Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 310/2004
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U 310/04

Urteil vom 21. April 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber
Hochuli

L.________, 1971, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Viktor
Estermann, Sempacherstrasse 6, 6003 Luzern,

gegen

Winterthur Versicherungen, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Marianne I. Sieger,
Kuttelgasse 8, 8001 Zürich

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 13. Juli 2004)

Sachverhalt:

A.
L. ________, geboren 1971, heiratete 1996 und ist Mutter zweier Söhne
(geboren am 31. August 1997 und 7. August 1998). Seit 1995 war sie für die
Firma A.________ als Zeitungsverträgerin tätig und in dieser Eigenschaft bei
der "Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend:
Winterthur) obligatorisch gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle versichert. Am
4. April 1998 sass sie angegurtet auf dem Beifahrersitz des von ihrem Ehemann
gelenkten Nissan Micra (auf dem Rücksitz befand sich das schlafende Baby in
einem Kindersitz fixiert), als ihr vor einer Lichtsignal-Ampel still
stehendes Auto im stockenden Kolonnenverkehr durch ein nachfolgendes Fahrzeug
gerammt wurde. Knapp zwei Wochen nach dem Unfall beauftragten die Eheleute
einen Anwalt mit der Wahrnehmung ihrer diesbezüglichen Interessen. Die
Winterthur anerkannt ihre Leistungspflicht, kam für die Heilbehandlung auf
und richtete vom 8. April 1998 bis 30. Juni 2001 Taggelder auf der Grundlage
einer vollen Arbeitsunfähigkeit aus. Während der Ehemann in der Folge des
Unfalles über Rückenschmerzen klagte, galt die erste Sorge der Versicherten
der Gesundheit ihres Sohnes und derjenigen ihres 21 Wochen alten Ungeborenen.
Untersuchungen des Babys und des Ungeborenen am Unfalltag im Kantonsspital
Luzern zeigten keine Gesundheitsschäden. Am ersten Tag nach dem Unfall fühlte
sich die Versicherte sehr müde und verspürte Kopfschmerzen. Am 6. April 1998
erlitt sie beim Bücken und Aufheben ihres Sohnes einen plötzlichen heftigen
Schmerz im lumbosakralen Bereich mit Ausstrahlung ins linke Bein. Am dritten
Tag nach dem Unfall beklagte sie sich über Kopfschmerzen, Übelkeit und
Nackenschmerzen, weshalb sie sich am 8. April 1998 notfallmässig zu Frau Dr.
med. B.________, Spezialärztin FMH für Kinder und Jugendliche, begab. Diese
diagnostizierte eine Distorsion und Kontusion der Halswirbelsäule (HWS),
stellte einen depressiven Zustand sowie an der Lendenwirbelsäule (LWS) eine
Ischialgie fest und verordnete nebst Panadol und Physiotherapie das Tragen
eines Schanz'schen Kragens.

Nach umfangreichen medizinischen Abklärungen, verschiedenen spezialärztlichen
Untersuchungen, eingehender chiropraktischer und neuropsychologischer
Behandlung sowie einem stationären Aufenthalt in der Reha-Klinik H.________
(nachfolgend: Reha-Klinik) vom 29. November bis 20. Dezember 1998 und einer
polydisziplinären stationären Begutachtung in der Klinik V.________ vom 30.
April bis 4. Mai 2001 (das entsprechende Gutachten datiert vom 12. Juni 2001;
nachfolgend: polydisziplinäres Gutachten) stellte die Winterthur sämtliche
Leistungen für die Folgen des Unfalles vom 4. April 1998 zum 30. Juni 2001
ein (Verfügung vom 5. September 2001) und hielt daran mit Einspracheentscheid
vom 14. Oktober 2002 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern mit Entscheid vom 13. Juli 2004 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt L.________ beantragen, die Sache sei
unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz, eventuell an die Winterthur zurückzuweisen und ihr seien die
gesetzlich zustehenden Leistungen zuzusprechen sowie die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren.

Während die Winterthur auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die
Leistungspflicht des Unfallversicherers gemäss UVG zunächst erforderlichen
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem
eingetretenen Schaden (BGE 129 V 181 Erw. 3.1, 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289
Erw. 1b, je mit Hinweisen), die gleichermassen in Fällen mit
Schleuderverletzungen der HWS gilt (BGE 119 V 340 Erw. 2b/aa), zutreffend
wiedergegeben. Richtig sind sodann die Darlegungen zu der für die
Leistungspflicht der Unfallversicherung weiter vorausgesetzten Adäquanz des
Kausalzusammenhangs (BGE 129 V 181 Erw. 3.2, 125 V 461 f. Erw. 5a, 123 V 103
Erw. 3d, 139 Erw. 3c, 122 V 416 Erw. 2a, 121 V 49 Erw. 3a; RKUV 1997 Nr. U
272 S. 172 Erw. 3a) namentlich bei psychischen Folgen von Unfällen im
mittleren Bereich zwischen den leichten und den schweren Unfällen (BGE 115 V
140 Erw. 6c/aa). Korrekt sind im Weiteren die Hinweise zur praxisgemässen
Einstellung der Versicherungsleistungen mit Erreichen desjenigen Zustandes,
wie er sich auch ohne den Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status
quo sine; RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b, 1992 Nr. U 142 S. 75 Erw. 4b,
mit Hinweisen). Gleiches gilt in Bezug auf die Ausführungen zu dem im
Sozialversicherungsrecht bei der Beantwortung von Tatfragen üblichen
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 191 Erw. 3.1 mit
Hinweisen) und zum Beweiswert sowie zur Beweiswürdigung medizinischer
Berichte und Gutachten (BGE 122 V 160 Erw. 1c mit Hinweisen; vgl. auch BGE
125 V 352 ff. Erw. 3 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

1.2 Zu ergänzen ist, dass am 1. Januar 2003 das Bundesgesetz über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in
Kraft trat, mit welchem auch zahlreiche Bestimmungen im
Unfallversicherungsbereich geändert wurden. In zeitlicher Hinsicht kommen
jedoch grundsätzlich diejenigen Rechtssätze zur Anwendung, die bei der
Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 129 V
4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen); der massgebende
Sachverhalt hat sich vor Inkrafttreten des ATSG (1. Januar 2003)
verwirklicht, da sowohl der Unfall (4. April 1998) wie auch der von der
Winterthur vorgenommene und von der Beschwerdeführerin bestrittene
Fallabschluss (30. Juni 2001) vor diesem Datum erfolgten.

2.
Soweit die Versicherte rügt, die Winterthur habe bei Einholung der
Stellungnahme ihres hauseigenen beratenden Arztes Dr. med. C.________ vom 26.
Juni 2002 und bei Verwendung dieses Arztberichts im Rahmen des
Einspracheentscheides ihren Anspruch auf rechtliches Gehör unheilbar
verletzt, kann der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden. Die Vorinstanz
erkannte im angefochtenen Entscheid (S. 18) mit zutreffender Begründung
richtig, dass eine nicht besonders schwer wiegende Verletzung des rechtlichen
Gehörs als geheilt gelten kann, wenn die betroffene Person die Möglichkeit
erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den
Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann (BGE 127 V 437 Erw. 3d/aa
mit Hinweisen). Dies trifft im vorliegenden Fall mit Blick auf den zwischen
dem Verfügungserlass und dem Erlass des Einspracheentscheids eingeholten
Bericht des Dr. med. C.________ vom 26. Juni 2002 zu, welchen die Winterthur
der Beschwerdeführerin im Übrigen zusammen mit dem Einspracheentscheid in
Kopie zugestellt hat. Dem ist nichts beizufügen.

3.
Zur Bedeutung der Adäquanz des Kausalzusammenhanges in verschiedenen
Fallkonstellationen ist BGE 127 V 103 Erw. 5b/bb zu entnehmen:
Innerhalb des Sozialversicherungsrechts spielt die Adäquanz als rechtliche
Eingrenzung der sich aus dem natürlichen Kausalzusammenhang ergebenden
Haftung des Unfallversicherers im Bereich klar ausgewiesener organischer
Unfallfolgen praktisch keine Rolle (BGE 123 V 102 Erw. 3b, 118 V 291 f. Erw.
3a, 117 V 365 Erw. 5d/bb mit Hinweisen). Bei der Beurteilung der Adäquanz von
organisch nicht (hinreichend) nachweisbaren Unfallfolgeschäden ist wie folgt
zu differenzieren: Es ist zunächst abzuklären, ob die versicherte Person beim
Unfall ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule, eine dem Schleudertrauma
äquivalente Verletzung (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2) oder ein
Schädel-Hirntrauma erlitten hat. Ist dies nicht der Fall, gelangt die
Rechtsprechung gemäss BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa zur Anwendung. Ergeben die
Abklärungen indessen, dass die versicherte Person eine der soeben erwähnten
Verletzungen erlitten hat, muss beurteilt werden, ob die zum typischen
Beschwerdebild einer solchen Verletzung gehörenden Beeinträchtigungen (vgl.
dazu: BGE 119 V 337 Erw. 1, 117 V 360 Erw. 4b) zwar teilweise vorliegen, im
Vergleich zur psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten.
Trifft dies zu, sind für die Adäquanzbeurteilung ebenfalls die in BGE 115 V
140 Erw. 6c/aa für Unfälle mit psychischen Folgeschäden aufgestellten
Grundsätze massgebend; andernfalls erfolgt die Beurteilung der Adäquanz
gemäss den in BGE 117 V 366 Erw. 6a und 382 Erw. 4b festgelegten Kriterien
(BGE 123 V 99 Erw. 2a).

4.
Unbestritten ist, dass die Versicherte anlässlich des Unfalles vom 4. April
1998 ein Schleudertrauma der HWS erlitt.

Strittig ist jedoch der mit angefochtenem Entscheid bestätigte, von der
Winterthur nach dem Unfall vom 4. April 1998 mit Wirkung auf 30. Juni 2001
verfügte Fallabschluss. Während Verwaltung und Vorinstanz gestützt auf das
polydisziplinäre Gutachten davon ausgingen, die über den 30. Juni 2001 hinaus
anhaltend geklagten gesundheitlichen Einschränkungen stünden, soweit
überhaupt objektivierbare körperliche Befunde feststellbar seien, nicht mehr
in einem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfall und seien, soweit sie
im Wesentlichen aus einem seit 1999 im Vordergrund stehenden psychogenen
Beschwerdebild bestünden, nach BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa nicht adäquat kausale
Folgen des am 4. April 1998 erlittenen Schleudertraumas, macht die
Beschwerdeführerin geltend, die Adäquanz sei nach BGE 117 V 366 Erw. 6a zu
beurteilen und zu bejahen. Zudem könne wegen fehlender Schlüssigkeit und
Nachvollziehbarkeit nicht auf das polydisziplinäre Gutachten abgestellt
werden.

5.
5.1 Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid mit einlässlicher
Begründung überzeugend dargelegt, weshalb dem umfassenden polydisziplinären
Gutachten volle Beweiskraft zukommt. Zum Zwecke dieser Begutachtung weilte
die Versicherte vom 30. April bis 4. Mai 2001 in der Klinik V.________. Dabei
wurde sie
am 30. April 2001 neurologisch durch Dr. med. H.________,
am 2. Mai 2001 internistisch und rheumatologisch durch Dr. med. M.________
und am 3. sowie 4. Mai 2001 während drei Stunden durch Dr. med. R.________
psychiatrisch und psychosomatisch
eingehend untersucht. Zusätzlich erfolgte am 30. April und am 1. Mai 2001
eine Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL). Die verschiedenen
Teilgutachten der ausserordentlich ausführlichen multidisziplinären Abklärung
umfassen zusammen mit dem polydisziplinären (Haupt-) Gutachten insgesamt 95
Seiten.

5.2 Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, das polydisziplinäre Gutachten
sei weder schlüssig noch nachvollziehbar, sondern widersprüchlich und nicht
überzeugend, kann ihr nicht gefolgt werden. Insbesondere trifft nicht zu,
dass sich Dr. med. R.________ nicht mit den abweichenden Berichten der Dres.
med. U.________ und L.________ auseinander gesetzt habe. In der
abschliessenden interdisziplinären Diskussion der Ergebnisse der einzelnen
fachärztlichen Untersuchungen nahmen die Gutachter in der Beurteilung (S. 29
ff.) gemäss polydisziplinärem Gutachten nicht nur auf die psychiatrischen
Untersuchungsergebnisse des Dr. med. U.________, sondern auch auf die
Feststellungen des Dr. med. L.________ Bezug. Wie die Vorinstanz zutreffend
erkannte, brauchte sich das polydisziplinäre Gutachten nicht minutiös mit
jeder abweichenden medizinischen Meinungsäusserung im Einzelnen ausführlich
auseinanderzusetzen, sondern durfte sich im Rahmen der ausserordentlich
umfassenden Untersuchung der Versicherten bei der eingehenden
multidisziplinären Diskussion der Befunde im Wesentlichen mit der
Kenntnisnahme der vorhandenen Akten und der Berücksichtigung der darin
enthaltenen Informationen begnügen (vgl. Urteil H. vom 20. September 2002,
6P.91/2002, Erw. 2.1.2 mit Hinweisen). Soweit die Beschwerdeführerin geltend
macht, die in den medizinischen Vorakten vorhandenen Arztberichte der Dres.
med. Saner, U.________, S.________ und P.________ sowie des Dr. med.
L.________ hätten zwingend von den Gutachtern diskutiert werden müssen, nicht
aber vom Gericht, widerspricht ihre Auffassung dem Grundsatz der freien
Beweiswürdigung, wonach das Sozialversicherungsgericht alle Beweismittel,
unabhängig davon, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu
entscheiden hat, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung
des streitigen Rechtsanspruches gestatten (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Im
Weiteren legte das kantonale Gericht überzeugend dar, weshalb auf die
psychiatrisch-psychosomatische Beurteilung gemäss Teilgutachten des Dr. med.
R.________ abzustellen ist, obwohl er im Zusammenhang mit der unter anderem
gestellten Diagnose Z73.1 (nach ICD-10) ungenau nicht auf "akzentuierte
Persönlichkeitszüge", sondern auf ein "abnormes Krankheitsverhalten bei
schizoidem Persönlichkeitsstil" der Versicherten hinwies. Demnach ist diese
Charakter-Diagnostik so zu verstehen, dass bei der Beschwerdeführerin
prädisponierende Charaktereigenschaften, denen als solcher kein
Krankheitswert zukommt, prätraumatisch vorhanden waren und schliesslich unter
den konkreten familiären Umständen nach dem Unfall zu einer anhaltenden
Dekompensation wesentlich beitrugen. Der sorgfältigen und detaillierten
Beweiswürdigung der vorhandenen medizinischen Akten im angefochtenen
Entscheid ist nichts beizufügen. Was die Versicherte sonst gegen die
Zuverlässigkeit des polydisziplinären Gutachtens vorbringt, ist unbegründet.

6.
6.1 Unter Einbezug sämtlicher medizinischer Unterlagen bestätigte das
polydisziplinäre Gutachten, dass die zum typischen Beschwerdebild des
erlittenen Schleudertraumas der HWS gehörenden Beeinträchtigungen (vgl. dazu:
BGE 119 V 337 Erw. 1, 117 V 360 Erw. 4b) zwar teilweise vorhanden sind, aber
im Vergleich zur psychischen Problematik ganz in den Hintergrund treten. Der
Beurteilung des polydisziplinären Gutachtens ist unter anderem Folgendes zu
entnehmen:
"Die aktuell von Frau L.________ geklagte Beschwerdesymptomatik und auch die
klinischen Untersuchungsbefunde erscheinen sehr überzeichnet, zum Teil sogar
'demonstrativ'. Insbesondere die Tatsache, dass sich die Patientin im
Rollstuhl zu einigen Untersuchungen in unserem Haus bringen liess, steht in
deutlichem Kontrast zu der in der Evaluation der funktionellen
Leistungsfähigkeit festgestellten körperlichen Leistungsfähigkeit und
Belastbarkeit. In diesem insgesamt neunstündigen Testverfahren (verteilt auf
zwei Halbtage) liessen sich ausser bei den Tests Gehen, Treppen- und
Leiternsteigen keine wesentlichen körperlichen Einschränkungen feststellen.
Es war der Patientin möglich, diese beiden Halbtage auch ohne Sonnenbrille zu
absolvieren, währenddem sie bei den Untersuchungen bei den Ärzten konsequent
mit dem Hinweise auf ihre Lichtscheu eine Sonnenbrille trug, obwohl in den
Untersuchungsräumen eher ein gedämpftes Licht herrschte."
Dr. med. R.________ führte hiezu im psychiatrischen und psychosomatischen
Teilgutachten vom 25. Mai 2001 weiter aus:
"Sie [die Versicherte] wartet schon einige Zeit vor dem vereinbarten
Konsultationszeitpunkt im Warteraum. [...] Sie trägt eine Sonnenbrille; im
Warteraum mit dem Fenster nach Osten gibt es keine Sonneneinstrahlung, die
Lichtintensität ist dort allenfalls durchschnittlich. Es ist im Vorbeigehen
nicht ersichtlich, ob Frau L.________ schläft. Bei der Begrüssung erhebt sie
sich sofort und folgt mir mit steifen Bewegungen, das linke Bein im Knie kaum
flektierend, zügig in mein Büro. Ich schlage ihr vor, meinen (ohnehin nicht
hellen Raum) noch etwas mehr abzudunkeln, damit sie die Sonnenbrille abnehmen
könne. Sie lehnt ab und sagt, sie sei durch die Lichtverhältnisse geblendet.
Sie kommt allerdings meiner Bitte nach, wenigstens für einen kurzen Moment
die Brille abzusetzen, damit ich sehen könne, wer sie sei. [...] Bei der
weiteren Unterredung verzichtet sie auf die Sonnenbrille nicht, so dass sich
ihre Mimik nur über die Mundbewegungen offenbart."
Die psychisch bedingten Gesundheitsstörungen einer Entwicklung körperlicher
Symptome (F/a/36-S.21) aus psychischen Gründen (F68.0 nach ICD-10) und einer
akzentuierten Persönlichkeit (Z73.1 nach ICD-10) standen nicht erst im
Zeitpunkt der polydisziplinären Begutachtung im Vordergrund, sondern hatten
bereits acht Monate nach dem Unfall massgebenden Einfluss auf den
Heilverlauf. Die in der Reha-Klinik während dem stationären Aufenthalt der
Beschwerdeführerin vom 29. November bis 20. Dezember 1998 diagnostizierte
"schwere psychosoziale Problematik" steht in Verbindung mit folgenden
Feststellungen:
"[...] Zu Beginn des Aufenthaltes machte die Patientin nur langsam
Fortschritte, zusätzlich erschwerend war sicherlich auch, dass ihr Ehemann
und die Kinder zu Beginn ebenfalls in der Klinik H.________ weilten. Schon
nach einigen Tagen konnte die Patientin den Stock zur Seite legen, und
nachdem ihre Familie nach Hause zurückgekehrt war, machte sie deutlich und
rasch Fortschritte. [...] Gegen Ende des Aufenthaltes waren die Schmerzen im
Schulter-Nacken-Bereich deutlich regredient [...]. Wir empfehlen, die
Physiotherapie ambulant weiterzuführen, zusätzlich ist die Patientin bereit,
weiterhin mit einem Psychologen an ihren komplexen Problemen zu arbeiten. Am
20. Dezember 1998 kann die Patientin in gutem Allgemeinzustand und
schmerzfrei wieder nach Hause entlassen werden."
Weniger als drei Viertel Jahre nach dem Unfall waren somit kaum mehr
organisch nachweisbare Beeinträchtigungen der Gesundheit vorhanden. Die
behandelnden Ärzte der Reha-Klinik empfahlen eine möglichst baldige
Arbeitsaufnahme anfangs Januar 1999. Die geklagten Beschwerden der
Versicherten waren aus somatischer Sicht auch bei ihrem Aufenthalt in der
Klinik V.________ gemäss polydisziplinärem Gutachten (S. 36) nur unzureichend
erklärbar. Demnach standen die deutliche Fehlhaltung der gesamten Wirbelsäule
ebenso wie die Verspannungen der Nackenmuskulatur im Zusammenhang mit dem
erheblichen muskulären Ungleichgewicht bei einer allgemein verminderten
Belastbarkeit infolge der Dekonditionierung.

6.2 Nach eingehender Würdigung der umfassenden medizinischen Unterlagen
gelangte das kantonale Gericht zutreffend zur Überzeugung, nach rund
dreijährigem Verlauf beherrschten praktisch ausschliesslich psychische bzw.
psychogene Beschwerden das Störungsbild. Angesichts der bereits acht Monate
nach dem Unfall diagnostizierten schweren psychosozialen Problematik ist nach
dem Gesagten nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die
Adäquanzbeurteilung der anhaltend geklagten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen nach der Praxis gemäss BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa vornahm.

7.
7.1 Was die Beschwerdeführerin gegen die Anwendung der massgeblichen Kriterien
gemäss BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa auf den vorliegenden Fall und deren
Gesamtwürdigung durch das kantonale Gericht vorbringt, ist unbegründet. Der
Unfall ist klarerweise dem mittleren Bereich zuzuordnen, ohne dass ein
Grenzfall zu den schweren Unfällen anzunehmen wäre. Keines der
unfallbezogenen Kriterien ist in besonders ausgeprägter Weise erfüllt. Auch
sind die nach der Rechtsprechung entscheidenden Kriterien weder in gehäufter
noch in auffallender Weise gegeben. Im Gegensatz zur vorinstanzlichen
Einschätzung kann nicht einmal das Kriterium der Dauer und des Grades der
physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit als erfüllt betrachtet werden, weist
doch die Versicherte in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (S. 16) gestützt
auf den Bericht der Dr. med. B.________ vom 8. Mai 1998 zu Recht selber
darauf hin, dass bei ihr bereits vier Wochen nach dem Unfall ein depressiver
Zustand festgestellt worden sei. Dem Unfallereignis vom 4. April 1998 kommt
somit für die Entstehung der spätestens ab Dezember 1998 vorwiegend psychisch
bedingten Arbeitsunfähigkeit keine rechtlich massgebende Bedeutung zu.

7.2 Soweit sich die Beschwerdeführerin auf das Urteil S. vom 13. Mai 2004, U
346/03 (AJP 2005 S. 338), beruft, wonach angeblich bei einer
Arbeitsunfähigkeit von mindestens 50% während 22 Monaten die
Adäquanzkriterien der Dauerbeschwerden und der hinsichtlich Grad/ Dauer
erheblichen Arbeitsunfähigkeit als besonders ausgeprägt erfüllt gelten würden
und die Adäquanz der geklagten Beschwerden im vorliegenden Fall somit zu
bejahen sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Der dem zuletzt genannten Urteil
zu Grunde liegende Sachverhalt ist schon deshalb nicht mit dem hier zu
beurteilenden Fall zu vergleichen, weil dort die Adäquanz des
Kausalzusammenhanges nach BGE 117 V 366 Erw. 6a zu prüfen war. Zum einen
waren chronische Cervicocephalgien, Cervicobrachialgien und Lumbalgien
diagnostiziert worden und zum anderen waren die geklagten Beschwerden nicht
einer psychischen Störung zuzuordnen, sondern im Rahmen eines chronischen
Schmerzsyndroms zu interpretieren, weshalb im besagten Urteil S. die zum
typischen Beschwerdebild einer HWS-Distorsion gehörenden Beeinträchtigungen
im Vergleich zur psychischen Problematik  - anders als im hier zu
beurteilenden Fall - nicht ganz in den Hintergrund traten. Was die
Beschwerdeführerin im Übrigen gegen die Verneinung der Adäquanz vorbringt,
ist nicht stichhaltig.

7.3 Nach dem Gesagten haben Verwaltung und Vorinstanz die Adäquanz des
Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und den über den 30. Juni 2001 hinaus
anhaltend geklagten Beschwerden zu Recht verneint, weshalb die von der
Winterthur verfügte und vorinstanzlich bestätigte Leistungseinstellung nicht
zu beanstanden ist.

8.
Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine
Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne
der Befreiung von den Gerichtskosten ist daher gegenstandslos. Die
unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in
Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die
Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten
war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Viktor
Estermann, Luzern, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
(BAG) zugestellt.

Luzern, 21. April 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: