Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 215/2004
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U 215/04

Urteil vom 11. Oktober 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Rüedi und Schön; Gerichtsschreiber
Scartazzini

A.________, 1949, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Evalotta
Samuelsson, Seefeldstrasse 45, 8008 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 22. März 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1949 geborene A.________ war von Juli 1971 bis 1998 bei der Firma
C.________ AG bzw. N.________ AG als Glasbläser beschäftigt und bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von
Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 16. Juni 1999 meldete seine
Arbeitgeberin der SUVA, dass der Versicherte an einer obstruktiven
Lungenkrankheit leide, die durch Einatmen von Reizgasen verursacht worden
sei. Mit Verfügung vom 18. Februar 2000 sprach die IV-Stelle Basel-Stadt
A.________ rückwirkend ab 1. Juni 1999 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung zu. Die SUVA holte zahlreiche medizinische Berichte und
Stellungnahmen zur beruflichen Schadstoffexposition ein, wobei A.________
auch von einem Vorfall berichtete, der sich Ende 1992 ereignet habe und bei
dem er sich durch das Einsaugen heisser Luft die Luftröhre "verbrannt" und
anschliessend starke Schmerzen in diesem Bereich verspürt habe; den Arzt habe
er aber nicht aufgesucht. In der Folge seien sporadisch Atembeschwerden
aufgetreten. Mit Verfügung vom 10. Januar 2001 lehnte die SUVA ihre
Leistungspflicht ab und begründete ihren Entscheid damit, dass nicht mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehe, dass die Atembeschwerden durch
die Arbeit als Glasbläser verursacht worden seien. Nachdem der Versicherte
dagegen Einsprache erhoben hatte, veranlasste die SUVA weitere medizinische
Abklärungen, wobei A.________ auch die Frage einer chronischen Sinusitis
aufwarf. Mit Entscheid vom 17. April 2003 wies die SUVA die Einsprache mit
der Begründung ab, dass das Asthma bronchiale/die chronische Bronchitis und
die erhobenen Nasenbefunde die Voraussetzung zur Anerkennung einer
Berufskrankheit nicht erfüllen würden. Dasselbe gelte für die vom
Versicherten aufgeworfene Frage der Verschlimmerung vorbestehender Symptome
der genannten Krankheit.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher die Erbringung der gesetzlichen
Leistungen und eventualiter die Zurückweisung der Sache an die SUVA zur
Ergänzung der Aktenlage beantragt wurde, wies das Sozialversicherungsgericht
des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 22. März 2004 ab.

C.
A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die
vorinstanzlichen Rechtsbegehren erneuern.

Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die SUVA mit ihrem Einspracheentscheid vom
17. April 2003 zutreffend ihre Leistungspflicht abgelehnt hat, weil das
Beschwerdebild des Versicherten nicht auf eine Berufskrankheit zurückzuführen
sei. Dabei macht der Beschwerdeführer in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
lediglich noch geltend, das Asthma bronchiale und die chronische Bronchitis
hätten sich durch seine berufliche Exposition als Glasbläser in einem einen
Leistungsanspruch begründenden Mass verschlimmert. Nicht mehr beanstandet
wird, dass die Verursachung der gesundheitlichen Beschwerden durch Exposition
am Arbeitsplatz eindeutig verneint worden ist.

1.2 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Berufskrankheiten (Art. 3 ATSG, Art. 9 Abs. 1 und 2 UVG; Art. 14 UVV; Anhang
I zur UVV) und die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 119 V 200 Erw. 2 mit
Hinweisen; vgl. auch BGE 126 V 186 Erw. 2b; SVR 2000 UV 22 S. 75) richtig
dargelegt, sodass diesbezüglich auf dessen Entscheid verwiesen werden kann.

Bei der Prüfung eines allfälligen schon vor dem In-Kraft-Treten des ATSG auf
den 1. Januar 2003 entstandenen Anspruchs auf eine Leistung der
Unfallversicherung sind die allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln
heranzuziehen, gemäss welchen - auch bei einer Änderung der gesetzlichen
Grundlagen - grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei
Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts galten. Demzufolge
ist der Leistungsanspruch für die Zeit bis 31. Dezember 2002 auf Grund der
bisherigen und ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen zu prüfen (noch
nicht in der Amtlichen Sammlung publiziertes Urteil M. vom 5. Juli 2004, I
690/03, Erw. 1 mit Hinweisen).

2.
2.1 Gestützt auf die umfassenden medizinischen Abklärungen und
Untersuchungsergebnisse, insbesondere auf einen Bericht des Spitals
X.________ vom 27. Januar 1993, auf Stellungnahmen von Dr. med. S.________
(vom 19. September 1996 und 16. Dezember 1999), Angaben des werkärztlichen
Dienstes des Arbeitgebers (vom 22. November 1999), ärztliche Beurteilungen
von Dr. med. Y.________, Facharzt FMH für Innere Medizin und Arbeitsmedizin
bei der SUVA, Abteilung Arbeitsmedizin, auf Grund zahlreicher
arbeitsmedizinischer Erkenntnisse (vom 13. Januar 2000 und 6. April 2001),
Berichte des Spitals Z.________ (vom 4. Oktober und 2. November 2000 sowie
vom 27. Juli 2001), ein Gutachten der HNO-Klinik des Spitals Z.________ (vom
28. Oktober 2002) und einen Bericht der SUVA-internen Ärztin Dr. med.
P.________, gelangte die Vorinstanz zum Schluss, es gelinge dem Versicherten
nicht, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Exposition am
Arbeitsplatz und der Verschlimmerung der vorbestehenden Lungenerkrankung nach
dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit herzustellen. Stattdessen
sei ein Zusammenhang mit dem jahrelangen Nikotinabusus wahrscheinlicher. Das
kantonale Gericht hat somit dargelegt, insgesamt lasse sich den ärztlichen
Beurteilungen aus arbeitsmedizinischer Sicht kein Zusammenhang zwischen der
Exposition als Glasbläser und den in den achtziger Jahren beim
Beschwerdeführer aufgetretenen und noch heute weitgehend bestehenden
Beschwerden entnehmen.

2.2 Der Beschwerdeführer wendet ein, gemäss Dr. med. S.________ würde auf
Grund seiner Erhebungen ohne Zweifel feststehen, dass die asthmoide
Komponente der chronischen Bronchitis durch eine massivste Hyperreaktivität
des Bronchialsystems ausgelöst werde. Diese würde möglicherweise regelmässig
durch das Einatmen von Reizgasen oder rauchiger Luft am Arbeitsplatz
stimuliert. Auch Dr. med. Y.________ habe festgehalten, dass eine ungünstige
Beeinflussung durch die Reizgasinhalation beim Glasblasen durchaus möglich
sei. Die Ausführungen der SUVA-internen Ärztin Dr. med. P.________ würden
sich nicht als aussagekräftig erweisen, weil damit lediglich zur Verursachung
der Lungenbeschwerden, nicht indessen zur Verschlimmerung eines Vorzustandes
Stellung genommen werde. Schliesslich sei auf das Gutachten der Abteilung
Pneumologie des Spitals Z.________ abzustellen, wo Dr. med. B.________ zu
einem klaren Schluss gekommen sei. Er attestiere, dass Exposition in
staubiger Atmosphäre bekannterweise zu akuter Broncho-Obstruktion führe. Der
Beschwerdeführer sei unbestrittenermassen jahrzehntelang einer staubigen und
schadstoffbelasteten Atmosphäre am Arbeitsplatz ausgesetzt gewesen und laut
seiner behandelnden Ärztin, Frau Dr. med. J.________, hätten sich die
Beschwerden nach der Aufgabe seiner Tätigkeit 1998 signifikant gebessert.

2.3 Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hervorgebracht wird, vermag
nicht zu überzeugen. Zunächst ist festzustellen, dass die Vorinstanz die
medizinischen Unterlagen ausdrücklich unter dem Blickwinkel einer allfälligen
Verschlechterung des Gesundheitszustandes und nicht lediglich unter jenem der
Verursachung geprüft hat. Wie dabei aus den Stellungnahmen der Spezialärzte
Dres. med. S.________, Y.________, P.________ und B.________ sowie aus dem
Gutachten der HNO-Klinik des Spitals Z.________ hervorgeht, ist der
Zusammenhang zwischen Exposition am Arbeitsplatz und der Verschlimmerung des
Lungenleidens nur möglich, jedoch nicht nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erstellt. Nach der Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 1 UVG
setzt eine vorwiegende Verursachung von Krankheiten durch schädigende Stoffe
oder bestimmte Arbeiten im gesamten Ursachenspektrum einen ursächlichen
Anteil von mehr als 50 % voraus. Demgegenüber ist ein ausschliesslicher oder
stark überwiegender Zusammenhang gemäss Art. 9 Abs. 2 UVG nur gegeben, wenn
die Berufskrankheit mindestens zu 75 % durch die berufliche Tätigkeit
verursacht worden ist. Angesichts dieser Anforderungen hat das kantonale
Gericht zu Recht befunden, das Asthma bronchiale und die chronische
Bronchitis des Beschwerdeführers hätten sich durch die berufsbedingte
Exposition als Glasbläser nicht mit der geforderten Erheblichkeit in einem
einen Anspruch begründenden Ausmass verschlimmert. Unter diesen Umständen
sind auch keine weiteren Abklärungen vorzunehmen. Der angefochtene Entscheid
ist daher nicht zu beanstanden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 11. Oktober 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: