Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 157/2004
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U 157/04

Urteil vom 8. November 2004
III. Kammer

Bundesrichter Rüedi, Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Lanz

J.________, 1967, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans
Suppiger, Seidenhofstrasse 12, 6003 Luzern,

gegen

SWICA Versicherungen AG, Römerstrasse 38, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 7. April 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1967 geborene J.________ ist als Serviceangestellter tätig und über seine
Arbeitgeberin bei der SWICA Versicherungen AG (nachfolgend: SWICA)
obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen
versichert. Am 6. Juni 2001 wurde er im Rahmen einer Razzia von der Polizei
festgenommen, was sich im Nachhinein als ungerechtfertigt herausstellte.
Gegenüber dem am 8. Juni 2001 aufgesuchten Hausarzt klagte J.________ über
Schmerzen unter anderem im Unterbauch als Folge von Gewalteinwirkung bei der
Verhaftungsaktion. Auf Veranlassung des Untersuchungsrichteramtes wurde der
Versicherte am 25. September 2001 durch den Amtsarzt abgeklärt. Am 30. April
2002 meldete J.________ der SWICA einen rechtsseitigen Leistenbruch, welcher
auf das Ereignis vom 6. Juni 2001 zurückzuführen sei. Die Hernie wurde am 1.
Mai 2002 am Spital X.________ operativ versorgt, und es folgte eine
mehrwöchige Arbeitsunfähigkeit. Nachdem J.________ die Übernahme der
Heilbehandlung durch den Unfallversicherer verlangt hatte, verneinte dieser
eine Leistungspflicht mit der Begründung, der gemeldete Gesundheitsschaden
sei nicht traumatisch bedingt (Verfügung vom 14. August 2002). Daran hielt
die SWICA auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 6. Januar 2003).

B.
Die von J.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Luzern mit Entscheid vom 7. April 2004 ab.

C.
J.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
es sei in Aufhebung des kantonalen Entscheides  festzustellen, dass die
Behandlung der Leistenhernie aufgrund des Unfalls vom 6. Juni 2001 notwendig
geworden sei, und die SWICA zu verpflichten, hiefür die vertraglichen (recte
wohl: gesetzlichen) Leistungen zu erbringen.

Die SWICA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ohne
sich weiter zur Sache zu äussern. Das Bundesamt für Gesundheit hat sich nicht
vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig ist die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers im
Zusammenhang mit der Leistenbruch-Operation vom 1. Mai 2002 und dabei die
Frage, ob dem Ereignis vom 6. Juni 2001 eine kausale Bedeutung für das mit
dem Eingriff behandelte Leiden zukommt.

2.
Da in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend
sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes
Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), ist das am 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil der Sozialversicherung vom
6. Oktober 2000 (ATSG) nicht anwendbar. Daran ändert nichts, dass der
Einspracheentscheid der SWICA - der an die Stelle der Verfügung tritt (BGE
119 V 350 Erw. 1b mit Hinweisen) - erst im Januar 2003 ergangen ist.

Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Bestimmung über den Anspruch auf
Leistungen der Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) sowie die Grundsätze
über den für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen
Schaden (Krankheit; Invalidität; Tod; BGE 129 V 181 Erw. 3.1 mit Hinweisen),
wobei eine Teilursächlichkeit genügt (BGE 121 V 329 Erw. 2a), den zu
beachtenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 181
Erw. 3.1 mit Hinweisen) und den neben dem natürlichen weiter erforderlichen
adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 129 V 181 Erw. 3.2 mit Hinweisen) richtig
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Die Vorinstanz erachtet eine ursächliche Bedeutung des Vorfalles vom 6.
Juni 2001 für das operativ angegangene Leiden als nicht überwiegend
wahrscheinlich und verneint deswegen eine Leistungspflicht des
Unfallversicherers. Diese Beurteilung beruht auf einer sorgfältigen Würdigung
der im angefochtenen Entscheid einlässlich dargelegten medizinischen Akten
und ist nicht zu beanstanden. Hervorzuheben ist, dass gemäss Bericht des
Amtsarztes vom 13. Oktober 2001 im Zeitpunkt der Untersuchung vom 25.
September 2001 klinisch kein Leistenbruch vorhanden war. Sodann bezeichneten
die Ärzte, welche den Eingriff vom 1. Mai 2002 durchführten, aufgrund des
Erscheinungsbildes der Hernie eine traumatische Genese als eher fraglich
(Operationsbericht vom 4. Juni 2002).

3.2 Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgetragen wird, führt zu
keinem anderen Ergebnis.

3.2.1 Soweit geltend gemacht wird, der Versicherte sei bis zum Ereignis vom
6. Juni 2001 beschwerdefrei gewesen, ist festzuhalten, dass eine
gesundheitliche Schädigung nicht schon deshalb als durch den Unfall
verursacht gilt, weil sie nach diesem aufgetreten ist (BGE 119 V 342 Erw.
2b/bb; RKUV 2003 Nr. U 489 S. 359).

3.2.2 Der Beschwerdeführer beruft sich zur Stützung seines Standpunktes
sodann auf seinen Hausarzt. Dessen Aussagen bieten aber, abgesehen davon,
dass Stellungnahmen von Hausärzten aufgrund deren auftragsrechtlichen
Vertrauensstellung zum Patienten ohnehin zurückhaltend zu gewichten sind (BGE
125 V 353 Erw. 3b/cc), auch inhaltlich keinen Anlass für eine von der
vorinstanzlichen abweichende Betrachtungsweise: Der Hausarzt konnte bei der
Befunderhebung vom 8. Juni 2001 keine Hernie feststellen (Bericht vom 11.
Juni 2001). Später äusserte er sich zunächst dahingehend, es habe eventuell
eine asymptomatische Leistenhernie vorbestanden (Arztzeugnis vom 19. Mai
2002), um in der Folge auszuführen, die physische Einwirkung bei der
Verhaftungsaktion vom 6. Juni 2001 habe zu einer Intensivierung von
Beschwerden aus einem vorbestandenen Leistenbruch geführt (Stellungnahmen vom
12. August 2002 und 20. Mai 2003). Diese Aussagen relativierte der Arzt in
den letztinstanzlich aufgelegten Stellungnahmen vom 22. April und 6. Mai 2004
wiederum deutlich. Er bestätigte zum einen, dass er bei der Untersuchung vom
8. Juni 2001 keine Hernie habe erkennen können, und zum anderen, dass er von
einem vorbestandenen Leistenbruch nichts wisse. Sodann vertrat er die
Ansicht, dass nicht die Hernie, sondern die allgemeine Gewebetraumatisierung
Ursache der Schmerzen war.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ereignis vom 6. Juni 2001 zur Verschlimmerung
einer (vorbestandenen) Hernie geführt oder eine solche gar hervorgerufen hat,
ergeben sich aus den nicht widerspruchsfreien und in Bezug auf die Kausalität
des operativ behandelten Leidens weitgehend auf Vermutungen beruhenden
Aussagen des Hausarztes nicht. Was die von ihm weiter angesprochene
Möglichkeit betrifft, eine allfällige Hernie sei bei der Untersuchung vom 8.
Juni 2001 wegen der unmittelbar nach dem Vorfall vom 6. Juni 2001
aufgetretenen Schwellung nicht erkennbar gewesen, hat es mit dem Hinweis sein
Bewenden, dass auch bei der amtsärztlichen Abklärung, welche über drei Monate
danach stattfand, kein Leistenbruch festgestellt werden konnte.

3.2.3 Von der durch den Beschwerdeführer letztinstanzlich erneut beantragten
ergänzenden medizinischen Abklärung ist kein entscheidrelevanter neuer
Aufschluss zu erwarten, weshalb davon mit der Vorinstanz in antizipierter
Beweiswürdigung (BGE 124 V 94 Erw. 4b; 119 V 344 Erw. 3c; RKUV 2002 Nr. U 469
S. 527 Erw. 2c) abzusehen ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 8. November 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Vorsitzende der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: