Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 208/2004
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U 208/04

Urteil vom 13. Oktober 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Hofer

Allianz Suisse Versicherungen, Hohlstrasse 552, 8048 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

C.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Sidler,
Untermüli 6, 6302 Zug

Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug

(Entscheid vom 29. April 2004)

Sachverhalt:

A.
Die 1959 geborene C.________ war seit 1. Oktober 1999 in der von ihr
gegründeten Firma A.________ tätig. Dabei war sie bei der ELVIA
Versicherungen obligatorisch gegen Unfall versichert. Am 15. Dezember 1999
erlitt sie einen Autounfall, bei welchem es wegen eines ihr verweigerten
Vortritts zu einer Frontalkollision mit einem anderen Fahrzeug kam. Sie wurde
gleichentags im Spital Z.________ untersucht, wo gemäss Zeugnis vom 24.
Dezember 1999 Thorax- und Kniekontusionen sowie eine Distorsion der
Halswirbelsäule diagnostiziert wurden. Der weiterbehandelnde Hausarzt Dr.
med. M.________ attestierte am 22. Februar 2000 eine volle Arbeitsunfähigkeit
bis auf weiteres. Wegen persistierender Schmerzen im Nackenbereich mit
Ausstrahlung in die Fingerspitzen und gegen den Schädel sowie Thoraxschmerzen
überwies Dr. med. M.________ die Versicherte zur neurologischen Abklärung in
die Klinik S.________, welche am 16. Mai 2000 Bericht erstattete. Vom 10. bis
28. Juli 2000 weilte sie zur Rehabilitation im Kurhaus A.________ (Bericht
vom 16. August 2000). Ab 28. August 2000 stand sie sodann in der ambulanten
psychiatrischen Behandlung des Dr. med. W.________ (Bericht vom 3. Dezember
2000). Die ELVIA Versicherungen veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch
die Medizinische Abklärungsstelle (Medas), welche am 21. Januar 2002 erging
und mit der ergänzenden Stellungnahme vom 15. April 2002 präzisiert wurde.
Vom 27. Januar bis 16. Februar 2002 hielt sich C.________ zur
psychosomatischen Behandlung in der Klinik M.________ auf (Bericht vom 7.
März 2002). Mit Verfügung vom 8. Juli 2002 eröffnete die Allianz Suisse
Versicherungen (nachfolgend Allianz), welche als Rechtsnachfolgerin der ELVIA
Versicherungen die Kosten der Heilbehandlung übernommen hatte und ein Taggeld
ausrichtete, der Versicherten, dass entsprechend der Beurteilung durch die
Ärzte der Medas ab 3. Januar 2002 das Taggeld auf der Basis einer
Arbeitsunfähigkeit von 50% ausgerichtet werde, wobei für die Dauer des
Aufenthaltes in der Klinik M.________ vom 27. Januar bis 16. Februar 2002 von
einer vollen Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werde. Mit einer weiteren
Verfügung vom 9. Dezember 2002 stellte die Allianz unter Berücksichtigung der
Rentenleistungen der Invalidenversicherung und eines versicherten Verdienstes
von Fr. 97'200.- eine ab 15. Dezember 1999 resultierende Überentschädigung
von Fr. 20'536.90 fest. Gegen beide Verfügungen liess C.________ Einsprache
erheben. Mit Einspracheentscheid vom 6. Mai 2003 hielt die Allianz an der
Verfügung vom 8. Juli 2002 bezüglich der Höhe des Taggeldes fest und hiess
die gegen die Verfügung vom 9. Dezember 2002 gerichtete Einsprache betreffend
Überentschädigung teilweise gut, indem sie den Überentschädigungsbetrag auf
Fr. 15'239.- reduzierte.

B.
Beschwerdeweise liess C.________ beantragen, es sei ihr ab 1. Oktober 2002
das volle Taggeld auszurichten und die Überentschädigung für die Zeit vom 15.
Dezember 1999 bis 30. September 2002 auf Fr. 2'610.50 festzusetzen. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Zug hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 29.
April 2004 in dem Sinne gut, dass es den Einspracheentscheid vom 6. Mai 2003
aufhob und die Sache zur ergänzenden Abklärung im Sinne der Erwägungen an die
Allianz zurückwies.

C.
Die Allianz führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der
vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 6. Mai
2003 zu bestätigen. Der Beschwerdeschrift legte sie den Bericht des Prof. Dr.
med. V.________ vom Spital U.________ vom 26. Mai 2004 und eine Bestätigung
der Arbeitslosenkasse vom 22. März 2004 bei. Am 14. Juni 2004 reichte sie
zudem den Bericht des Prof. Dr. med. V.________ vom 10. Oktober 2003, die
Stellungnahme von PD Dr. med. K.________ vom 11. Juni 2004 und einen
MRI-Bericht vom 27. Februar 2004 nach.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug und C.________ schliessen auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts stellt
der Rückweisungsentscheid einer kantonalen Rekursinstanz eine im Sinne von
Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 VwVG mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht
anfechtbare Endverfügung dar. Anfechtbar ist grundsätzlich nur das
Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheides. Verweist indessen
das Dispositiv eines Rückweisungsentscheides ausdrücklich auf die Erwägungen,
werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum Streitgegenstand
gehören, an der formellen Rechtskraft teil. Dementsprechend sind die Motive,
auf die das Dispositiv verweist, für die Behörde, an die die Sache
zurückgewiesen wird, bei Nichtanfechtung verbindlich. Beziehen sich diese
Erwägungen auf den Streitgegenstand, ist somit auch deren Anfechtbarkeit zu
bejahen (BGE 120 V 237 Erw. 1a mit Hinweis).

1.2 Die Erwägungen, auf welche der vorinstanzliche Rückweisungsentscheid in
Ziff. 1 des Dispositivs verweist, betreffen die Notwendigkeit zusätzlicher
Abklärungen bezüglich der Schlüssigkeit des Gutachtens der Medas vom 21.
Januar 2002, der geltend gemachten Arbeitslosigkeit ab 1. Juli 2002 und des
Resterwerbseinkommens für das Jahr 2002. Sie beziehen sich damit auf die
Streitgegenstand des kantonalen Verfahrens bildende Frage der Höhe der
Arbeitsunfähigkeit und der daraus resultierenden Taggelder sowie der
Überentschädigungsberechnung. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher
auch insoweit einzutreten, als die Motive des Rückweisungsentscheids gemäss
Verweis in dessen Dispositiv-Ziff. 1 angefochten werden.

2.
2.1 Streitig sind der Taggeldanspruch der Beschwerdegegnerin ab 1. Oktober
2002 und die von der Allianz durchgeführte Überentschädigungsberechnung,
wobei der Erlass des Einspracheentscheides (hier: vom 6. Mai 2003)
rechtsprechungsgemäss die zeitliche Grenze der richterlichen
Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis; vgl. auch BGE
129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen).

2.2 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Grundlagen für die
Taggeldberechtigung (Art. 16 Abs. 1 UVG) und für das Entstehen und Erlöschen
des Taggeldes (Art. 16 Abs. 2 UVG) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen. Zu präzisieren ist, dass wenn keine laufenden Leistungen im Sinne
der übergangsrechtlichen Ausnahmebestimmung des Art. 82 Abs. 1 ATSG, sondern
Dauerleistungen im Streit stehen, über welche noch nicht rechtskräftig
verfügt worden ist, der Leistungsanspruch - den allgemeinen
intertemporalrechtlichen Regeln folgend- für die Zeit bis 31. Dezember 2002
auf Grund der bisherigen Rechtslage und ab diesem Zeitpunkt nach den neuen
Normen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen ATSG und dessen
Ausführungsverordnungen zu prüfen ist (noch nicht in der Amtlichen Sammlung
veröffentlichtes Urteil M. vom 5. Juli 2004, I 690/03, Erw. 1 mit Hinweis auf
das ebenfalls noch nicht in der Amtlichen Sammlung publizierte Urteil L. vom
4. Juni 2004, H 6/04).

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, die Schlüssigkeit des Medas-Gutachtens
vom 21. Januar 2002 habe bereits Gegenstand des auf demselben Sachverhalt
beruhenden invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens gebildet. Mit Urteil
vom 26. Januar 2004 habe dort das Eidgenössische Versicherungsgericht die
Sache an die Verwaltung zurückgewiesen zur Abklärung der Frage, ob allenfalls
bereits vor Erlass der streitigen Verfügung eine Veränderung im Hirnbereich
vorgelegen haben könnte, welcher im Rahmen der Begutachtung möglicherweise
nicht hinreichend Rechnung getragen worden sei. Dies habe in gleicher Weise
auch für das unfallversicherungsrechtliche Verfahren zu gelten. Da
hinsichtlich der Einschätzung der Medas bezüglich der angenommenen
Arbeitsfähigkeit, welche auch Grundlage für die Zusprechung der UV-Taggelder
bilde, begründete Zweifel bestünden, werde sich die Allianz an den vom
Eidgenössischen Versicherungsgericht geforderten ergänzenden Abklärungen zu
orientieren haben. Nach deren Vorliegen werde sie über die anwendbare Methode
zur Bestimmung der Arbeitsfähigkeit neu zu entscheiden haben. Falls sich eine
50% übersteigende Arbeitsunfähigkeit ergeben sollte, habe sie gemäss Art. 25
Abs. 3 UVV das ganze Taggeld zu erbringen, weshalb auch Erhebungen bezüglich
der geltend gemachten Arbeitslosigkeit ab 1. Juli 2002 bzw. die entsprechende
Koordination mit der Arbeitslosenkasse vorzunehmen sei. Mit Blick auf die
Berechnung der Überentschädigung hat die Vorinstanz erwogen, zwischenzeitlich
dürften die Daten der Steuerverwaltung über das Resterwerbseinkommen für das
Jahr 2002 vorliegen, weshalb die Bestimmung des tatsächlich erzielten
Erwerbseinkommens möglich sein sollte.

3.2 Die Allianz macht geltend, nachdem das Ergebnis der von der IV-Stelle
durchgeführten Abklärungen nunmehr vorliege und sich daraus keine neuen
Erkenntnisse entnehmen liessen, sei ihr Einspracheentscheid zu bestätigen.

4.
4.1 Prof. Dr. med. V.________ hat auf Veranlassung der IV-Stelle Zug in
Nachachtung des Urteils vom 26. Januar 2004 (I 455/03) am 26. Mai 2004 zu den
Auswirkungen des Aneurysmas der Carotis interna Stellung genommen und dieses
als stationär und beschwerdefrei bezeichnet. Er bejahte die Zumutbarkeit der
bisherigen Tätigkeit und verneinte eine Verminderung der Leistungsfähigkeit.
Abzusehen sei indessen von übertriebenen körperlichen Anstrengungen und einem
Aufenthalt über 2000 m. Die Allianz legte zudem ein Schreiben des Prof. Dr.
med. V.________ an Dr. med. M.________ vom 10. Oktober 2003 auf, wonach das
Aneurysma morphologisch und radiologisch die Kriterien einer traumatischen
Entstehung nicht erfüllt, sondern vorbestanden haben dürfte. Des Weitern
reichte sie einen Bericht von PD Dr. med. K.________ vom 11. Juni 2004 ein,
welcher diese Auffassung teilt. Dem Schreiben der Arbeitslosenkasse des
Kantons Zug vom 22. März 2004 lässt sich sodann entnehmen, dass kein Anspruch
auf Arbeitslosenentschädigung besteht.

4.2 Da damit die entscheidrelevanten Unterlagen für die Beurteilung der Höhe
des Taggeldanspruchs vorliegen, kann die Sache nunmehr materiell beurteilt
werden. Das kantonale Gericht hat angesichts seines Rückweisungsentscheids
davon abgesehen, sich zur Rechtmässigkeit der von der Allianz vorgenommenen -
beschwerdeweise ausdrücklich bestrittenen - Taggeld- und
Überentschädigungsbemessung zu äussern. Die Sache ist daher an die Vorinstanz
zurückzuweisen, damit sie über die diesbezügliche Begründetheit der
Beschwerde befinde. Im Rahmen der Beurteilung der
Überentschädigungsberechnung wird sie nötigenfalls die Steuerakten des Jahres
2002 beizuziehen haben. Da das kantonale Gericht das rechtliche Gehör der
Parteien zu wahren haben wird, erübrigen sich im vorliegenden Verfahren
Ausführungen zur von der Allianz gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs
durch die Vorinstanz und zum Vergleichsvorschlag der Beschwerdegegnerin.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der obsiegenden Beschwerdeführerin
wird keine Parteientschädigung zugesprochen, da sie als Unfallversichererin
eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne von Art. 159 Abs. 2 OG wahrnimmt
und die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zusprechung einer Entschädigung
nicht gegeben sind (BGE 128 V 133 Erw. 5b, 123 V 309 Erw. 10, je mit
Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
angefochtene Entscheid vom 29. April 2004 aufgehoben und die Sache an das
Verwaltungsgericht des Kantons Zug zurückgewiesen wird, damit es über die
Beschwerde im Sinne der Erwägungen neu entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG)
zugestellt.

Luzern, 13. Oktober 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: