Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 233/2004
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U 233/04

Urteil vom 2. Februar 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiberin Durizzo

K.________, 1944, 8052 Zürich, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Michael Ausfeld, Weinbergstrasse 18, 8001 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 25. Mai 2004)

Sachverhalt:

A.
K. ________, geboren 1944, wollte am 21. Januar 2003 um ca. 17 Uhr die
Zürichstrasse in X.________ überqueren. Gemäss Rapport der Kantonspolizei
Zürich vom 11. Februar 2003 herrschte ein starkes Verkehrsaufkommen und es
regnete. Sie überschritt zuerst die erste Strassenhälfte (Fahrtrichtung
X.________), wobei sie einräumt, dass die Lichtsignalanlage dabei auf Rot
stand. Auf der Verkehrsinsel, welche die beiden Fahrtrichtungen trennt,
angekommen, wartete sie auf grünes Licht. In der Folge hielt ein
Fahrzeuglenker und gewährte ihr den Vortritt. Sie zögerte zuerst, lief dann
aber los und überquerte auch die zweite Strassenhälfte (Fahrtrichtung
Y.________), ohne darauf zu achten, ob die Ampel auf Grün oder Rot zeigte.
Nachdem sie das stehende Fahrzeug passiert hatte, wurde sie von einem zweiten
Auto angefahren, das rechts an jenem vorbeifahren wollte.

Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei welcher K.________
gegen Unfälle versichert war, sprach ihr Taggeldleistungen zu, kürzte diese
aber wegen grober Fahrlässigkeit um 10 % (Verfügung vom 8. April 2003). Daran
hielt sie auf Einsprache der Versicherten hin fest (Einspracheentscheid vom
28. Juli 2003).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 25. Mai 2004 ab.

C.
K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, es
sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die SUVA zur ungeschmälerten
Ausrichtung der Leistungen zu verpflichten.

Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Leistungen
der Unfallversicherung im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG) und auf ein Taggeld
im Besonderen (Art. 16 UVG), die Kürzung von Taggeldern bei grob fahrlässiger
Herbeiführung des Unfalls in der Versicherung der Nichtberufsunfälle (Art. 37
Abs. 2 UVG) sowie die Rechtsprechung, wonach Unfälle auf dem Arbeitsweg als
Nichtberufsunfälle gelten (BGE 121 V 42 ff. Erw. 2; 126 V 359 f. Erw. 5a),
und zur Grobfahrlässigkeit im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen (BGE 118 V
307 Erw. 2b mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Präzisierend ist zu ergänzen, dass sich mit der neuen Kürzungsregelung in
Art. 37 Abs. 2 UVG, welche mit In-Kraft-Treten des ATSG revidiert wurde und
auf Art. 21 Abs. 1 ATSG verweist, in materiellrechtlicher Hinsicht keine
Änderungen ergeben haben (vgl. auch Ueli Kieser, ATSG-Kommentar: Kommentar
zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom
6. Oktober 2000, Zürich 2003, N 14 zu Art. 21).

2.
Streitig ist, ob der Beschwerdeführerin eine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen
ist und ihre Taggeldleistungen deswegen zu kürzen sind.

2.1 Die Vorinstanz bejahte diese Frage mit der Begründung, es sei überwiegend
wahrscheinlich und daher mit dem im Sozialversicherungsrecht erforderlichen
Beweisgrad (BGE 126 V 360 Erw. 5b) erstellt, dass die Versicherte den
Fussgängerstreifen bei Rotlicht überquert habe, weil der Unfallgegner wie
auch ein Fahrzeuglenker, welcher sich hinter dem haltenden Auto befunden
hatte, gemäss ihren Aussagen im Polizeirapport die Kreuzung bei Grünlicht
passiert hätten. Diese Begründung hält einer genaueren Betrachtung nicht
stand. Der Fussgängerstreifen befindet sich in erheblicher Entfernung vom
Lichtsignal und es hatte sich in seinem Bereich eine stehende Kolonne
gebildet. Auch wenn die beiden Autofahrer die Ampel bei Grünlicht passiert
haben, ist deshalb nicht bewiesen, dass sie für Fussgänger noch immer auf Rot
stand. Ob die Beschwerdeführerin die Ampel bei Rotlicht passiert hat, ist
damit nicht erstellt, kann indessen - wie in Erw. 2.3 aufzuzeigen ist -
ohnehin offen gelassen werden.

2.2 Soweit die Vorinstanz sodann ausgeführt hat, die Beschwerdeführerin habe
bereits die erste Strassenhälfte bis zur Mittelinsel willentlich und damit
unbestrittenermassen vorschriftswidrig bei Rotlicht überquert, steht dies in
keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall. Dieser Umstand hat daher
rechtsprechungsgemäss ausser Betracht zu bleiben (vgl. BGE 118 V 307 Erw. 2b
mit Hinweisen).

2.3 Selbst wenn die Beschwerdeführerin die Ampel jedoch bei Rotlicht passiert
hätte, könnte ihr Verhalten unter den gegebenen Umständen nicht als
grobfahrlässig qualifiziert werden. Denn angesichts der Tatsache, dass ein
Fahrzeuglenker der Versicherten auf dem Fussgängerstreifen den Vortritt
eingeräumt hat und die Verkehrsführung in der Richtung, von welcher das
Fahrzeug kam, einspurig ist und erst nach dem Fussgängerstreifen zweispurig
wird, könnte der Beschwerdeführerin auch in diesem Fall einzig vorgeworfen
werden, dass sie die Fahrbahn auf das Zeichen des wartenden Fahrzeuglenkers
hin betreten und überquert hat, ohne auf allfällige weitere
Verkehrsteilnehmer zu achten. Der zu beurteilende Unfallablauf ist auf ein
momentanes Nachlassen der geforderten Aufmerksamkeit zurückzuführen, welches
auch durch den haltenden Fahrzeuglenker verursacht wurde. Bei der gegebenen
Verkehrsführung musste die Beschwerdeführerin nicht damit rechnen, dass ein
zweites Fahrzeug das stehende Auto, dessen Lenker ihr den Vortritt einräumte,
passieren würde. Ihr Verhalten kann daher nicht als grob, sondern bloss als
leicht fahrlässig qualifiziert werden (vgl. auch RKUV 1987 Nr. U 20 S. 322).
Die Kürzung der Taggeldleistungen wegen grobfahrlässigen Verhaltens ist daher
zu Unrecht erfolgt.

3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
steht der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 und
2 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 25. Mai 2004 und der
Einspracheentscheid der SUVA vom 28. Juli 2003, soweit er die Kürzung der
zugesprochenen Taggelder betrifft, aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die SUVA hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 700.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 2. Februar 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: