Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 289/2004
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U 289/04

Urteil vom 23. Dezember 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und nebenamtlicher Richter
Maeschi; Gerichtsschreiber Hochuli

Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft, Direktion, Laupenstrasse 27, 3001
Bern, Beschwerdeführerin,

gegen

K.________, 1974, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno
Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 14. Juli 2004)

Sachverhalt:

A.
K. ________, geboren 1974, arbeitete ab 1. August 2000 als Zeichen- und
Werklehrer mit reduziertem Pensum an einer Sekundarschule. Daneben war er als
freischaffender Fotograf und Künstler tätig. Am 19. August 2001 erlitt er
einen Auffahrunfall, als er wegen eines vortrittsberechtigten
Verkehrsteilnehmers anhalten musste und ein nachfolgendes Fahrzeug in seinen
Personenwagen stiess. Wegen Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich suchte
er am 21. August 2001 Dr. med. T.________, Allgemeine Medizin, auf, welcher
ein Deflexionstrauma der Halswirbelsäule (HWS) diagnostizierte, das Tragen
eines Halskragens verordnete, eine medikamentöse Therapie vornahm und eine
physiotherapeutische Behandlung anordnete. Am 24. Juni 2002 teilte der Arzt
der Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Allianz Suisse),
bei welcher K.________ obligatorisch gegen die Folgen von Betriebs- und
Nichtbetriebsunfällen versichert war, mit, dass die Behandlung abgeschlossen
sei und volle Arbeitsfähigkeit bestehe. Als der Versicherte weiterhin über
Beschwerden klagte, überwies er ihn an Frau Dr. med. W.________, Fachärztin
für Rheumatologie FMH, welche ein chronisches zervikospondylogenes und
zervikozephales Syndrom bei Status nach HWS-Distorsion mit dringendem
Verdacht auf eine posttraumatische Instabilität C4/C5 feststellte (Bericht
vom 2. September 2002). Dr. med. T.________ bestätigte in der Folge, dass der
Versicherte höchstens zu 50 % arbeitsfähig sei und eine über das gegenwärtige
Pensum von 60 % hinausgehende Tätigkeit als Zeichen- und Werklehrer nicht
möglich sei. Mit Verfügung vom 31. Juli 2003 stellte die Allianz Suisse die
Leistungen auf den 30. April 2003 mit der Feststellung ein, dass offen
bleiben könne, ob die geltend gemachten Beschwerden noch auf den Unfall vom
19. August 2001 zurückzuführen seien, weil jedenfalls die Adäquanz des
Kausalzusammenhangs zu verneinen sei. Auf die dagegen erhobene Einsprache
anerkannte die Allianz Suisse den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen den
weiter bestehenden HWS-Beschwerden und dem Unfallereignis, hielt jedoch daran
fest, dass es an der erforderlichen Adäquanz des Kausalzusammenhangs fehle
(Einspracheentscheid vom 24. September 2003).

B.
In Gutheissung der von K.________ eingereichten Beschwerde gelangte das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zum Schluss, dass der natürliche
Kausalzusammenhang unbestritten sei, weshalb sich die eventualiter beantragte
interdisziplinäre Begutachtung erübrige, und die Adäquanz angesichts der
nachgewiesenen organischen Befunde ohne weitere Prüfung zu bejahen sei.
Dementsprechend wies das Gericht die Sache an die Allianz Suisse zurück,
damit sie über die gesetzlichen Leistungsansprüche verfüge (Entscheid vom 14.
Juli 2004).

C.
Die Allianz Suisse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei der
Einspracheentscheid vom 24. September 2003 zu bestätigen.

K. ________ lässt sich mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde vernehmen;
ferner wird um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ersucht. Das
Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf Vernehmlassung.

D.
Im Instruktionsverfahren hat das Eidgenössische Versicherungsgericht die
ergänzten IV-Akten, einschliesslich eines von der IV-Stelle Luzern
angeordneten Gutachtens der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 24.
März 2005 (nachfolgend: Gutachten) beigezogen. Die Parteien haben hiezu
Stellung genommen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Im angefochtenen Entscheid werden die für die Leistungspflicht des
Unfallversicherers geltenden Voraussetzungen des natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden (BGE 129 V
181 Erw. 3 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

1.2 Zu ergänzen ist, dass auf den 1. Januar 2003 das Bundesgesetz über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in
Kraft getreten ist. Dieses hat am unfallversicherungsrechtlichen Begriff des
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs sowie an dessen Bedeutung als
Voraussetzung für die Leistungspflicht nach UVG indessen nichts geändert
(Urteile B. vom 10. August 2005, U 418/04, und C. vom 5. November 2004, U
106/04; vgl. auch Ueli Kieser, Kommentar ATSG, Vorbemerkungen N 36 f.).

2.
2.1 Streitig ist, ob die Allianz Suisse die Unfallkausalität der geltend
gemachten Beschwerden für die Zeit ab 1. Mai 2003 zu Recht verneint hat. Weil
es sich dabei um eine leistungsaufhebende Tatsache handelt, liegt die
Beweislast - anders als bei der Frage, ob ein leistungsbegründender
natürlicher Kausalzusammenhang gegeben ist - nicht bei der versicherten
Person, sondern beim Unfallversicherer (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 2,
1994 Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b). Der Unfallversicherer hat jedoch nicht den
Beweis für unfallfremde Ursachen zu erbringen, sondern nur, dass die
unfallbedingten Ursachen des Gesundheitsschadens ihre kausale Bedeutung
verloren haben (Urteile H. vom 21. April 2005, U 152/03, P. vom 15. Oktober
2003, U 154/03, F. vom 10. September 2003, U 343/02, und E. vom 12. Dezember
2002, U 247/02).

2.2 Im Einspracheentscheid vom 24. September 2003 hat die Beschwerdeführerin
den Leistungsanspruch für die Zeit ab 1. Mai 2003 mit der Begründung
verneint, dass die weiter bestehenden HWS-Beschwerden und deren Folgen zwar
in einem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 19. August 2001
stehen, jedoch die Adäquanz des Kausalzusammenhangs aufgrund der für
Schleudertraumen oder schleudertraumaähnliche Verletzungen der HWS geltenden
Regeln zu verneinen ist. Die Vorinstanz bezeichnete den natürlichen
Kausalzusammenhang als unbestritten und bejahte die Adäquanz des
Kausalzusammenhangs mit der Begründung, dass ein nachweisbarer organischer
Befund in Form einer Instabilität C4/C5 vorliege, weshalb der adäquate
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den dadurch verursachten
Beschwerden ohne weitere Prüfung zu bejahen sei. In der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde bestreitet die Beschwerdeführerin das Vorliegen
objektivierbarer organischer Befunde und erachtet die für die
Adäquanzbeurteilung bei Schleudertraumen und schleudertraumaähnlichen
Verletzungen der HWS massgebenden Kriterien als nicht erfüllt. In der
Stellungnahme zum Gutachten stellt sie sich auf den Standpunkt, auch der
natürliche Kausalzusammenhang zwischen den weiter bestehenden Beschwerden und
dem Unfall vom 19. August 2001 sei zu verneinen. Obwohl diese Frage nicht
Gegenstand einer materiellen Prüfung im kantonalen Verfahren bildete und der
natürliche Kausalzusammenhang auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
bestritten wurde, ist darauf einzutreten, weil sie zum Anfechtungsgegenstand
gehört, der Einspracheentscheid in diesem Punkt nicht in Teilrechtskraft
erwachsen ist (BGE 125 V 416 Erw. 2b und c mit Hinweisen) und das
Eidgenössische Versicherungsgericht das Recht von Amtes wegen anzuwenden hat
(Art. 114 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 132 OG; BGE 122 V 36 Erw. 2b mit
Hinweisen) sowie über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder
Ungunsten hinausgehen kann (Art. 132 lit. c OG).

3.
Streitig und zu prüfen ist zunächst, ob im Zeitpunkt der Leistungseinstellung
noch organische Unfallfolgen vorhanden waren.

3.1 Die Vorinstanz hat die Frage nach dem Vorliegen organischer Unfallfolgen
mit der Begründung bejaht, der Versicherte leide nach ärztlicher Feststellung
an einer Instabilität C4/C5. Eine solche kann zwar einen organisch
nachweisbaren Funktionsausfall darstellen mit der Folge, dass der natürliche
Kausalzusammenhang mit dem Unfall zu bejahen ist und sich eine spezifische
Adäquanzprüfung erübrigt (BGE 117 V 365 mit Hinweisen). Erforderlich ist
jedoch, dass der organische Befund eindeutig nachgewiesen ist und nach
medizinischer Auffassung zumindest Teilursache der bestehenden Beschwerden
bildet. Diesbezüglich geht aus den Akten hervor, dass laut Bericht der
Rheumatologin Dr. med. W.________ vom 2. September 2002 der Unfall
wahrscheinlich zu einer schweren Traumatisierung des Segmentes C4/C5 geführt
hat. In den Röntgenbildern sei dieses rotiert und kyphosiert und es lasse
sich in den Funktionsaufnahmen eine Instabilität objektivieren; auch die
Klinik entspreche dem radiologischen Befund. Das von der Rheumatologin
erstellte und dem Bericht beigelegte HWS-Funktionsdiagramm deute auf eine
vermehrte Beweglichkeit auf Höhe C4/C5. Dennoch wird lediglich die Diagnose
eines dringenden Verdachtes auf eine posttraumatische Instabilität erhoben,
was darauf schliessen lässt, dass die Befunde nicht eindeutig und wohl auch
nicht gravierend waren. Die Verdachtsdiagnose wurde in der Folge weder von
Frau Dr. med. W.________ noch vom behandelnden Arzt Dr. med. T.________
verifiziert, welcher in den Berichten vom 24. Februar, 16. Mai und 20.
November 2003 weiterhin von einer Verdachtsdiagnose spricht. Darin finden
sich zudem keine Angaben zu einer vermehrten Beweglichkeit C4/C5; vielmehr
ist von Bewegungseinschränkungen der HWS in alle Richtungen die Rede (Bericht
vom 24. Februar 2003). Des Weiteren fällt auf, dass Frau Dr. med. W.________
am 2. September 2002 eine konsequente Stabilisation der paravertebralen
Muskulatur, begleitet von einer leichten Mobilisation der Kopfgelenke,
vorgeschlagen hatte. Aus den Akten ergeben sich indessen keine Anhaltspunkte
dafür, dass eine stabilisierende Therapie durchgeführt worden wäre.
Stattdessen ordnete Dr. med. T.________ wiederholt eine - auf
Schmerzlinderung und Muskelentspannung gerichtete - Akupunktur-Behandlung an.
Schliesslich konnten anlässlich der von der IV-Stelle in Auftrag gegebenen
MEDAS-Begutachtung keine wesentlichen organischen Befunde erhoben werden. Bei
der konsiliarischen Untersuchung durch Dr. med. D.________, Facharzt für
Orthopädische Chirurgie, vom 9. November 2004, welche auch eine
Funktionsprüfung der HWS umfasste, liessen sich die geltend gemachten
Beschwerden nicht mit Befunden am Bewegungsapparat erklären und es ergaben
sich weder klinisch noch röntgenologisch Anhaltspunkte für sichere oder auch
nur mögliche Unfallfolgen. Auch wenn zur Frage nach dem Vorliegen einer
Instabilität C4/C5 nicht ausdrücklich Stellung genommen wird, ist davon
auszugehen, dass die von Frau Dr. med. W.________ geäusserte
Verdachtsdiagnose nicht bestätigt werden konnte oder einer allfälligen
Instabilität jedenfalls keine wesentliche Bedeutung zukommt. Im Übrigen
stützt das Gutachten die schon vom Vertrauensarzt der Beschwerdeführerin Dr.
med. R.________ in der Stellungnahme vom 16. August 2004 vertretene
Auffassung, wonach sich keine organischen Läsionen im Bereich der HWS
nachweisen lassen und höchstens eine unspezifische Funktionsstörung vorliegt,
für welche kein organisches Substrat vorhanden ist. Der Annahme der
Vorinstanz, im Zeitpunkt der Leistungseinstellung und bis zu dem für die
richterliche Überprüfung massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des
Einspracheentscheids (BGE 130 V 446 Erw. 1.2 mit Hinweisen) hätten mit der
erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit noch organische Unfallfolgen
bestanden, kann aufgrund der medizinischen Akten somit nicht gefolgt werden.

3.2 Der Beschwerdegegner macht geltend, auf das Gutachten könne nicht
abgestellt werden, weil es von einem Orthopäden und nicht von einem
Neurologen verfasst sei und inhaltliche Mängel aufweise, insbesondere indem
es widersprüchliche Angaben zur Arbeitsfähigkeit enthalte und sich nicht zur
Frage der Unfallkausalität äussere. Zum Einwand, das Gutachten sei nicht von
der fachlich zuständigen Person erstellt worden, ist festzuhalten, dass die
IV-Stelle eine Begutachtung durch den Neurologen Prof. Dr. med. M.________
vorgesehen hatte, was vom Rechtsvertreter des Versicherten mit der Begründung
abgelehnt wurde, es sei eine interdisziplinäre Abklärung beispielsweise in
einer MEDAS durchzuführen. Die IV-Stelle hat diesem Begehren entsprochen und
die MEDAS mit einer polydisziplinären Untersuchung und Beurteilung
beauftragt. Das erstattete Gutachten beruht auf umfassenden Abklärungen,
einschliesslich eines neurologischen (sowie eines neuropsychologischen)
Konsiliums, und erfüllt die für den Beweiswert ärztlicher Gutachten und
Berichte massgebenden Anforderungen (BGE 125 V 352 Erw. 3a, 122 V 160 Erw.
1c). Bezüglich der Arbeitsfähigkeit bezieht sich die Beurteilung auf die Zeit
ab 28. Januar 2005 (Datum der Schlussbesprechung) und beschränkt sich für die
vorausgegangene Zeit auf eine Wiedergabe der in den Akten enthaltenen
Angaben. Es lässt sich daraus nicht ableiten, die MEDAS-Ärzte hätten über den
30. April 2003 hinaus eine unfallbedingte gesundheitliche Beeinträchtigung
mit Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestätigt. Im orthopädischen Konsilium
des Dr. med. D.________ vom 9. November 2004 wird eine unfallbedingte
Teilarbeitsunfähigkeit lediglich für bis zu drei Monate nach dem Unfall
angegeben. Unzutreffend ist sodann der Einwand, das Gutachten enthalte keine
Angaben zur Unfallkausalität. Auch wenn die Expertise im Auftrag der
Invalidenversicherung erstellt wurde, enthält sie klare Aussagen zur
Unfallbedingtheit der geltend gemachten Beschwerden, sodass sich weitere
Abklärungen erübrigen. Richtig ist, dass das Gutachten aus der Zeit nach
Erlass des Einspracheentscheids stammt. Es ist für die Beurteilung des
streitigen Leistungsanspruchs jedoch insofern von Bedeutung, als es Angaben
zu den tatsächlichen Verhältnissen in der Zeit vor Erlass dieses Entscheides
enthält oder Rückschlüsse auf den damaligen Sachverhalt erlaubt. Im Übrigen
kommt dem Gutachten für den Ausgang des Verfahrens lediglich insoweit eine
entscheidwesentliche Bedeutung zu, als damit das Fehlen eines relevanten
organisch nachweisbaren Funktionsausfalles bestätigt wird. Ob über den 30.
April 2003 hinaus noch andere, organisch nicht nachweisbare
Beeinträchtigungen bestanden haben, welche in einem natürlichen
Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 19. August 2001 standen, bedarf keiner
weiteren Abklärungen, weil jedenfalls die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zu
verneinen ist, wie sich aus dem Folgenden ergibt.

4.
4.1 Der Beschwerdegegner hat beim Unfall vom 19. August 2001 ein
Schleudertrauma oder eine schleudertraumaähnliche Verletzung der HWS
erlitten. Er leidet zumindest teilweise an dem für solche Verletzungen
typischen Beschwerdebild mit einer Häufung von Beschwerden wie diffuse
Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Übelkeit,
rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen, Reizbarkeit, Affektlabilität,
Depression, Wesensveränderungen usw. (BGE 117 V 360 Erw. 4b). Weil keine
nachweisbaren organischen Unfallfolgen bestehen und nicht davon auszugehen
ist, dass die zum typischen Beschwerdebild gehörenden Beeinträchtigungen zwar
teilweise gegeben sind, im Vergleich zur psychischen Problematik aber ganz in
den Hintergrund treten, hat die Adäquanzprüfung nach den für Schleudertraumen
und schleudertraumaähnliche Verletzungen der HWS geltenden Regeln zu erfolgen
(BGE 123 V 99 Erw. 2a).

4.2 Seinen Angaben zufolge war der Beschwerdegegner am frühen Morgen des 19.
August 2001 mit seinem Personenwagen Nissan Sunny von A.________ nach
B.________ unterwegs. Am Platz C.________ musste er wegen eines
vortrittsberechtigten Verkehrsteilnehmers anhalten. Die Führerin des
nachfolgenden Fahrzeuges (VW Transporter) konnte nicht mehr rechtzeitig
bremsen und stiess "mit voller Wucht" in den von ihm gelenkten Personenwagen.
Dieser wurde an der Rückseite eingedrückt, was vom Schadenexperten als
Totalschaden bewertet wurde. Die Polizei wurde nicht beigezogen.
Nach der Rechtsprechung werden Auffahrkollisionen in der Regel in die
Kategorie der mittelschweren Ereignisse im Grenzbereich zu den leichten
Unfällen eingestuft (RKUV 2005 Nr. U 549 S. 237 Erw. 5.1.2 mit Hinweisen). Ob
vorliegend allenfalls von einem mittleren Unfall im engeren Sinn auszugehen
ist, lässt sich mangels näherer Angaben zum Geschehensablauf nicht
beurteilen, kann jedoch dahingestellt bleiben. Auszuschliessen ist jedenfalls
ein mittelschwerer Unfall im Grenzbereich zu den schweren Unfällen oder gar
ein schwerer Unfall (vgl. Urs Müller, Die Rechtsprechung des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts zum adäquaten Kausalzusammenhang beim so genannten
Schleudertrauma der HWS, in SZS 2001 S. 413 ff., insbesondere S. 431 ff.;
ferner RKUV 2005 Nr. U 548 S. 231 und dort erwähnte Rechtsprechung). Die
Adäquanz des Kausalzusammenhangs wäre daher zu bejahen, wenn ein einzelnes
der unfallbezogenen Kriterien (besonders dramatische Begleitumstände oder
besondere Eindrücklichkeit des Unfalls; Schwere oder besondere Art der
erlittenen Verletzungen; ungewöhnlich lange Dauer der ärztlichen Behandlung;
Dauerbeschwerden; ärztliche Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich
verschlimmert hat; schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen;
Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit) in besonders ausgeprägter Weise
gegeben wäre oder mehrere der zu berücksichtigenden Kriterien erfüllt wären
(BGE 117 V 367 Erw. 6b).

4.3 Der Unfall vom 19. August 2001 hat sich unbestrittenermassen nicht unter
besonders dramatischen Begleitumständen ereignet noch war er - objektiv
betrachtet (RKUV 1999 Nr. U 335 S. 209 Erw. 3b/cc; vgl. auch RKUV 2000 Nr. U
394 S. 313) - von besonderer Eindrücklichkeit. Er hatte auch keine schweren
Verletzungen oder Verletzungen besonderer Art zur Folge. Es bedarf hiezu
einer besonderen Schwere der für das Schleudertrauma typischen Beschwerden
oder besonderer Umstände, welche das Beschwerdebild beeinflussen können
(Urteile C. vom 28. April 2005, U 386/04, D. vom 4. September 2003, U 371/02,
T. vom 6. Februar 2002, U 61/00, und D. vom 16. August 2001, U 21/01). Diese
können beispielsweise in einer beim Unfall eingenommenen besonderen
Körperhaltung und den dadurch bewirkten Komplikationen bestehen (RKUV 1998
Nr. U 297 S. 245). Der Umstand allein, dass der Beschwerdegegner beim Unfall
nach links geblickt hat und durch den Zusammenstoss überrascht wurde, genügt
jedoch nicht (Urteil N. vom 14. März 2005, U 82/04). Es liegt auch keine
besondere Schwere der für das Schleudertrauma typischen Beschwerden vor.
Nicht erfüllt ist sodann das Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der
ärztlichen Behandlung. Im Anschluss an den Unfall wurde der Beschwerdegegner
von Dr. med. T.________ behandelt, welcher einen Halskragen verordnete,
Medikamente abgab und eine physiotherapeutische Behandlung veranlasste. Diese
dauerte vom 28. September bis 29. November 2001. In der Folge beschränkten
sich die Massnahmen auf periodische Konsultationen, eine weitere
medikamentöse Therapie sowie komplementär- bzw. alternativmedizinische
Behandlungen (Atlaslogie). Am 24. Juni 2002 erklärte Dr. med. T.________ die
Behandlung als abgeschlossen. Auf Intervention des Versicherten kam es im
Juli 2002 zur Überweisung an Frau Dr. med. W.________ und ab 11. September
2002 zu weiteren Konsultationen bei Dr. med. T.________, welcher eine
Akupunkturbehandlung einleitete und erneut Medikamente abgab. Später sollen
nach Angaben des Versicherten noch Massnahmen der traditionellen chinesischen
Medizin (Qi-Gong, Tai-Chi) durchgeführt worden sein (Gutachten S. 9).
Insgesamt liegt damit keine kontinuierliche, mit einer gewissen
Planmässigkeit auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes gerichtete
ärztliche Behandlung von ungewöhnlich langer Dauer vor (Urteile N. vom 14.
März 2005, U 82/04, P. vom 24. September 2003, U 361/02, und S. vom 8. April
2002, U 357/01). Von einer ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen
verschlimmert hat, kann nicht gesprochen werden, ebenso wenig von einem
schwierigen Heilungsverlauf und erheblichen Komplikationen. Der Feststellung
des Beschwerdegegners, wonach gemäss Rechtsprechung (Urteil F. vom 25. Januar
2002, U 277/00) ein schwieriger Heilungsverlauf spätestens dann zu bejahen
sei, wenn sich dreieinhalb Jahre nach dem Unfall anhaltende, teilweise
psychisch überlagerte Beschwerden als therapierefraktär erweisen, ist
entgegenzuhalten, dass aus der blossen Dauer der Beschwerden und der
ärztlichen Behandlung nicht schon auf einen schwierigen Heilungsverlauf
geschlossen werden kann. Es bedarf hiezu besonderer Gründe, welche die
Heilung beeinträchtigt haben (Urteile Z. vom 4. Mai 2004, U 89/03, F. vom 25.
Oktober 2002, U 343/02, und B. vom 7. August 2002, U 313/01). Solche Gründe
sind hier nicht gegeben. Zum Kriterium von Grad und Dauer der
Arbeitsunfähigkeit ist festzustellen, dass der Versicherte vor dem Unfall als
Werk- und Zeichenlehrer mit einem Pensum von 14 Stunden bei einem Vollpensum
von 29 Wochenstunden tätig war. Nach dem Unfall war er vom 20. August bis 2.
September 2001 arbeitsunfähig. Ab dem 3. September 2001 bestand nach den
Angaben von Dr. med. T.________ im Zusatzfragebogen bei HWS-Verletzungen
wieder volle Arbeitsfähigkeit. In den Zwischenberichten vom 18. Dezember 2001
und 24. Juni 2002 bestätigte der behandelnde Arzt, der Beschwerdegegner habe
die Arbeit am 3. September 2001 aufgenommen und es bestehe keine
Arbeitsunfähigkeit. Frau Dr. med. W.________ äusserte sich im Bericht vom 2.
September 2002 nicht näher zur Arbeitsfähigkeit, stellte jedoch fest, dass
der Versicherte im Hinblick auf seine Beschwerden beruflich knapp kompensiert
sei und zusätzliche Stresssituationen (beispielsweise im Rahmen eines
Militärdienstes) vermieden werden sollten. Im ärztlichen Zeugnis vom 24.
Februar 2003 gab Dr. med. T.________ an, er habe den Fall am 11. Juni 2002
nur vorübergehend im Sinne einer Therapiepause abgeschlossen. Der Versicherte
habe glaubhaft Beschwerden und sei deshalb in der Arbeitsfähigkeit
eingeschränkt, wobei diese von Monat zu Monat neu beurteilt werden müsse. In
einem Bericht vom 16. Mai 2003 führte er aus, eine Arbeitsunfähigkeit von
mindestens 50 % sei immer ausgewiesen gewesen. Dies steht indessen im
Widerspruch zu den früheren Angaben des behandelnden Arztes, wonach ab 3.
September 2001 volle Arbeitsfähigkeit bestanden hat. Zu beachten ist, dass
der Beschwerdegegner schon vor dem Unfall lediglich im Rahmen von 50 % bis 60
% eines vollen Pensums tätig war und jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen,
dass er ohne den Unfall eine vollzeitliche Tätigkeit aufgenommen hätte. Es
entsprach offensichtlich seinem freien Willen, als Lehrer lediglich
teilzeitlich zu arbeiten und die verbleibende Zeit für eine Tätigkeit als
Fotograf und Künstler zu verwenden. In der selbst gewählten
Teilzeitbeschäftigung war er aber lediglich in geringem Masse in der
Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Selbst wenn zusätzlich berücksichtigt wird,
dass er die Nebenerwerbstätigkeiten als Fotograf und Künstler nicht mehr
auszuüben vermag, was aufgrund der Akten nicht ausgewiesen ist, kann das
Kriterium von Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht als erfüllt gelten
(vgl. RKUV 2001 Nr. U 442 S. 544 ff.). Was schliesslich das Kriterium der
Dauerschmerzen betrifft, ist dieses jedenfalls nicht in besonders
ausgeprägter Weise gegeben. Da somit weder eines der für die
Adäquanzbeurteilung massgebenden Kriterien in besonders ausgeprägter Weise
erfüllt ist noch mehrere der zu berücksichtigenden Kriterien gegeben sind,
ist die Unfalladäquanz der geltend gemachten Beschwerden zu verneinen. Die
verfügte Einstellung der Leistungen per 30. April 2003 besteht folglich zu
Recht.

5.
Mit der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ersucht der
Beschwerdegegner um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung (Art. 152
Abs. 2 OG). Diesem Begehren kann entsprochen werden, weil die Bedürftigkeit
nach den eingereichten Unterlagen ausgewiesen ist und die Vertretung durch
einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geboten war (BGE 125 V 372 Erw.
5b mit Hinweisen). Der Beschwerdegegner wird indessen darauf hingewiesen,
dass er gemäss Art. 152 Abs. 3 OG der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben
wird, wenn er später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Rechtsanwalt Dr.
Bruno Häfliger, Luzern, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wird über das Gesuch um
unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale Verfahren zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Bundesamt für Gesundheit und der
IV-Stelle Luzern zugestellt.
Luzern, 23. Dezember 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: