Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 20/2004
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U 20/04

Urteil vom 17. Januar 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiberin Keel Baumann

F.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Mathys,
Blickle Dreier Bachmann & Groth, Rämistrasse 46, 8001 Zürich,

gegen

Ersatzkasse UVG, Badenerstrasse 694, 8024 Zürich, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher René W. Schleifer, Stampfenbachstrasse 42, 8006
Zürich

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 10. Dezember 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1939 geborene G.________ war vom 1. Juli 1961 bis 31. März 1964 als
Laborant bei der Firma I.________ AG angestellt, in welcher Eigenschaft er im
Jahre 1963 an der Entwicklung einer Applikationsmaschine für Spritzasbest
beteiligt und Asbeststaub ausgesetzt war. Von 1964 bis 1982 arbeitete er bei
verschiedenen Unternehmen in der Elektronik- und Computerbranche. Im Jahre
1982 machte er sich selbstständig im Bereich Radio/TV/Hifi.

Im Frühjahr 1997 traten bei G.________ Schmerzen im linken Thorax auf,
deretwegen er sich in ärztliche Behandlung begab. Anlässlich einer
Revisionsthorakotomie wurde am 16. Januar 1998 ein malignes Pleuramesotheliom
links diagnostiziert, an dessen Folgen G.________ am 20. August 1998
verstarb.

Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) verneinte eine
Leistungspflicht mit der Begründung, als Mitarbeiter der Firma I.________ AG
in den Jahren 1961 bis 1964 habe G.________ nicht zum Kreis der
SUVA-Versicherten gehört. Die entsprechende Verfügung vom 17. August 1998
wurde von der Witwe des Verstorbenen, F.________, nicht angefochten. Hingegen
erhob die Ersatzkasse UVG, nachdem sie durch den Rechtsvertreter von
F.________ über die leistungsablehnende Verfügung der SUVA in Kenntnis
gesetzt worden war, Einsprache, zu welcher die SUVA am 27. Mai 1999 in
ablehnendem Sinne Stellung bezog. Ein von F.________ am 18. August 1999
gestelltes Gesuch um Revision der leistungsablehnenden Verfügung wies die
SUVA am 16. Januar 2002 ab, welche Verfügung unangefochten blieb und in
Rechtskraft erwuchs. Mit Verfügung vom 25. Juni 2002 verneinte die
Ersatzkasse UVG eine Leistungspflicht für die Folgen der Lungenerkrankung des
G.________, woran sie auf Einsprache von F.________ hin festhielt (Entscheid
vom 17. Januar 2003).

B.
F.________ liess hiegegen Beschwerde erheben mit dem Rechtsbegehren, es sei
die Ersatzkasse UVG anzuweisen, ihr rückwirkend ab 1. September 1998 eine
Hinterlassenenrente auszurichten; eventualiter sei die Sache zu neuer
Entscheidung an die Ersatzkasse UVG zurückweisen. Mit Entscheid vom 10.
Dezember 2003 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die
Beschwerde ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt F.________ das im kantonalen
Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern und beantragen, es seien die
Gerichtskosten auf die Bundeskasse zu nehmen und es sei ihr eine angemessene
Parteientschädigung zuzusprechen.

Die Ersatzkasse UVG schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Ersatzkasse UVG Versicherungsleistungen im
Zusammenhang mit dem Tod von G.________ zu erbringen hat. Diese Frage ist
aufgrund des UVG zu beurteilen, wie sich durch Umkehrschluss aus Art. 118
Abs. 1 UVG ergibt, gemäss welcher Bestimmung Versicherungsleistungen für
Berufskrankheiten, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (1. Januar 1984)
ausgebrochen sind, nach bisherigem Recht (d.h. nach dem KUVG) gewährt werden.
Denn gemäss Art. 9 Abs. 3 Satz 2 UVG gelten Berufskrankheiten als
ausgebrochen, sobald der Betroffene erstmals ärztlicher Behandlung bedarf
oder arbeitsunfähig ist, was beim verstorbenen Versicherten im Jahre 1997 der
Fall war.

2.
2.1 Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze über den
Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG),
insbesondere bei Berufskrankheiten (Art. 9 UVG in der hier anwendbaren, bis
31. Dezember 2002 geltenden Fassung; vgl. auch BGE 119 V 200 Erw. 2)
zutreffend dargelegt. Ebenso richtig wird festgehalten, dass das am 1. Januar
2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 vorliegend keine
Anwendung findet, entsprechend dem Grundsatz, dass diejenigen materiellen
Rechtssätze massgebend sind, die bei der Verwirklichung des zu Rechtsfolgen
führenden Sachverhaltes in Geltung standen (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1,
356 Erw. 1, je mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

2.2 Gemäss Art. 73 Abs. 1 Satz 1 UVG erbringt die Ersatzkasse UVG  die
gesetzlichen Versicherungsleistungen an verunfallte Arbeitnehmer, für deren
Versicherung nicht die SUVA zuständig ist und die von ihrem Arbeitgeber nicht
versichert worden sind (vgl. auch Art. 59 Abs. 3 UVG, nach welcher Bestimmung
die Ersatzkasse UVG einem Arbeitnehmer, der dem Obligatorium untersteht und
bei einem Unfall nicht versichert ist, die gesetzlichen
Versicherungsleistungen gewährt). Sie sorgt als eine Art Auffangnetz für den
lückenlosen Versicherungsschutz der nicht bei der SUVA versicherten
Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber der Pflicht zur Versicherung bei einem
registrierten Versicherungsträger nicht nachgekommen sind (vgl. Botschaft des
Bundesrates zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 18. August 1976,
Separatausgabe, S. 72; vgl. auch Maurer, Schweizerisches
Unfallversicherungsrecht, S. 63).

3.
3.1 Die Beschwerdegegnerin hat die Ausrichtung von Versicherungsleistungen
abgelehnt mit der Begründung, der Verstorbene habe vom Zeitpunkt des
Inkrafttretens des UVG an bis zu seinem Hinschied nie Arbeitnehmereigenschaft
gehabt. Er sei daher nie UVG-versichert gewesen. Im Übrigen habe die
Ersatzkasse UVG nur zum Zweck, für den lückenlosen Versicherungsschutz der
nicht bei der SUVA versicherten Arbeitnehmer zu sorgen, wenn Arbeitgeber
diese nicht versicherten. Mangle es im vorliegenden Fall aber an einem
Arbeitgeber, entfalle eine Leistungspflicht der Ersatzkasse UVG.

3.2 Die Vorinstanz hat eine Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin ebenfalls
verneint. Zur Begründung führte sie aus, dass G.________ zum für den Anspruch
auf Versicherungsleistungen massgebenden Zeitpunkt des Ausbruchs der
Berufskrankheit am 2. September 1997 weder obligatorisch noch als
Selbstständigerwerbender freiwillig gemäss UVG versichert gewesen sei. Da er
bei Krankheitsausbruch nicht der obligatorischen Versicherung unterstellt
gewesen sei, liege sein Fall ausserhalb des Tätigkeitsbereichs der
Ersatzkasse UVG.

3.3 Weder die Argumentation der Ersatzkasse UVG noch diejenige der Vorinstanz
sind stichhaltig. Denn bei Berufskrankheiten hängt die Leistungspflicht des
Unfallversicherers vom Umstand ab, ob der Betroffene während der Einwirkung
des gefährlichen Stoffes oder der Verrichtung der krankmachenden Arbeit (sog.
Exposition) versichert war, so dass die Versicherung über das Ende des
Versichertseins hinauswirkt, wenn eine Krankheit erst später ausbricht
(Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 219; vgl. auch nicht
publizierte Erw. 3 des in RKUV 2004 Nr. U 508 S. 265 veröffentlichten
Urteils). Aus diesem Grunde ist in Art. 77 Abs. 1 Satz 2 UVG vorgesehen, dass
bei Berufskrankheiten derjenige Versicherer zu Leistungen verpflichtet ist,
bei dem die Versicherung bestanden hat, als der Versicherte zuletzt durch
schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten oder durch berufliche Tätigkeiten
gefährdet war. Es ist deshalb - entgegen der Auffassung der Ersatzkasse UVG -
irrelevant, ob G.________ vom Inkrafttreten des UVG an bis zu seinem
Hinschied je Arbeitnehmereigenschaft gehabt hat. Ebenso wenig spielt es -
anders als die Vorinstanz annimmt - eine Rolle, ob der Versicherte zum
Zeitpunkt des Ausbruchs der Berufskrankheit obligatorisch oder freiwillig
gemäss UVG versichert war. Zu Unrecht führt die Vorinstanz zur Stützung ihres
Standpunktes die Rechtsprechung gemäss BGE 119 V 204 Erw. 5c/aa an, welche
sich einzig zur - mit dem vorliegenden Fall in keinem Zusammenhang stehenden
- Frage äussert, ob eine vor dem 1. Januar 1984 ausgeübte berufliche
Tätigkeit bei der Beurteilung, ob eine Berufskrankheit ausschliesslich oder
stark überwiegend durch diese berufliche Tätigkeit verursacht worden ist,
berücksichtigt werden muss, mit anderen Worten, ob unter beruflicher
Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVG die gesamte, also auch die vor dem
1. Januar 1984 ausgeübte Berufstätigkeit zu verstehen ist.

3.4 Zum (gemäss Art. 77 Abs. 1 Satz 2 UVG) massgebenden Zeitpunkt der
Asbestexposition im Jahre 1963 - d.h. unter dem Geltungsbereich des KUVG vom
13. Juni 1911 - war nur die SUVA als Versi-cherungsträger für die
Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung zugelassen (vgl. auch
Maurer, Bundessozialversicherungsrecht, S. 325), weshalb vorliegend als
(obligatorischer) Versicherer einzig die SUVA in Betracht gefallen wäre,
welche ihre Zuständigkeit indessen bereits rechtskräftig verneint hat
(Verfügungen vom 17. August 1998 und 16. Januar 2002). Weil somit davon
auszugehen ist, dass G.________ im Jahre 1963 in einem nicht dem
Versicherungsobligatorium unterstehenden Betrieb gearbeitet hat (andernfalls
er bei der SUVA versichert gewesen wäre), entfällt von Vornherein eine
Leistungspflicht der einzig für die Schliessung von Versicherungslücken im
Rahmen des Obligatoriums zuständigen Ersatzkasse UVG (vgl. Erw. 2.2 hievor).

3.5 Da es um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenfrei (Art. 134 OG), weshalb der Antrag der
Beschwerdeführerin, die Gerichtskosten auf die Bundeskasse zu nehmen,
gegenstandslos ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 17. Januar 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: