Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 86/2004
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I 86/04

Urteil vom 17. Juni 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber
Krähenbühl

B.________, 1947, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 19. Januar 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1947 geborene B.________ bezog für die Zeit ab 1. Dezember 1987 zunächst
eine ganze und ab 1. März 1988 noch eine halbe Rente der
Invalidenversicherung, je mit Zusatzrente für die Ehefrau und zwei
Kinderrenten (Verfügungen der Ausgleichskasse des Kantons Zürich vom 4.
Dezember 1990). Mit Verfügung vom 7. Februar 2003, bestätigt durch
Einspracheentscheid vom 15. August 2003, forderte die
Sozialversicherungsanstalt (Verfügung der IV-Stelle resp. Einspracheentscheid
der Ausgleichskasse) des Kantons Zürich die in den letzten fünf Jahren,
mithin für die Zeit ab 1. März 1998 bis 31. Januar 2003, zu Unrecht
ausgerichtete Zusatzrente für die Ehefrau im Gesamtbetrag von Fr. 17'086.-
zurück, da der Rentenbezüger ihr erst im Februar 2003 mitgeteilt habe, dass
seine Ehe schon 1989 geschieden wurde.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. Januar 2004 ab, soweit es darauf
eintrat.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert B.________ seinen im kantonalen
Verfahren gestellten Antrag um Aufhebung der Rückerstattungsforderung.
Die Sozialversicherungsanstalt, Ausgleichskasse, enthält sich unter Hinweis
auf die Erwägungen im kantonalen Entscheid einer materiellen Stellungnahme.
Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Bestimmungen der auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen 4.
IVG-Revision sind vorliegend nicht anwendbar, da nach dem massgebenden
Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (15. August 2003)
eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (vgl. BGE 129 V 4 Erw.
1.2 mit Hinweisen).

1.2 Ob, wovon das kantonale Gericht ausgegangen ist, bezüglich der
Rechtmässigkeit der streitigen Rückforderung Art. 25 Abs. 1 Satz 1 des auf
den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) Anwendung
findet, nachdem sowohl der Einspracheentscheid vom 15. August 2003 wie zuvor
schon die Verfügung vom 7. Februar 2003 erst nach dem 1. Januar 2003 ergangen
sind, kann dahingestellt bleiben. Dieser Frage kommt insoweit keine
entscheidende Bedeutung zu, als die Voraussetzungen für die
Rückerstattungspflicht, wie sie sich aus dem ATSG ergeben, aus den früher
massgebend gewesenen gesetzlichen Bestimmungen (Art. 49 IVG in Verbindung mit
Art. 47 AHVG) und der hiezu ergangenen Rechtsprechung hervorgegangen sind
(zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil D. vom 12.
März 2004 [K 147/03], Erw. 5.1 und 5.2; vgl. auch Ueli Kieser,
ATSG-Kommentar: Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000, Zürich 2003, N 9 zu Art. 82).

1.3 Zutreffend dargelegt hat die Vorinstanz die gesetzlichen Grundlagen für
die Beurteilung der Frage, ob überhaupt ein unrechtmässiger Leistungsbezug
vorliegt (Art. 34 Abs. 1 und 3 IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig
gewesenen Fassung). Dies gilt namentlich für den Anspruch auf eine
Zusatzrente für den geschiedenen Ehegatten der leistungsberechtigten Person
und für dessen persönliche Auszahlungsberechtigung (Art. 34 Abs. 4 IVG in der
bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen und Art. 34 Abs. 4 lit. c IVG in der
ab 1. Januar bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung).

1.4 Verwiesen werden kann auch auf die Ausführungen im kantonalen Entscheid
zu den für die Zulässigkeit einer Rückerstattungsforderung erforderlichen
Wiedererwägungsvoraussetzungen (Art. 53 Abs. 2 ATSG und - für die Zeit vor
dessen In-Kraft-Treten - BGE 122 V 21 Erw. 3a, 138 Erw. 2c, 110 V 179 Erw. 2a
und 103 V 128). Dasselbe gilt hinsichtlich der Vorschriften über das
Erlöschen des Rückforderungsanspruchs zufolge Zeitablaufs (Art. 25 Abs. 2
Satz 1 ATSG; vgl. auch die weitgehend gleichlautende, bis 31. Dezember 2002
gültig gewesene Regelung gemäss Art. 49 IVG in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2
AHVG).

1.5 Zu erwähnen bleibt weiter, dass die den Leistungsbezügern obliegende
Meldepflicht bis 31. Dezember 2002 in Art. 77 IVV statuiert war und sich
seither in Art. 31 Abs. 1 ATSG eine inhaltlich analoge Verpflichtung findet
(Ueli Kieser, a.a.O., N 1 zu Art. 31). Letztere erst seit dem 1. Januar 2003
in Kraft stehende Bestimmung ist vorliegend indessen von untergeordneter
Bedeutung, da es konkret um die Frage geht, ob der Beschwerdeführer die
Verwaltung schon lange Zeit vor seiner im Februar 2003 erfolgten Meldung
hätte über die 1989 ausgesprochene Scheidung in Kenntnis setzen müssen.

2.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die vorinstanzlich bestätigte
Unrechtmässigkeit des Bezugs einer Zusatzrente für die Ehefrau des
Rentenberechtigten für die Zeit ab 1. März 1998 bis 31. Januar 2003
ausdrücklich anerkannt. Streitig ist daher einzig noch, ob die Rückforderung
verjährt ist, was einerseits davon abhängt, ob der Beschwerdeführer mit
seiner Anzeige im Februar 2003 seiner Pflicht zur Meldung der bereits im
Februar 1989 erfolgten Scheidung rechtzeitig nachgekommen ist (nachstehende
Erw. 3), andererseits - und unabhängig davon - aber auch die Frage aufwirft,
ob die Verwaltung von dieser Scheidung schon früher Kenntnis hatte oder
zumindest hätte haben müssen (nachstehende Erw. 4).

3.
3.1 Auf Grund der Aktenlage ist davon auszugehen, dass eine Anzeige der 1989
ausgesprochenen Scheidung gegenüber der Invalidenversicherung erst Anfang
Februar 2003 erfolgte, was denn auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nicht in Abrede gestellt wird. Weiter darf angenommen werden, dass der
Beschwerdeführer auf die ihm obliegende, auch die persönlichen Verhältnisse
und damit seinen Zivilstand umfassende Meldepflicht von Anfang an -
unbestrittenermassen spätestens seit der erstmaligen Rentenzusprache am 4.
Dezember 1990 - wiederholt  aufmerksam gemacht worden ist. Aktenmässig
erstellt jedenfalls ist zumindest der Hinweis auf die - ausdrücklich auch
Zivilstandsänderungen beinhaltende - Meldepflicht in der im Rahmen einer
Rentenüberprüfung erfolgten Anspruchsbestätigung vom 6. Oktober 1997.

3.1.1 Ein Irrtum in dem Sinne, dass der Beschwerdeführer Grund zur Annahme
gehabt hätte, die Verwaltung wisse bereits von der Scheidung seiner Ehe,
sodass es gar keine Veränderung zu melden gegeben habe, kann ebenfalls
ausgeschlossen werden. Insoweit wird auf den kantonalen Entscheid verwiesen,
wo die Vorinstanz ausführlich dargelegt hat, bei welcher Gelegenheit der
Beschwerdeführer bei der gebotenen Aufmerksamkeit jeweils hätte erkennen
müssen, dass der Zusprache einer Zusatzrente für die Ehefrau seitens der
Verwaltung stets die Annahme zugrunde lag, er sei - wie im Zeitpunkt seiner
Anmeldung zum Leistungsbezug vom 15. Februar 1988 - nach wie vor verheiratet.
Zutreffen mag allenfalls, dass er den Beschluss der IV-Stelle vom 4. Dezember
1991 tatsächlich nicht erhalten hat - obschon zumindest sein damaliger
Vertreter, dessen Handeln er sich als sein eigenes anrechnen lassen muss, in
der Verteilerliste aufgeführt ist. Insgesamt ändert dies aber nichts daran,
dass er bei zumutbarer Sorgfalt in all den Jahren hätte erkennen müssen, dass
er bei der Verwaltung nach wie vor als verheiratet galt.

3.1.2 Der Auffassung des kantonalen Gerichts kann aber auch darin
beigepflichtet werden, dass das Verhalten des Beschwerdeführers als
schuldhaft einzustufen ist, genügt doch für eine solche Qualifikation nach
ständiger Rechtsprechung bereits leichte Fahrlässigkeit (BGE 118 V 218 Erw.
2a mit Hinweis; SVR 1995 IV Nr. 58 S. 166 Erw. 2a). Eine solche liegt vor,
nachdem mit der Vorinstanz davon auszugehen ist, dass es der Beschwerdeführer
während Jahren unterlassen hat, den Organen der Invalidenversicherung den für
den Anspruch auf die laufend bezogene Zusatzrente wesentlichen Umstand seiner
Scheidung zu melden.

3.2 Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass Vorinstanz und
Verwaltung auf eine Meldepflichtverletzung geschlossen haben, welche Anlass
zur angefochtenen Rückerstattungsforderung gibt.
Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ändern daran nichts.

3.2.1 Insbesondere lässt sich auch aus dem erneut aufgelegten
Bestätigungsschreiben eines seinerzeit beigezogenen Rechtsanwaltes vom 13.
Februar 1992, wonach die Rentenberechnungen der Invaliden- wie auch der
Unfallversicherung "in Ordnung gehen", nichts zu Gunsten des
Beschwerdeführers ableiten.

3.2.2 Die Einhaltung der - bei jeder für den Leistungsanspruch wesentlichen
Änderung, namentlich einer solchen des Gesundheitszustandes, der Arbeits-
oder Erwerbsfähigkeit, der Hilflosigkeit, aber auch der persönlichen und
gegebenenfalls der wirtschaftlichen Verhältnisse bestehenden - Meldepflicht
hängt nach dem Wortlaut von Art. 77 IVV allein von den leistungsberechtigten
Versicherten, deren gesetzlichen Vertretern oder allfälligen Drittempfängern
(Behörden und Dritten) ab. Praxisgemäss werden diese im Rahmen der
Leistungszusprechung denn auch ausdrücklich auf Bestand und Inhalt dieser
Pflicht hingewiesen (vgl. Rz 1159 der Wegleitung des BSV über die Renten
[RWL], gültig ab 1. Januar 1996). Es lässt sich daher, entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers, durch nichts rechtfertigen, der Verwaltung
die Beweislast bezüglich eines Vorganges zuzuweisen, der ihrem
Verantwortungsbereich im Regelfall völlig entzogen ist, zumal die
Rückerstattung zu viel ausgerichteter Leistungen einzig auf die
Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung abzielt (BGE 122 V 139 Erw. 2c und
227 Erw. 6c mit Hinweis) und insofern nicht als ein Recht der Verwaltung zu
sehen ist (nicht veröffentlichtes Urteil N. vom 22. Januar 1997 [I 82/96]).

4.
Der Beschwerdeführer kann sich der Rückforderung auch nicht mit der
Argumentation entziehen, diese sei verwirkt, weil die Verwaltung schon längst
- insbesondere aus Quellen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt -
hätte in Erfahrung bringen können, dass er nicht mehr verheiratet war. Nach
den überzeugenden Ausführungen des kantonalen Gerichts, welchen sich das
Eidgenössische Versicherungsgericht ohne Weiterungen vollumfänglich
anschliesst, ist kein Versäumnis der Verwaltung ersichtlich, das für die
Auslösung der Verwirkungsfrist bedeutsam sein könnte.

5.
Da Rückerstattungsprozesse wegen zu Unrecht zur Ausrichtung gelangter Renten
rechtsprechungsgemäss die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG zum Gegenstand haben (BGE
122 V 136 Erw. 1 mit Hinweisen), ist das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht kostenfrei (Art. 134 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der IV-Stelle des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 17. Juni 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: