Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 198/2004
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U 198/04

Urteil vom 29. März 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Attinger

C.________, 1971, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
Domenico Acocella, Herren-gasse 3, 6430 Schwyz,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur

(Entscheid vom 26. März 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 17. April 1998 wies das Eidgenössische Versicherungsgericht
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der 1971 geborenen C.________ gegen den
(die Leistungseinstellung der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
[SUVA] auf Ende Oktober 1994 bestätigenden) Entscheid des Verwaltungsgerichts
des Kantons Graubünden vom 21. August 1997 ab. Während die verbliebene
Beeinträchtigung des rechten Fusses im angestammten Beruf als Kassierin zu
keiner Einschränkung der Arbeitsfähigkeit führe, fehle es hinsichtlich der
allfälligen psychischen Problematik (subjektive Schmerzfehlverarbeitung)
bereits am adäquaten Kausalzusammenhang mit dem am 29. September 1992
erlittenen Autounfall. Mit Verfügung vom 18. April 2001 und
Einspracheentscheid vom 22. November 2001 sprach die SUVA der Versicherten ab
1. April 2001 eine Invalidenrente von 331/3 % sowie eine
Integritätsentschädigung von (insgesamt) 15 % zu. Diese
Leistungsfestsetzungen erwuchsen in der Folge unangefochten in (formelle)
Rechtskraft. Mit Verfügung vom 11. September 2002, bestätigt mit
Einspracheentscheid vom 17. Juli 2003, verneinte die SUVA sowohl eine
wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse als auch die
Voraussetzungen für einen Rückkommensanspruch von C.________.

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wies die gegen den
Einspracheentscheid vom 17. Juli 2003 erhobene Beschwerde mit Entscheid vom
26. März 2004 ab.

C.
C.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den (sinngemässen)
Anträgen auf Zusprechung einer höheren Invalidenrente und einer höheren
Integritätsentschädigung sowie auf Ersatz der Behandlungskosten. Ferner seien
eine Revision und weitere Abklärungen zur Ermittlung der Spätfolgen
durchzuführen.

Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Verwaltung und Vorinstanz haben die hier massgebenden gesetzlichen
Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die
Revision von Invalidenrente und Integritätsentschädigung (Art. 22 Abs. 1 UVG
[in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung]; Art. 17 Abs. 1 ATSG [in
Kraft seit 1. Januar 2003]; BGE 130 V 350 Erw. 3.5.2, 125 V 369 Erw. 2 mit
Hinweis; siehe auch BGE 112 V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b; RKUV 1995 Nr. U
228 S. 193 Erw. 3a, 1991 Nr. U 132 S. 308 Erw. 4b) sowie die prozessuale
Revision formell rechtskräftiger Verfügungen und Einspracheentscheide (Art.
53 Abs. 1 ATSG [in Kraft seit 1. Januar 2003]; BGE 127 V 469 Erw. 2c mit
Hinweisen) richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

2.
Das Begehren um (materielle) Revision der mit Verfügung vom 18. April 2001
und Einspracheentscheid vom 22. November 2001 zugesprochenen 331/3%igen
Invalidenrente und (insgesamt) 15%igen Integritätsentschädigung wird in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Hinweis auf die ärztlichen Stellungnahmen
der Psychiater und Psychotherapeuten Dr. R.________ vom 5. Juli 2001 sowie
Dr. H.________ vom 14. März 2002 und 6. Januar 2003 u.a. mit "einer
Verschlimmerung in psychischer Hinsicht" begründet. Vom Eintritt eines
medizinischen Revisionsgrundes, d.h. von einer wesentlichen Verschlechterung
der gesundheitlichen Verhältnisse im hier relevanten Zeitraum zwischen der
ursprünglichen Leistungszusprechung (18. April/22. November 2001) und dem
ablehnenden Revisionsentscheid (Einspracheentscheid vom 17. Juli 2003) kann
jedoch keine Rede sein: Was die somatischen Beschwerden im Bereich des
rechten oberen Sprunggelenks anbelangt, sind unbestrittenermassen keine
Veränderungen zu verzeichnen (vgl. die beiden kreisärztlichen SUVA-Berichte
vom 20. Juni 2000 und 4. September 2002). Mit Bezug auf die psychische
Beeinträchtigung (Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ [Dr. R.________];
[gemäss Dr. H.________ zusätzlich:] posttraumatische Belastungsstörung,
Depression, Angststörungen) kann für den genannten Vergleichszeitraum
ebenfalls keine wesentliche Verschlimmerung angenommen werden, bestand doch
die darauf zurückzuführende vollständige Arbeits- und
Eingliederungsunfähigkeit gemäss den Angaben des damals behandelnden
Psychotherapeuten Dr. R.________ in seinem am 5. Juli 2001 zuhanden der
Invalidenversicherung erstatteten Gutachten bereits "seit mindestens einem
Jahr (vermutlich aber schon länger"; eine erste Konsultation wegen
Platzängsten, Angstträumen und Anhedonie fand bereits im März 1994 statt).
Die IV-Stelle des Kantons Graubünden sprach der Versicherten denn auch wegen
ihres psychischen Leidens mit Wirkung ab 1. November 2000 (d.h. nach Ablauf
der einjährigen Wartezeit mit vollständiger Leistungseinbusse) eine ganze
Invalidenrente zu. Fehlt es somit an einem nach der seinerzeitigen
Leistungszusprechung eingetretenen Revisionsgrund, erübrigen sich die
vorinstanzlichen Erwägungen zu den speziellen Revisionstatbeständen Rückfall
und Spätfolgen. Dasselbe gilt hinsichtlich der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragten "weiteren Abklärungen (...), um die
Spätfolgen zu ermitteln".

3.
Was die prozessuale Revision betrifft, ist ein solches Zurückkommen auf eine
formell rechtskräftige Verfügung oder einen Einspracheentscheid auf Begehren
der versicherten Person ausgeschlossen, wenn diese die vorgebrachten
Revisionsgründe bereits im Verwaltungsverfahren oder im Rahmen einer
Beschwerde gegen den Einspracheentscheid hätte geltend machen können (Art. 53
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 55 Abs. 1 ATSG und Art. 66 Abs. 3 VwVG; Kieser,
ATSG-Kommentar, je Rz 9 zu Art. 53 und Art. 55; Urteil B. vom 18. September
2002, I 183/02; vgl. auch BGE 126 V 312 Erw. 2b, 122 V 273 Erw. 4, 108 V 168
Erw. 2b). Der Beschwerdeführerin und ihrem Rechtsvertreter war gemäss
Aktenlage spätestens nach Erhalt des Vorbescheids der IV-Stelle vom 9. August
2001 bekannt, dass diese der Versicherten gestützt auf das psychiatrische
Gutachten des Dr. R.________ vom 5. Juli 2001 wegen vollständiger
erwerblicher Leistungseinbusse ab 1. November 2000 eine ganze Invalidenrente
zusprechen würde. Einer Geltendmachung dieses nunmehr als Revisionsgrund
vorgebrachten Umstandes noch während des gegen die ursprüngliche
Leistungszusprechung der SUVA angestrengten Einspracheverfahrens stand mithin
nichts im Wege. Auch die Tatsache, dass der später behandelnde Psychiater Dr.
H.________ das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung vermutete
(Schreiben an den Rechtsvertreter vom 14. März 2002) bzw. einen dahingehenden
"dringenden Verdacht" äusserte (Stellungnahme vom 6. Januar 2003), stellt
höchstens eine vom Gutachten Dr. R.________s abweichende Beurteilung
desselben Gesundheitsschadens dar und vermag keine prozessuale Revision zu
begründen (vgl. BGE 127 V 358 Erw. 5b mit Hinweisen).

4.
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist indessen im hier zu
beurteilenden Fall entscheidend, dass das Eidgenössische Versicherungsgericht
mit dem eingangs erwähnten Urteil vom 17. April 1998 (in Bestätigung des
vorinstanzlichen Entscheids vom 21. August 1997 bzw. des Einspracheentscheids
der SUVA vom 24. Februar 1997) den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem
versicherten Unfall vom 29. September 1992 und den in der Folge aufgetretenen
und weiterhin andauernden (laut dem früher behandelnden Psychiater Dr.
R.________ mit der Persönlichkeitsstörung im Zusammenhang stehenden)
schlechten Bewältigung der somatischen Unfallresiduen letztinstanzlich
verneint hat. Diese rechtskräftige Verneinung der adäquaten Kausalität führt
rechtsprechungsgemäss - unbesehen der jeweils in Frage stehenden Leistungsart
- zur Ablehnung sämtlicher aktueller und künftiger Leistungsbegehren auf
Grund desselben Unfallereignisses und der beurteilten, hier nach wie vor
bestehenden psychogenen Störung (Urteil H. vom 22. Oktober 2003, U 210/00).
Objektive Umstände, welche diesbezüglich allenfalls eine andere Beurteilung
gebieten würden (angeführtes Urteil im Fall U 210/00 mit Hinweisen auf
unveröffentlichtes Urteil M. vom 4. November 1994, U 66/94, und
Murer/Kind/Binder, Kriterien zur Beurteilung des adäquaten
Kausalzusammenhanges bei erlebnisreaktiven [psychogenen] Störungen nach
Unfällen, in: SZS 1993 S. 121 ff. und 213 ff., S. 148) haben sich seit der -
letztlich rechtskräftigen - Verneinung der Adäquanz durch den
Einspracheentscheid der SUVA vom 24. Februar 1997 keine verwirklicht. Die
inzwischen aufgetretene Arthrose im rechten oberen Sprunggelenk, welche zu
einer 331/3%igen Invalidenrente und einer Erhöhung der
Integritätsentschädigung um 10 % geführt hat, kann jedenfalls von vornherein
nicht als derart erhebliche Änderung der somatischen Unfallfolgen gewertet
werden, dass sich die Frage nach einem ausnahmsweisen nachträglichen Abgehen
von der seinerzeitigen Adäquanzbeurteilung stellen würde. Entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin ändert an dieser Betrachtungsweise nichts,
dass das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil vom 17. April 1998 -
anders als im hier angefochtenen vorinstanzlichen Entscheid dargelegt -
keine, somit auch keine verbindlichen Feststellungen über den natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der in der Folge
aufgetretenen psychischen Störung getroffen hat.

5.
Soweit in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde Leistungen des Unfallversicherers
("Ersatz der  Behandlungskosten") im Zusammenhang mit "Komplikation in
neurologischer (...) Hinsicht" verlangt werden, übersieht die Versicherte,
dass der am 22. November 2001 erlittene Grand-mal-Anfall gemäss ärztlicher
Stellungnahme des Neurologen Dr A.________ vom 7. Dezember 2001 durch die
Einnahme von Medikamenten gegen die psychogene Beeinträchtigung und nicht
gegen die Fussgelenksbeschwerden ausgelöst wurde. Im Hinblick auf vorstehende
Erw. 4 fällt somit eine Leistungspflicht der SUVA ausser Betracht.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 29. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: