auf Grund eingehender Beobachtungen und Untersuchungen sowie nach Einsicht in
die Akten Bericht erstatten und bei der Erörterung der Befunde zu schlüssigen
Ergebnissen gelangen, bei der Beweiswürdigung volle Beweiskraft zuzuerkennen
ist, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise
sprechen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/bb).

Das seit 1. Januar 2003 geltende Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) hat die dargelegte Rechtslage nicht
modifiziert.

2.
Die gesundheitliche Symptomatik, welche zu einer zunehmenden, letztlich
vollen und bleibenden Arbeitsunfähigkeit geführt hat, ist nach der
einhelligen und nach Lage der medizinischen Akten zutreffenden Auffassung der
Verfahrensbeteiligten mit einer progredienten Hirnatrophie zu erklären.
Streitig und zu prüfen ist, ob dieser Gesundheitsschaden zumindest teilweise
(zum Genügen der Teilursächlichkeit für die Bejahung des natürlichen
Kausalzusammenhangs: BGE 121 V 329 Erw. 2a mit Hinweisen; RKUV 2001 Nr. U 430
S. 315 Erw. 4b) in einer durch Zeckenbiss verursachten Neuroborreliose
begründet liegt.
Im Gutachten des Spitals X.________ vom 21. Mai 2002 wird diese Frage
verneint. Danach sind die cerebralen Ausfälle nicht durch eine
Neuroborreliose bedingt, sondern durch eine in ihrer Aetiologie ungeklärte
neurodegenerative Erkrankung, eine sogenannte ausgeprägte fronto-temporale
Atrophie.

Die Expertise vom 21. Mai 2002 erfüllt die Anforderungen an den Beweiswert
ärztlicher Berichte (vgl. Erw. 1 hievor), weshalb mit dem kantonalen Gericht
darauf abzustellen ist. Eine abweichende Auffassung in der Kausalitätsfrage
vertritt von ärztlicher Seite einzig Dr. med. S.________. Dieser hat indessen
als behandelnder Arzt Bericht erstattet, was bereits eine zurückhaltende
Gewichtung seiner Aussagen rechtfertigt (vgl. BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc sowie
Urteile H. vom 21. Februar 2005, I 570/04, Erw. 5.1, und S. vom 15. Februar
2005, I 513/04, Erw. 3.4, je mit Hinweisen). Sodann ist Dr. med. S.________
zwar ein anerkannter Spezialist im Bereich der Lyme-Borreliose-Erkrankung.
Seine Stellungnahmen vermögen die Zuverlässigkeit des Spitals
X.________-Gutachtens aber auch in medizinischer Hinsicht nicht in Frage zu
stellen. Hervorzuheben ist, dass der Experte nicht nur geprüft hat, ob das
vorliegende Beschwerdebild zu einer Borreliose-Erkrankung passe. Vielmehr hat
er eine eingehende Untersuchung des Versicherten vorgenommen und, gestützt
auch auf einen interdisziplinären Austausch mit einem Neurologen, unter
einlässlicher Darstellung der relevanten medizinischen Grundlagen und
Zusammenhänge in überzeugender Weise eine selbstständige, auf ein nicht durch
Neuroborreliose bedingtes neurodegeneratives Leiden lautende Diagnose
gestellt. Der Umstand, dass die Aetiologie der Erkrankung unklar ist, ändert
an der Begründetheit des Gutachtens nichts. Gleiches gilt für die vom
Beschwerdeführer erwähnten Ergebnisse einzelner medizinischer Studien. Die
Beurteilung des Experten wird im Übrigen bestätigt durch die Ärzte
neurologischer und internistischer Fachrichtung des Spital Y.________, welche
in ihren verschiedenen Berichten einen kausalen Zusammenhang zwischen einem
Zeckenbiss und der gesundheitlichen Störung verneint resp. höchstens für
möglich bezeichnet haben. Zwar wären einzelne Spitalärzte gemäss
Stellungnahmen vom 4. und 22. Mai 2000 allenfalls zu einer anderen
Kausalitätsbeurteilung gelangt, wenn sich der Gesundheitszustand nach der
zwischenzeitlich durchgeführten Versorgung mit einem bestimmten Medikament
eindeutig gebessert hätte. Eine solche Entwicklung fand indessen nicht statt.
Vielmehr hat sich der Gesundheitszustand des Versicherten eindeutig weiter
verschlechtert. Es kann im Übrigen auf die einlässliche Beweiswürdigung im
angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Darin wird richtigerweise auch ein
Bedarf für weitere medizinische Abklärungen verneint, da hievon kein
entscheidrelevanter neuer Aufschluss zu erwarten ist (antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 124 94 Erw. 4b; RKUV 2003 Nr. U 473 S. 50 Erw. 3.4, 2002
Nr. U 469 S. 527 Erw. 2c). Einsprache- und angefochtener Entscheid, worin die
Leistungspflicht des Unfallversicherers mangels eines überwiegend
wahrscheinlichen natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem geltend
gemachten Zeckenbiss und dem Gesundheitsschaden verneint wurde, sind somit
rechtens.

3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der obsiegenden Beschwerdegegnerin
wird keine Parteientschädigung zugesprochen, da sie als Unfallversichererin
eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne von Art. 159 Abs. 2 OG wahrnimmt
und die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zusprechung einer Entschädigung
nicht gegeben sind (BGE 128 V 133 Erw. 5b, 123 V 309 Erw. 10, je mit
Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell
Ausserrhoden und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 23. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: