Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 165/2004
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U 165/04

Urteil vom 19. Juli 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiberin Keel Baumann

Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft, Bundesgasse 35, 3011 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

T.________, 1955, Beschwerdegegnerin, vertreten durch  W.________, dipl.
Treuhandexperte

Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz

(Entscheid vom 7. April 2004)

Sachverhalt:

A.
Die 1955 geborene T.________ arbeitete unregelmässig als Schneiderin im
Schneideratelier ihres Ehemannes K.________ und war bei der Schweizerischen
Mobiliar unfallversichert. Mit Unfallmeldung vom 6. September 2002
informierte der Arbeitgeber die Schweizerische Mobiliar darüber, dass
T.________ am 28. Juli 2002 mit dem Fahrrad gestürzt sei und sich dabei eine
Lendenwirbelfraktur zugezogen habe.

Die Schweizerische Mobiliar lehnte eine Leistungspflicht ab mit der
Begründung, beim Vorfall vom 28. Juli 2002, welcher sich nachweislich nicht
auf dem Arbeitsweg ereignet hatte, handle es sich um einen Nichtberufsunfall,
für welchen T.________, da sie durchschnittlich weniger als acht Stunden pro
Woche arbeite, nicht versichert sei (Verfügung vom 3. Dezember 2002). Daran
hielt sie auf Einsprache der Versicherten hin fest (Entscheid vom 18.
November 2003).

B.
T.________ liess hiegegen Beschwerde erheben und sinngemäss die Ausrichtung
von Versicherungsleistungen beantragen. Mit Entscheid vom 7. April 2004 hiess
das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz die Beschwerde teilweise gut, hob
den Einspracheentscheid auf und wies die Sache im Sinne der Erwägungen zur
ergänzenden Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurück.

C.
Die Schweizerische Mobiliar führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag auf Aufhebung des kantonalen Entscheides.

T. ________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.
Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Stellungnahme.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt,
sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen
Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der
Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG).

2.
2.1 Gemäss Art. 8 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 UVG und Art. 13
UVV sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht gegen Nichtberufsunfälle
versichert, sofern ihre wöchentliche Arbeitszeit bei einem Arbeitgeber nicht
mindestens acht Stunden (bis 31. Dezember 1999: 12 Stunden) beträgt. Für
Teilzeitbeschäftigte, welche diese Mindestdauer nicht erreichen, gelten auch
Unfälle auf dem Arbeitsweg als Berufsunfälle (Art. 7 Abs. 2 UVG in Verbindung
mit Art. 13 UVV).

Wie das Arbeitspensum von Teilzeitbeschäftigten, die unregelmässig arbeiten,
zu bemessen ist, musste das Eidgenössische Versicherungsgericht bisher nicht
entscheiden. In Frage kommen nach Rechtsprechung und Lehre eine wochenweise
Betrachtung sowie die alternative Durchschnittsmethode. Bei ersterer sind
Teilzeitbeschäftigte jede einzelne Woche, in der sie mindestens acht Stunden
(bis 31. Dezember 1999: 12 Stunden) arbeiten, für Nichtberufsunfälle
versichert und begründen in den übrigen Wochen keine
Nichtberufsunfallversicherung. Bei letzterer ist für Nichtberufsunfälle
versichert, wer entweder über den Zeitraum von drei Monaten im Durchschnitt
aller Wochen, in denen er überhaupt gearbeitet hat, mindestens acht Stunden
(bis 31. Dezember 1999: 12 Stunden) beschäftigt war, oder in der Mehrzahl
aller Wochen, in denen gearbeitet wurde, ein Wochenpensum von mindestens acht
Stunden (bis 31. Dezember 1999: 12 Stunden) erreicht hat (BGE 126 V 355 Erw.
3 mit Hinweisen). Welche Methode den Vorzug verdient, kann auch vorliegend
offen bleiben, weil die Versicherungsdeckung - wie nachfolgend dargelegt
(Erw. 4) - in beiden Fällen zu verneinen ist.

2.2 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten, mit
welchem auch zahlreiche Bestimmungen im Bereich der obligatorischen
Unfallversicherung eine Änderung erfahren haben. Weil in zeitlicher Hinsicht
grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung
des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes (in casu: Unfall vom 28. Juli
2002) gelten, finden die neuen Bestimmungen im vorliegenden Fall keine
Anwendung (BGE 130 V 259 Erw. 3.5, 333 Erw. 2.3, 425 Erw. 1.1, 447 Erw.
1.2.1, je mit Hinweisen).

3.
In den Akten finden sich widersprüchliche Angaben zur von der
Beschwerdegegnerin effektiv geleisteten Arbeitszeit, auf welche für die
Beurteilung der Frage nach dem Erreichen des vorliegend massgebenden Minimums
von acht Stunden pro Woche abzustellen ist (SVR 1998 UV Nr. 19 S. 73 Erw. 4;
Urteile I. vom 15. Juli 2003, U 366/01, Erw. 5.1, und S. vom 31. August 2001,
U 166/01, Erw. 2b). Ein schriftlicher Arbeitsvertrag, aus welchem sich
entsprechende Anhaltspunkte ergeben könnten, liegt nicht vor. Ebenso wenig
wurden Stundenrapporte geführt oder Lohnabrechnungen erstellt. Der
Unfallmeldung vom 6. September 2002 lässt sich entnehmen, dass der letzte
Arbeitstag vor dem Unfall der 19. Juli 2002 war und die Beschwerdegegnerin
somit in der Woche vor dem Unfall nicht gearbeitet hat. Des Weitern wurde in
der Unfallmeldung ein Grundlohn (brutto) von Fr. 5000.- pro Jahr angegeben,
was bei einem Stundenansatz von Fr. 20.- und unter Berücksichtigung von vier
Wochen Ferien einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von etwas
mehr als fünf Stunden entspricht. Diese Angabe eines Jahreslohnes von Fr.
5000.- stimmt mit dem für die Steuererklärung erstellten Lohnausweis für das
vorangehende Jahr (2001) vom 2. März 2002 überein und deckt sich auch mit dem
der Ausgleichskasse Schwyz am 14. Mai 2002 unter Bezugnahme auf den
definitiven Jahresabschluss 2001 gemeldeten Lohn für das Jahr 2001. Wie sich
den Akten entnehmen lässt, erhob die Ausgleichskasse indessen für die Jahre
2001 und 2002 schliesslich auf einem Lohn von je Fr. 23'000.- Beiträge, dies
nachdem der Treuhänder des K.________ die Ausgleichskasse Schwyz am 13.
Dezember 2002 darüber informiert hatte, dass für das Jahr 2001 irrtümlich (am
14. Mai 2002) ein Lohn von Fr. 5000.- statt Fr. 23'000.- gemeldet worden sei
und auch der im Jahr 2002 erzielte Lohn Fr. 23'000.- betrage (vgl. auch
Lohnbescheinigung 2002 vom 10. Januar 2003), was einem Wochenpensum von rund
24 Stunden entspricht. Diese Lohnsumme von Fr. 23'000.- per 31. Dezember 2001
findet sich auch auf dem im kantonalen Verfahren eingereichten Kontoblatt aus
der Buchhaltung des Schneiderateliers. Gegenüber dem Aussendienstmitarbeiter
der Mobiliar wurde schliesslich anlässlich einer Besprechung vom 30. Juli
2003 erklärt, dass die Versicherte seit Dezember 2001 ca. zu 50 % arbeite, da
die frühere Mitarbeiterin wegen der Kinder die Stelle aufgegeben habe und
K.________ nicht in der Lage gewesen sei, das ganze Arbeitspensum alleine zu
übernehmen (Besucherbericht vom 31. Juli 2003).

4.
4.1 Da die Versicherte - wie feststeht und unbestritten ist - in der Woche vor
dem Unfallereignis nicht arbeitete (letzter Arbeitstag gemäss Unfallmeldung:
19. Juli 2002), wäre die für den Versicherungsschutz für Nichtberufsunfälle
erforderliche Mindestarbeitszeit bei Anwendung der wochenweisen
Bemessungsmethode offensichtlich nicht erfüllt, wie im angefochtenen
Entscheid zutreffend festgehalten wird.

Was die alternative Durchschnittsmethode anbelangt, sind nach Auffassung der
Vorinstanz weitere Abklärungen erforderlich. Sie begründete dies damit, dass
nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Versicherte als Ehefrau des
Arbeitgebers in der fraglichen Zeitperiode tatsächlich während mehr als acht
Wochenstunden gearbeitet habe und deshalb in Beweisschwierigkeiten geraten
sei, weil ihr Ehemann bzw. der Arbeitgeber es versäumt habe, rechtzeitig eine
ordnungsgemässe und vor allem in zeitlicher Hinsicht nachvollziehbare
Lohnausscheidung vorzunehmen. Im Weitern wäre es nach dem angefochtenen
Entscheid angezeigt gewesen, den im Bericht des Aussendienstmitarbeiters der
Mobiliar vom 31. Juli 2003 festgehaltenen Sachverhalt (Arbeitspensum von 50 %
ab Dezember 2001) zu überprüfen und insbesondere abzuklären, bis wann und in
welchem zeitlichen Ausmass die vormalige Mitarbeiterin gearbeitet hat und ob
der gesamte Arbeitsaufwand des Schneiderateliers nach dem Ausscheiden der
Mitarbeiterin in etwa gleich gross geblieben ist bzw. inwieweit diesbezüglich
Veränderungen eingetreten sind.

Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, dass sich diese Abklärungen
erübrigten und der Versicherungsschutz für den von der Beschwerdegegnerin
erlittenen Nichtberufsunfall zu verneinen sei.

4.2 Dieser in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung ist
beizupflichten. Entsprechend dem Grundsatz, dass bei sich widersprechenden
Angaben der versicherten Person den "Aussagen der ersten Stunde" vorrangige
Beweiskraft zukommt (BGE 121 V 47 Erw. 2a mit Hinweisen), weil diese in der
Regel unbefangener und zuverlässiger sind als spätere Darstellungen, die
bewusst oder unbewusst von nachträglichen Überlegungen
versicherungsrechtlicher oder anderer Art beeinflusst sein können, kommt der
in der Unfallmeldung gemachten Angabe eines Lohnes von Fr. 5000.-, was einer
unter acht Wochenstunden liegenden durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht,
grösseres Gewicht zu als den nach Kenntnis der Ablehnungsverfügung vom 3.
Dezember 2002 erfolgten, auf eine deutlich über acht Wochenstunden liegende
durchschnittliche Arbeitszeit hindeutenden Darstellungen (Lohn von Fr.
23'000.-). Hinzu kommt, dass die nach Verfügungseröffnung gemachten Angaben
mit zahlreichen Widersprüchen behaftet sind: T.________ und K.________ hatten
gegenüber dem Aussendienstmitarbeiter der Mobiliar anlässlich der Besprechung
vom 30. Juli 2003 angegeben, dass T.________ 1999 bis 2000 nicht und seit
Dezember 2001 - nach Ausscheiden der bis dahin beschäftigten Mitarbeiterin -
50 % gearbeitet habe. Mit dieser Darstellung lassen sich die der Mobiliar für
die obligatorische Unfallversicherung jeweils Ende Jahr gemeldete "Lohnsumme
Frauen" von 1999 Fr. 3979.-, 2000 Fr. 4125.-, 2001 Fr. 300.-, 2002 Fr.
23'000.- und 2003 Fr. 8000.- nicht vereinbaren (ganz abgesehen davon, dass
auch ein Widerspruch zu der der Ausgleichskasse im Dezember 2002 für das Jahr
2001 mitgeteilten Korrektur des Lohnes von Fr. 5000.- [gemäss Lohnausweis vom
2. März 2002] auf Fr. 23'000.- besteht). Im Weitern fällt auf, dass der der
Mobiliar am 27. Dezember 2002 für das Jahr 2002 angegebene Lohn von Fr.
23'000.- ein Mehrfaches des in den vorangehenden (1999-2001) und im
nachfolgenden Jahr (2003) für die Beschwerdegegnerin bzw. deren Vorgängerin
deklarierten Lohnes beträgt, während sich der in der Unfallmeldung für das
Jahr 2002 angegebene Lohn von Fr. 5000.- im Rahmen der ab 1999 deklarierten
jährlichen Lohnsummen hielte und namentlich auch nicht völlig aus dem Rahmen
der von K.________ bei Abschluss der Versicherung im Jahre 1999 angegebenen
provisorischen Lohnsumme von Fr. 6000.- (welche praxisgemäss jeweils Ende
Jahr an den effektiv ausbezahlten  Lohn angepasst wurde) fiele. Dass der von
der Beschwerdegegnerin erzielte Lohn bzw. die von ihr geleistete Arbeitszeit
in etwa dem Gehalt  bzw. dem zeitlichen Einsatz der Vorgängerin, für welche
die Beschwerdegegnerin nach ihren eigenen Angaben sowie denjenigen des
Ehemannes und des Treuhänders offensichtlich eingesprungen war, entsprechen
sollte, ergibt sich aus dem Besucherbericht vom 31. Juli 2003, gemäss welchem
die Beschwerdegegnerin beschäftigt wurde, weil K.________ nach Ausscheiden
der früheren Mitarbeiterin nicht "das ganze Pensum" habe bewältigen können.
Hinzu kommt, dass jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen und auch nicht geltend
gemacht wurde, dass das Auftragsvolumen im Unfalljahr 2002 derart zugenommen
hatte, dass dies den in diesem Jahr gemäss den nachträglich gemachten Angaben
förmlich in die Höhe geschnellten Lohn der Beschwerdegegnerin zu erklären
vermöchte. Bei dieser Sachlage ist nicht zu beanstanden, dass die Mobiliar
auf weitere Abklärungen verzichtet hat, da von diesen keine neuen
Erkenntnisse zu erwarten waren (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 94
Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweis; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 4b mit
Hinweisen), und auf den ursprünglich geltend gemachten Lohn von Fr. 5000.-
abgestellt hat, welcher einer unter acht Wochenstunden liegenden
durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht und damit zur Verneinung des
Versicherungsschutzes für den von der Beschwerdegegnerin erlittenen
Nichtberufsunfall führt.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 7. April 2004 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 19. Juli 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: