Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 124/2004
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U 124/04

Urteil vom 8. November 2004
III. Kammer

Bundesrichter Rüedi, Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Schmutz

T._______, 1941, Italien, Beschwerdeführerin,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 19. Februar 2004)

Sachverhalt:

A.
Die 1941 geborene italienische Staatsangehörige T._______ war seit 1974 bei
der Kreistelefondirektion als Fernmeldeassistentin angestellt und in dieser
Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (nachfolgend:
SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfall und Berufskrankheit
versichert. Am 9. Juli 1980 erlitt sie einen Unfall, bei dem ihr rechter Fuss
partiell abgetrennt wurde, operativ jedoch wieder replantiert werden konnte.
Die SUVA kam für die Folgen des Unfalles auf und richtete ab 15. August 1982
eine Invalidenrente auf Grund einer Erwerbsunfähigkeit von 40 % aus
(Verfügung vom 9. August 1982). Am 31. Mai 1983 und 6. März 1984 wurden
Rückfälle gemeldet, die Arbeitsunterbrüche zur Folge hatten. An der
attestierten Arbeitsfähigkeit, die zur Invalidenrente geführt hatte, wurde
jedoch nichts geändert (Verfügung vom 21. Januar 1985). Ab 1985 arbeitete die
Versicherte nicht mehr. 1990 kehrte sie nach Italien zurück. 1991 leitete die
SUVA ein Rentenrevisionsverfahren ein. Am 17. Mai 1991 teilte sie der
Versicherten mit, dass die Rente nicht geändert werde.
Am 30. August 2000 beantragte die Versicherte eine Erhöhung der
Invalidenrente, weil sich die gesundheitliche Situation verschlechtert habe,
sodass eine Invalidität von 70 % bestehe. Sie legte dazu den Bericht von
Dott. C._______, Medico-Chirurgo, Specialista in Ortopedia e Traumatologia,
Italien, vom 14. Februar 1998 ein. Die SUVA verfügte am 26. Oktober 2000, die
Rente könne nicht erhöht werden, da eine Revision der Invalidenrente nach
Ablauf von neun Jahren seit deren Zusprache nicht mehr möglich sei. Mit der
gleichen Begründung wies die SUVA die dagegen erhobene Einsprache mit
Entscheid vom 15. Dezember 2000 ab. Das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich hiess die hiegegen eingereichte Beschwerde am 30. September
2002 in dem Sinne gut, dass der Einspracheentscheid aufgehoben und die Sache
an die SUVA zurückgewiesen wurde, damit sie materiell über die Revision der
Invalidenrente befinde.
Nach Einholung kreisärztlicher Beurteilungen bei Dr. med. M._______, Facharzt
FMH für Orthopädische Chirurgie (Berichte vom 20. Dezember 2002, 30. Januar
2003 und 22. April 2003) sowie einer Expertise von Dott. Z._______,
Specialista in Ortopedia, Italien, vom 26. März 2003 teilte die SUVA der
Versicherten mit Verfügung vom 29. April 2003 mit, dass die Rente nicht
erhöht werde, da sich der Gesundheitszustand nicht wesentlich verändert habe.
Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 31. Juli 2003 ab.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit der T._______ erneut beantragte,
dass die Invalidenrente zu erhöhen sei, weil sich die gesundheitliche
Situation verschlechtert habe, sodass eine Invalidität von 70 % bestehe, wies
das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 19.
Februar 2004).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert T._______ sinngemäss das
vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren.
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Rentenanspruch der Beschwerdeführerin ist am 15. August 1982, somit unter
der Geltung des alten Rechts (KUVG) und vor dem In-Kraft-Treten des
Unfallversicherungsgesetzes (UVG) am 1. Januar 1984 entstanden. Wie die
Vorinstanz zutreffend erwogen hat, sind unter dem alten Recht entstandene
Rentenansprüche - seien diese abgestufte, befristete oder Dauerrenten - in
revisionsrechtlicher Hinsicht weiterhin nach Massgabe des KUVG (Art. 80 Abs.
2 KUVG) zu beurteilen (BGE 118 V 295 Erw. 2a, 111 V 37).
Rechtsprechungsgemäss ist aber die Erhöhung einer (altrechtlichen) Rente über
den Wortlaut des Art. 80 Abs. 2 KUVG hinaus trotz Ablaufes von neun Jahren
seit der Rentenfestsetzung möglich, wenn die SUVA auf einen Rückfall oder
Spätfolgen einzutreten hat, die entsprechenden Beschwerden in natürlichem und
adäquatem Kausalzusammenhang zum ursprünglichen Unfall stehen und erhebliche
Verschlimmerungen der Unfallfolgen bewirken (vgl. Urteil F. vom 30. Mai 2001,
U 390/99, Erw. 1a mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre).

2.
2.1 Am 1. Januar 2003 sind das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) und die Verordnung über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV) vom 11. September
2002 in Kraft getreten. Mit ihnen sind unter anderem auch im
Unfallversicherungsrecht verschiedene materiellrechtliche Bestimmungen
geändert worden. In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen
Rechtssätze massgebend, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben, und das Sozialversicherungsgericht stellt bei der
Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses
des streitigen Einspracheentscheides (hier: 31. Juli 2003) eingetretenen
Sachverhalt ab (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit
Hinweisen). Zu präzisieren ist, dass das ATSG hinsichtlich der UV-rechtlichen
Rentenrevision keine substanziellen Änderungen gegenüber der bis zum 31.
Dezember 2002 gültig gewesenen Normenlage brachte. Die im ATSG enthaltenen
Definitionen der Arbeitsunfähigkeit, der Erwerbsunfähigkeit und der
Invalidität entsprechen ebenso wie die Bestimmung des Invaliditätsgrades (bei
erwerbstätigen Versicherten) den bisherigen, von der Rechtsprechung dazu
entwickelten Begriffen und Grundsätzen in der Unfallversicherung (Urteil G.
vom 22. Juni 2004, U 192/03, Erw. 1.2-1.4; vgl. auch Urteil S. vom 19. August
2004, U 339/03, Erw. 1.3).
2.2 Die Frage, ob eine für die Veränderung des Invaliditätsgrades relevante
Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vorliegt, beurteilt sich durch den
Vergleich des Sachverhaltes im Zeitpunkt, in welchem die Rente rechtskräftig
gewährt bzw. materiell bestätigt worden ist, mit dem Sachverhalt im Zeitpunkt
der Neubeurteilung (BGE 109 V 265 Erw. 4a; Locher, Grundriss des
Sozialversicherungsrechts, 3. Aufl.,  Bern 2003, S. 254 Rz 5; Kieser,
ATSG-Kommentar, Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000, Zürich 2003, Rz 14 zu Art.
17). Ferner muss die Veränderung der Verhältnisse erheblich, d.h.
hinsichtlich der Auswirkungen auf den Invaliditätsgrad rentenwirksam sein
(Locher, a.a.O, S. 255 Rz 8; Kieser, a.a.O., Rz 15 zu Art. 17).

3.
Nach Lage der medizinischen Akten ist mit Vorinstanz und Beschwerdegegnerin
davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin
zwischen dem 9. August 1982 und dem 31. Juli 2003 (vgl. Erw. 2.3 hievor)
nicht wesentlich geändert hat. Es liegen umfangreiche, den Grundfall
betreffende medizinischen Unterlagen vor, darunter insbesondere die
kreisärztlichen Berichte von Dr. med. S._______ vom 6. April 1982 und vom 24.
Juni 1982. Anderseits finden sich die bereits genannten Beurteilungen des
Kreisarztes Dr. med. M._______ vom Dezember 2002, Januar 2003 und April 2003
sowie von Dott. Z._______ vom März 2003. Weil der Kreisarzt im ersten Bericht
ausführlich zu dem später verloren gegangenen Attest des Dott. C._______ vom
Februar 1998 Stellung genommen hat, sind dessen wesentliche Aussagen
ebenfalls festgehalten. Auf Grund der Aktenlage und der Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde besteht kein Anlass für weitere medizinische
Abklärungen. Von zusätzlichen Beweisvorkehren ist daher abzusehen.

4.
4.1 Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, das die tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz als mangelhaft oder die Beweiswürdigung als
bundesrechtswidrig oder unangemessen (Art. 132 OG) erscheinen liesse. Das
kantonale Gericht hat sich sorgfältig mit den verschiedenen Stellungnahmen
auseinander gesetzt und ist zu Recht zum Schluss gekommen, dass sich der
Gesundheitszustand im revisionsrechtlich massgebenden Zeitraum nicht
wesentlich verändert hat und darum die Voraussetzungen für eine -
ausnahmsweise - Revision eines unter dem KUVG entstandenen Rentenanspruchs
nicht gegeben sind, zumal weder ein Rückfall noch Spätfolgen im Sinne der
Rechtsprechung vorliegen: Bei einem Rückfall handelt es sich um das
Wiederaufflackern einer vermeintlich geheilten Krankheit, sodass es zu
ärztlicher Behandlung, möglicherweise sogar zu (weiterer) Arbeitsunfähigkeit
kommt. Von Spätfolgen spricht man, wenn ein scheinbar geheiltes Leiden im
Verlaufe längerer Zeit organische oder psychische Veränderungen bewirkt, die
zu einem völlig anders gearteten Krankheitsbild führen können (BGE 118 V 296
Erw. 2c mit Hinweisen; RKUV 1994 Nr. U 206 S. 327 Erw. 2).

4.2 Entgegen ihrer Darstellung ist der Beschwerdeführerin das Ergebnis des
1991 durchgeführten Rentenrevisionsverfahrens am 17. Mai 1991 mitgeteilt
worden, indem man sie darüber informierte, dass die Rente nicht geändert
wird. Da die Beschwerdeführerin in dem von ihr am 6. Mai 1991 unterzeichneten
Meldeformular nicht angab, dass die Unfallfolgen sich erheblich verschlimmert
hätten, sondern lediglich, dass sie noch immer unter Schmerzen leide, die auf
den Unfall zurückzuführen seien ("Vi faccio notare che dopo l'infortunio
avendo sempre dolori"), bestand auch kein Anlass für eine ärztliche
Untersuchung.

4.3 Zur Problematik der Rückenschmerzen hat sich Kreisarzt Dr. med. M._______
in seinen ärztlichen Beurteilungen umfassend geäussert. Dabei hat er auch die
von der Beschwerdeführerin gemachten Vorbringen berücksichtigt und dazu auch
die Berichte der Dott. C._______ und Z._______ beigezogen und ausgewertet.
Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, klagte die Beschwerdeführerin
bereits anlässlich der kreisärztlichen Untersuchung vom 6. April 1982 über
Rückenbeschwerden. Entsprechende Angaben machte sie dann auch am 14. Februar
1998 gegenüber Dott. C._______. Dr. med. M._______ spricht sich nach
einlässlicher Abwägung dafür aus, dass die lumbosakralen Beschwerden eher
nicht im Zusammenhang mit den Fussverletzungen zu sehen seien. Wie die
Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, finden sich im Bericht von Dott.
Z._______ keine Hinweise auf Rückenbeschwerden. Daraus ist mit Dr. med.
M._______ in seiner Beurteilung vom 22. April 2003 zu folgern, dass für Dott.
Z._______ Beschwerdeklagen ausserhalb des Fusses bzw. des Beines offenbar
kein relevantes oder als relevant eingestuftes Thema waren, da eine andere
wesentliche Problematik am Bewegungsapparat zweifellos in den Bericht des
Orthopäden eingeflossen wäre.

4.4 Das Attest von Dott. C._______ vom 14. Februar 1998 liegt zwar nicht mehr
bei den Akten, aber Dr. med. M._______ hat sich in seiner ärztlichen
Beurteilung vom 20. Dezember 2002 umfassend, sehr detailliert und in
überzeugender Weise mit den darin gemachten Aussagen und den - entgegen der
von der Beschwerdeführerin geäusserten Befürchtung noch vorhandenen -
Röntgenbildern vom 27. Januar 1998 auseinander gesetzt. Es kann darum nicht
die Rede davon sein, dass absolut kein Wert auf den Bericht von Dott.
C._______ gelegt worden sei. Aus sämtlichen ärztlichen Beurteilungen und
allen Entscheiden von Verwaltung und Vorinstanz geht im Übrigen auch klar
hervor, dass korrekt der Gesundheitszustand von 1982 mit dem von 2003
verglichen worden ist, und nicht von 1998 mit 2002, wie in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde behauptet wird.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.
Luzern, 8. November 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Vorsitzende der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: