Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 112/2004
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U 112/04

Urteil vom 9. November 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Lanz

J.________, 1947, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Rolf
Vogler, Seefeldstrasse 9a, 8630 Rüti ZH,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 20. Februar 2004)

Sachverhalt:

A.
Die 1947 geborene J.________ erlitt am 8. August 1998 bei einer
Auffahrkollision ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule (HWS). Die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als zuständiger
obligatorischer Unfallversicherer erbrachte die gesetzlichen Leistungen
(Heilbehandlung; Taggeld). Am 12. Juni 2001 verfügte sie unangefochten eine
ab 1. Juni 2001 laufende Invalidenrente bei einer Erwerbsunfähigkeit von 50
%. Sodann sprach sie der Versicherten mit Verfügung vom 16. August 2002 eine
Integritätsentschädigung auf der Basis einer Integritätseinbusse von 20 % zu.
Die von J.________ hiegegen erhobene Einsprache mit dem Antrag, die Leistung
auf der Grundlage eines Integritätsschadens von 40 % festzusetzen, wies der
Unfallversicherer ab (Einspracheentscheid vom 7. April 2003).

Zwischenzeitlich war die Versicherte am 23. Januar 2003 erneut in einen
Verkehrsunfall verwickelt.

B.
J.________ reichte gegen den Einspracheentscheid vom 7. April 2003 Beschwerde
ein, welche das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid
vom 20. Februar 2004 abwies.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J.________ ihr einsprache- und
beschwerdeweise gestelltes Rechtsbegehren erneuern.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit hat sich nicht vernehmen lassen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist das Ausmass der auf das versicherte Ereignis vom
8. August 1998 zurückzuführenden, dem Anspruch auf Integritätsentschädigung
zugrunde zu legenden Integritätseinbusse.

Der weitere Verkehrsunfall vom 23. Januar 2003 bildete nicht Gegenstand der
Verfügung vom 16. August 2002 und des Einspracheentscheides vom 7. April
2003. Das Ereignis wurde auch in der dagegen geführten Beschwerde nicht
angesprochen und im angefochtenen Entscheid nicht behandelt. Weiterungen zu
diesem Unfall erübrigen sich, nachdem die Versicherte auch letztinstanzlich
darauf nicht Bezug genommen und namentlich keine Auswirkungen auf den hier
allein streitigen Leistungsanspruch geltend gemacht hat.

2.
Das kantonale Gericht hat die - mit In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) und der Verordnung
hiezu (ATSV) am 1. Januar 2003 unverändert gebliebenen - Bestimmungen über
die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Integritätsentschädigung (Art.
24 Abs. 1 UVG und Art. 36 Abs. 1 UVV, je in der bis 31. Dezember 2003 in
Kraft gewesenen Fassung), deren Bemessung nach der Schwere des
Integritätsschadens (Art. 25 Abs. 1 UVG; Art. 36 Abs. 2 UVV in Verbindung mit
Anhang 3 zur UVV) und die Festsetzung der Leistung nach der gesamten
Beeinträchtigung beim Zusammenfallen mehrerer körperlicher oder geistiger
Integritätsschäden aus einem oder mehreren Unfällen (Art. 36 Abs. 3 UVV in
der bis 31. Dezember 2003 in Kraft gewesenen Fassung) zutreffend dargelegt.
Richtig sind auch die Erwägungen über die Bedeutung der von der medizinischen
Abteilung der SUVA erarbeiteten weiteren Bemessungsgrundlagen in
tabellarischer Form (sog. Feinraster; BGE 124 V 32 Erw. 1c mit Hinweis), den
Beweiswert von Berichten und Gutachten versicherungsinterner und -externer
Ärzte (BGE 125 V 352 ff. Erw. 3) sowie den Anspruch auf eine
Integritätsentschädigung bei psychogenen Unfallfolgen (BGE 124 V 29). Darauf
wird verwiesen.

3.
Die Integritätsentschädigung, welche der Unfallversicherer der
Beschwerdeführerin aus dem versicherten Ereignis vom 8. August 1998
zugesprochen hat, beruht auf einer mit 20 % bewerteten Integritätseinbusse
wegen einer unfallbedingten Störung des Gleichgewichtsfunktionsystems. Die
Versicherte vertritt die Auffassung, es seien zusätzlich neuropsychologische
Defizite zu berücksichtigen, womit sich ein Integritätsschaden von gesamthaft
40 % ergebe. Die SUVA bestreitet eine höhere Integritätseinbusse und wird
darin vom kantonalen Gericht bestätigt.

3.1 Dass die Beschwerdeführerin seit der Auffahrkollision vom 8. August 1998
auch an neuropsychologischen Ausfällen (Konzentrationsstörungen, mnestische
Defizite, emotionale Labilität) leidet, steht nach Lage der medizinischen
Akten fest und ist unbestritten. Uneins sind sich die Verfahrensbeteiligten
zunächst in der Frage, ob diese Symptomatik auf eine objektivierbare
organische Schädigung zurückzuführen ist. Unfallversicherer und Vorinstanz
haben dies verneint. Diese Beurteilung stützt sich auf die Ergebnisse
eingehender, auch mit bildgebenden Verfahren durchgeführter medizinischer
Untersuchungen und ist nicht zu beanstanden. Es kann auf die einlässliche
Darstellung und überzeugende Würdigung der erhobenen Befunde im angefochtenen
Entscheid verwiesen werden. Mit dem kantonalen Gericht ist auch auf weitere
Sachverhaltsabklärungen zu verzichten, da hievon keine entscheidrelevanten
neuen Erkenntnisse erwartet werden können (antizipierte Beweiswürdigung; RKUV
2003 Nr. U 473 S. 50 Erw. 3.4 mit Hinweisen, 2002 Nr. U 469 S. 527 Erw. 2c
mit Hinweis).

Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgetragen wird, führt zu keiner
anderen Betrachtungsweise. Die sinngemässe Aussage, für jede
neuropsychologische Auffälligkeit müsse ein nachweisbares organisches
Korrelat bestehen, entbehrt einer nachvollziehbaren wissenschaftlich
gesicherten Grundlage und findet auch keine Stütze in dem aufgelegten
Zeitungsinterview mit einem Spezialarzt für Psychosomatik. Dessen
Ausführungen lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass eine organische
Gesundheitsschädigung als Ursache für die hier gegebenen neuropsychologischen
Einschränkungen mittels neuer diagnostischer Methoden nachweisbar wäre. Es
kann im Übrigen davon ausgegangen werden, dass die verschiedenen Fachärzte
und Kliniken, welche Bericht erstattet und eine den neuropsychologischen
Störungen zugrunde liegende organische Läsion übereinstimmend verneint haben,
über den aktuellen Stand der verlässlichen medizinischen
Untersuchungsverfahren informiert sind und diese, soweit erforderlich, auch
angewendet haben.

3.2 Fehlt es nach dem Gesagten an einem organischen Korrelat für die
bestehenden neuropsychologischen Defizite, beurteilt sich die für den
Anspruch auf Integritätsentschädigung vorausgesetzte Dauerhaftigkeit der
Beeinträchtigung gemäss den für die Beurteilung der Adäquanz psychischer
Unfallfolgen geltenden Grundsätzen (BGE 124 V 29). Danach wird der adäquate
Kausalzusammenhang zwischen Unfall und psychischem Gesundheitsschaden bei
banalen oder leichten Unfällen in der Regel ohne weiteres verneint und bei
schweren Unfällen in der Regel bejaht; im mittleren Bereich bedarf es
besonderer, objektiv erfassbarer Umstände, damit die Adäquanz bejaht werden
kann (BGE 115 V 138 ff. Erw. 6).

3.2.1 Soweit die Beschwerdeführerin die sog. Schleudertrauma-Praxis (BGE 117
V 359) angewendet haben will, nach welcher, anders als bei psychischen
Fehlentwicklungen, die bei der Adäquanz mittelschwerer Unfälle mit zu
berücksichtigenden Kriterien ohne Differenzierung zwischen physischen und
psychischen Komponenten geprüft werden (BGE 117 V 367 Erw. 6a), kann ihr
nicht gefolgt werden. Die besagte Rechtsprechung beschlägt die
Adäquanzbeurteilung in Bezug auf die - für Taggeld- und Invalidenrenten
vorausgesetzte - Arbeits- und  Erwerbsunfähigkeit (BGE 117 V 361 Erw. 5a, 364
Erw. 5d/aa in fine). Da es dabei um die Gesamtheit der Beeinträchtigung durch
den schleudertrauma-typischen Beschwerdenkomplex geht, ist für die
Adäquanzfrage in der Tat nicht entscheidend, ob die Leiden eher als
organischer und/oder psychischer Natur bezeichnet werden (BGE 117 V 367 Erw.
6a). Anders verhält es sich hinsichtlich einer mit psychogenem
Gesundheitsschaden begründeten Integritätseinbusse, wie sie hier zur
Diskussion steht.

3.2.2 Sodann führt entgegen der Auffassung der Versicherten die Zusprechung
einer Invalidenrente durch die SUVA und eines Invaliditätskapitals durch die
Insassen-Unfall-Versicherung nicht ohne weiteres auch zur Bejahung der
Dauerhaftigkeit eines beim nämlichen Unfall erlittenen Integritätsschadens.
Der Anspruch auf eine Invalidenrente der obligatorischen Unfallversicherung
bestimmt sich in weiten Teilen nach anderen Anspruchsvoraussetzungen und
Bemessungskriterien als derjenige auf eine Integritätsentschädigung. Dies
gilt, wie das kantonale Gericht richtig erkannt hat, namentlich auch
hinsichtlich des für letztere Leistung geltenden Kriteriums der
Dauerhaftigkeit. Abweichende Anspruchsgrundlagen gelten ebenfalls für die
(private) Insassen-Unfall-Versicherung.

3.3 Wie die vom kantonalen Gericht nach den rechtsprechungsgemässen Regeln
vorgenommene Prüfung gezeigt hat, liegen die beim gegebenen mittelschweren
Unfall für die Adäquanzbeurteilung zusätzlich in Betracht zu ziehenden
Kriterien (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa) weder in gehäufter oder auffallender
Weise vor, noch ist eines davon in besonders ausgeprägter Weise erfüllt.
Damit fehlt es an der für die Begründung eines höheren Anspruchs auf
Integritätsentschädigung vorausgesetzten Dauerhaftigkeit des
Integritätsschadens.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 9. November 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber:
i.V.