Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 314/2004
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U 314/04

Urteil vom 8. Februar 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Ackermann

W.________, 1970, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Jean
Baptiste Huber, Untermüli 6, 6300 Zug,

gegen

Generali Allgemeine Versicherungen, Rue de la Fontaine 1, 1211 Genf 3,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 1. Juli 2004)

Sachverhalt:

A.
W. ________, geboren 1970, absolvierte in der Schule P.________ die
Ausbildung zur Kinderpflegerin und war bei der Schweizer Union Versicherungen
(heute Generali Allgemeine Versicherungen; im Folgenden: "Generali")
unfallversichert. Am 20. Februar 1994 wartete sie als Lenkerin ihres Autos
vor einer Ampel, als von hinten ein anderes Fahrzeug mit etwa 20 bis 30
Stundenkilometern in ihren Wagen fuhr und diesen in das vorne stehende Auto
schob. Das am gleichen Tag ambulant aufgesuchte Spital X.________
diagnostizierte ein Schleudertrauma, der nachbehandelnde Dr. med. S.________,
Spezialarzt FMH für Physikalische Medizin und Rehabilitation, mit Bericht vom
24. Februar 1994 ein posttraumatisches Cervicalsyndrom. Die "Generali"
erbrachte die gesetzlichen Leistungen; Dr. med. S.________ schloss die
Behandlung am 12. Juli 1994 ab, nachdem bis zum 1. Mai 1994 eine vollständige
und anschliessend bis zum 12. Juli 1994 eine Arbeitsunfähigkeit von 50 %
bestanden hatte. Im Herbst 1994 trat ein Rezidiv des posttraumatischen
Cervicalsyndroms auf.

Am 15. Juni 1999 meldete W.________ einen Rückfall zum Schleudertrauma von
1994, worauf die "Generali" Abklärungen vornahm (unter anderem Beizug
mehrerer Berichte des Dr. M.________, Chiropraktor SCG ECU). Mit Verfügung
vom 19. Juni 2003 verneinte die "Generali" mangels adäquaten
Kausalzusammenhangs ihre Leistungspflicht, woran sie mit Einspracheentscheid
vom 12. November 2003 festhielt.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 1. Juli 2004 ab.

C.
Unter Beilage des - zuhanden der Invalidenversicherung erstellten -
Gutachtens des Instituts Z.________, vom 18. Mai 2004 lässt W.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides seien ihr die
gesetzlichen Leistungen zuzusprechen.

Die "Generali" schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht
notwendigen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall mit
Schleudertrauma der Halswirbelsäule (HWS) ohne organisch nachweisbaren
Funktionsausfällen und den hernach andauernden Beschwerden mit Einschränkung
der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (BGE 117 V 359) zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

2.
Streitig ist der Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung und dabei
primär die Frage, ob die heute geklagten und im Juni 1999 als Rückfall
gemeldeten Leiden adäquat kausale Folgen des Unfalles von Februar 1994 sind.
Unbestritten ist dagegen das Bestehen eines natürlichen Kausalzusammenhangs.

2.1 Die Vorinstanz geht von einem mittleren Unfall im Bereich zu den leichten
Unfällen aus. Von den gemäss Praxis zu den Schleudertraumen nach BGE 117 V
359 in diesen Fällen notwendigen Kriterien hat sie nur deren zwei
(ungewöhnlich lange Dauer der ärztlichen Behandlung sowie Grad und Dauer der
Arbeitsunfähigkeit) als knapp erfüllt beurteilt und in der Folge die Adäquanz
verneint. Die Beschwerdeführerin ist demgegenüber zunächst der Auffassung,
dass ein gewöhnlicher mittlerer Unfall - d.h. nicht ein Unfall im
Grenzbereich zu den leichten Fällen - vorliege. Weiter erachtet sie genügend
Kriterien als erfüllt, um das Bestehen eines adäquaten Kausalzusammenhanges
bejahen zu können.

2.2 Am 20. Februar 1994 ist die Versicherte in ihrem stehenden Wagen von
hinten mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 km/h angefahren und auf der
nassen und leicht matschigen Strasse in das vor ihr stehende Auto geschoben
worden. Ausgehend von diesem Unfallgeschehen ist mit dem kantonalen Gericht
von einem mittleren Unfall im Grenzbereich zu den leichten Unfällen
auszugehen (Urteil D. vom 16. August 2001, U 21/01). Daran ändert der Hinweis
der Versicherten nichts, dass ihr Fahrzeug zwischen zwei anderen Autos
eingeklemmt worden ist, denn sie sah gemäss ihren eigenen Angaben im
Polizeirapport im Rückspiegel den Wagen des Unfallverursachers herannahen und
konnte sich demzufolge auf den Unfall vorbereiten. Der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde weiter erwähnte Totalschaden des Autos der
Versicherten ist in Bezug zum (im Unfallzeitpunkt niedrigen) Fahrzeugwert zu
sehen und sagt insofern nichts über die Schwere des Unfalles aus. Zudem ist
zu beachten, dass gemäss Polizeirapport die Fahrbahn zur Zeit des Unfalles
leicht matschig gewesen ist, weshalb das von hinten getroffene Auto der
Versicherten schon nach einem vergleichsweise leichten Aufprall nach vorne
gerutscht und in den vor ihr stehenden Wagen geschoben wurde.

2.3 Da die Beschwerdeführerin unbestrittenermassen ein Schleudertrauma der
HWS resp. eine äquivalente Verletzung erlitten hat und der Unfall von Februar
1994 als im mittleren Bereich liegend anzusehen ist, sind die in BGE 117 V
367 Erw. 6a und 383 Erw. 4b umschriebenen Kriterien anzuwenden. Dabei ist
nicht zwischen physischen und psychischen Komponenten zu unterscheiden (BGE
117 V 367 Erw. 6a in fine), zumal die Differenzierung angesichts des
komplexen und vielschichtigen Beschwerdebildes in heiklen Fällen gelegentlich
grosse Schwierigkeiten bereitet (BGE 117 V 364 Erw. 5d/aa mit Hinweisen).

- Zu Recht ist unbestritten, dass keine besonders dramatischen
Begleitumstände oder keine besondere Eindrücklichkeit des Unfalls vorliegt.

- Das Kriterium der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzung ist
nicht erfüllt. Würde der Auffassung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gefolgt und allein das Schleudertrauma als schwere Verletzung betrachtet,
wäre dieses Element bei Schleudertraumen der Halswirbelsäule immer gegeben.
Dies kann jedoch nicht angehen, da die Rechtsprechung die hier zu prüfenden
Kriterien gerade als Hilfsmittel für die Beurteilung solcher Fälle geschaffen
hat.

- Die Dauer der ärztlichen Behandlung ist nicht als ungewöhnlich lang zu
beurteilen, da eine Behandlungsbedürftigkeit während zwei bis drei Jahren
nach Schleudertraumen der HWS durchaus üblich ist (Urteil H. vom 30. Mai
2003, U 353/02). Der Hausarzt schloss die Behandlung per 12. Juli 1994 ab und
meldete im Oktober 1994 ein Rezidiv; im September und Oktober 1995 fanden
Behandlungen beim Chiropraktor Dr. M.________ statt. Anschliessend erfolgten
bis zur Rückfallmeldung 1999 sieben dokumentierte Massagen, während die im
Oktober 1996 durchgeführten Röntgenaufnahmen des Halses nicht mit dem
Schleudertrauma in Zusammenhang standen, sondern mit Halsschmerzen und dem
Verdacht auf einen Fremdkörper im Hals oder auf Luft in den Weichteilen.
- Betreffend Dauerbeschwerden ist darauf hinzuweisen, dass während
dreieinhalb Jahren ausser sieben Massagen keinerlei (dokumentierte)
Behandlung erfolgt ist und die Versicherte ihre Ausbildung als
Krankenschwester erfolgreich abschliessen konnte. Dies wäre kaum der Fall
gewesen, hätte die Versicherte - wie im Gutachten des Instituts Z.________
von Mai 2004 ausgeführt - an Dauerbeschwerden gelitten.

- Entgegen der Meinung der Versicherten liegt keine Fehlbehandlung durch die
ärztliche Anordnung des Tragens eines Halskragens vor. Denn einerseits trug
die Versicherte diesen Kragen nur während einer begrenzten Zeitdauer (gemäss
Verwaltungsgerichtsbeschwerde dreieinhalb Monate) und andererseits hat kein
einziger der behandelnden oder begutachtenden Ärzte darauf hingewiesen, dass
die geklagten Schmerzen in Zusammenhang mit dem Tragen des Kragens stünden.
Damit finden sich keinerlei Hinweise, dass sich eine allfällige
Fehlbehandlung durch die Anordnung des Halskragens überhaupt ausgewirkt
hätte.

- Ein schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen sind
ebenfalls zu verneinen. Wie die Dauer der ärztlichen Behandlung dient dieses
Kriterium ebenfalls dazu, den Entscheid über die Adäquanz zu fällen und kann
deshalb nicht eo ipso beim Vorliegen eines Schleudertraumas bejaht werden. Da
nach Abschluss der Behandlung beim Chiropraktor 1995 bis zur Rückfallmeldung
1999 während dreieinhalb Jahren keinerlei ärztliche Behandlung mehr erfolgt
ist, kann nicht von einem schwierigen Heilungsverlauf gesprochen werden. So
hat denn auch die Versicherte im Juni 1999 einen Rückfall gemeldet, d.h. das
Wiederaufflackern einer vermeintlich geheilten Krankheit geltend gemacht.

- Der behandelnde Arzt schätzte die Arbeitsunfähigkeit vom Unfallzeitpunkt
bis zum 1. Mai 1994 auf 100 % und anschliessend bis Mitte Juli 1994 auf 50 %,
während das Ende September 1994 aufgetretene Rezidiv keine Auswirkungen auf
die Arbeitsfähigkeit hatte und für die Dauer der Behandlung durch den
Chiropraktor Dr. M.________ im September/Oktober 1995 keine Angaben
vorliegen. Aber selbst wenn von einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit
während dieser Behandlung auszugehen wäre und berücksichtigt würde, dass die
Versicherte ihr Arbeitspensum unfall- und nicht ausbildungsbedingt auf 80 %
reduziert hätte, ist das Kriterium des Grades und der Dauer der
Arbeitsunfähigkeit höchstens knapp erfüllt.
Damit ist allenfalls eines der notwendigen Kriterien in geringem Ausmass
erfüllt, weshalb der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall von
Februar 1994 und den geklagten Beschwerden verneint werden muss (BGE 117 V
367 Erw. 6b).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 8. Februar 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: