Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 204/2004
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U 204/04

Urteil vom 25. April 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin Kopp
Käch

M.________, 1950, Beschwerdeführer, vertreten
durch lic. iur. Gojko Reljic, Rechtsberatung für Aus-
länder, Quaderstrasse 18/2, 7000 Chur,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur

(Entscheid vom 22. April 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1950 geborene M.________ begann 1974 bei der P.________ AG  als
Saisonnier zu arbeiten und war bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen und
Berufskrankheiten versichert. Am 11. Juni 1974 hatte M.________ einen
Arbeitsunfall, anlässlich welchem er gemäss Austrittsbericht des Spitals
C.________ vom 5. Juli 1974 eine Commotio cerebri leichten Grades, eine
Verletzung der sensiblen Fasern des Nervus trigeminus links bei fraglicher
Schädelbasisfraktur sowie eine Zahnverletzung erlitt. Mitte November 1974
nahm der Versicherte die Arbeit wieder auf. Einen Monat später kehrte er nach
Serbien zurück.

Am 28. Dezember 2001 liess M.________ der SUVA mitteilen, er befinde sich als
Folge des Unfalls von 1974 in ständiger spezialärztlicher Behandlung in
seinem Heimatland. Er liess unter Beibringung diverser Kopien
spezialärztlicher Berichte aus Serbien eine multidisziplinäre Abklärung in
der Schweiz und die Erbringung von Versicherungsleistungen durch die SUVA
beantragen. Nach Abklärungen am damaligen Arbeitsplatz des Versicherten, im
Spital C.________ sowie im Diagnostischen Zentrum in Belgrad und nach Beizug
einer ärztlichen Beurteilung des Kreisarztes Dr. med. R.________ vom 26. Mai
2003, wies die SUVA das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 28. Mai 2003 ab.
An ihrem Standpunkt hielt sie nach Einholung einer ärztlichen Beurteilung
durch Dr. med. S.________ mit Einspracheentscheid vom 25. November 2003 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher M.________ die Zusprechung einer
Rente sowie einer Integritätsentschädigung oder die erneute Abklärung der
Sache beantragen liess, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
mit Entscheid vom 22. April 2004 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ die im vorinstanzlichen
Verfahren gestellten Rechtsbegehren erneuern.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im vorinstanzlichen Entscheid wird zutreffend dargelegt, dass sich die
Leistungspflicht des Unfallversicherers (Art. 6 Abs. 1 UVG) auch auf
Rückfälle und Spätfolgen eines Unfalles erstreckt (Art. 11 UVV), sofern die
erneut geltend gemachten Beschwerden - nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 181 Erw. 3.1, 119 V 338 Erw. 1, 118 V 289 Erw.
1b, je mit Hinweisen) - in einem natürlichen (BGE 129 V 181 Erw. 3.1, 406
Erw. 4.3.1, 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und
adäquaten (BGE 129 V 181 Erw. 3.2, 405 Erw. 2.2, 125 V 461 Erw. 5a mit
Hinweisen) Kausalzusammenhang zum seinerzeit durch den versicherten Unfall
erlittenen Gesundheitsschaden stehen (BGE 118 V 296 Erw. 2c mit Hinweisen).
Richtig wiedergegeben sind auch die zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung
ärztlicher Berichte und Gutachten entwickelten Grundsätze (BGE 125 V 352 Erw.
3a mit Hinweis). Darauf kann verwiesen werden. Zu ergänzen ist, dass je
grösser der zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und dem Auftreten der
gesundheitlichen Beeinträchtigung ist, desto strengere Anforderungen an den
Wahrscheinlichkeitsbeweis des natürlichen Kausalzusammenhanges zu stellen
sind (RKUV 1997 Nr. U 275 S. 191 Erw. 1c in fine).

Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) hat am
unfallversicherungsrechtlichen Begriff des natürlichen Kausalzusammenhangs
und dessen Bedeutung als eine Voraussetzung für die Leistungspflicht nach UVG
nichts geändert (Urteil S. vom 23. Dezember 2004, U 210/04, Erw. 2; Ueli
Kieser, ATSG-Kommentar, Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil
des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000, Zürich 2003, Rz 20 zu Art.
4). Für die Frage des intertemporal anwendbaren Rechts ist somit nicht von
Belang, dass der Einspracheentscheid am 25. November 2003, nach
In-Kraft-Treten des ATSG, erlassen wurde (vgl. BGE 130 V 446 Erw. 1 mit
Hinweis auf BGE 130 V 329).

2.
2.1 Das kantonale Gericht ist in sorgfältiger und einlässlicher Würdigung der
(noch vorhandenen) medizinischen Unterlagen zum Schluss gelangt, dass die
heutigen Beschwerden des Versicherten nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad
der überwiegenden Wahrscheinlichkeit in einem natürlichen Kausalzusammenhang
zum Unfall vom 11. Juni 1974 stehen. Diesen überzeugenden Erwägungen ist
vollumfänglich beizupflichten. Soweit die vom Beschwerdeführer eingereichten
Unterlagen serbischer Ärzte überhaupt auf den Arbeitsunfall von 1974 Bezug
nehmen, beschränken sie sich auf die Feststellung, den Beschwerden sei ein
Unfall vorausgegangen, oder auf die Bemerkung, die beim Arbeitsunfall
erlittenen Verletzungen hätten zur Entwicklung der Krankheit beigetragen. Die
am 2. Mai 2003 auf Veranlassung der SUVA im diagnostischen Zentrum HRAM
Belgrad durchgeführte Magnetresonanz-Computertomographie-Konsultation wurde
am 26. Mai 2003 durch Kreisarzt Dr. med. R.________ ärztlich beurteilt. Der
Facharzt führte aus, die Untersuchung der Lumbal-WS habe geringgradige,
mehrsegmentale Diskopathiebefunde mit dem entsprechenden dorso-medialen
Diskusherniennachweis ergeben. Ausserdem bestünden
Spondylarthroseveränderungen in den entsprechenden WK-Abschnitten. Die
radiologische Beurteilung ergebe gesamthaft die Befunde einer
Polydiskopathie. Ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen den aktuell
erhobenen Befunden im Bereich der WS und den Verletzungen vom 11. Juni 1974
bestehe nicht. Auch Dr. med. S.________, der am 5. September 2003 gestützt
auf die Akten und Röntgenbilder eine ärztliche Beurteilung vornahm, legte
dar, dass ein Kausalzusammenhang der geltend gemachten diffusen Beschwerden
mit der leichten Commotio vom 11. Juni 1974 sowohl neurologisch als auch
orthopädisch unwahrscheinlich sei. An der Wirbelsäule zeigten sich nur
altersentsprechende Veränderungen. Ein echtes POS im Sinne eines
hirnorganischen Schadens sei unwahrscheinlich; dafür habe es schon im
Grundfall keine Anhaltspunkte gegeben. Auch die Visus-Störungen, die
Verminderung des Gehörs und die Enuresis nocturna hätten selbstverständlich
nichts mit dem Unfall von 1974 zu tun. Da demzufolge - wie die Vorinstanz
zutreffend dargelegt hat - ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen dem
Arbeitsunfall und den aktuellen Beschwerden nicht rechtsgenüglich
nachgewiesen ist und der Versicherte die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen
hat, ist eine Leistungspflicht der SUVA zu Recht verneint worden.

2.2 Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen, teilweise bereits im
kantonalen Verfahren vorgebrachten Einwendungen ändern an diesem Ergebnis
nichts. Für weitere medizinische Abklärungen seitens der SUVA bestand vor der
Ausreise des Versicherten Ende 1974 kein Anlass, nahm er doch Mitte November
1974 die Arbeit wieder vollumfänglich auf und ergaben damalige Untersuchungen
keine objektivierbaren Befunde. Nach der Untersuchung im diagnostischen
Zentrum HRAM Belgrad am 2. Mai 2003 und der schlüssigen Beurteilung des
Ergebnisses durch zwei Fachärzte sind von weiteren medizinischen Abklärungen
heute keine neuen Erkenntnisse zu erwarten, weshalb zu Recht davon abgesehen
wurde.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 25. April 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: