Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 815/2004
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I 815/04

Urteil vom 11. Juli 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Hadorn

S.________, 1970, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Marco
Unternährer, Sempacherstrasse 6 (Schillerhof), 6003 Luzern,

gegen

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 11. November 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 13. Juni 2003 sprach die IV-Stelle Luzern der 1970
geborenen S.________ eine halbe IV-Rente ab 1. Februar 2001 zu. Diese
Verfügung bestätigte die IV-Stelle mit Einspracheentscheid vom 12. Dezember
2003.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern mit Entscheid vom 11. November 2004 ab.

C.
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei
ihr eine ganze IV-Rente zuzusprechen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung sich nicht vernehmen lässt.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Verwaltungsgericht hat die gesetzlichen Vorschriften zu den
Begriffen der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG), der Erwerbsunfähigkeit (Art.
7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zur Ermittlung des
Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG)
und der gemischten Methode (Art. 27 und Art. 27bis Abs. 1 IVV), zum Umfang
des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG in der bis Ende 2003
gültig gewesenen Fassung) sowie die hiezu ergangene Rechtsprechung (BGE 104 V
136 Erw. 2a; AHI 2004 S. 137) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zu
ergänzen ist, dass die am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des
Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der
Verordnung über die Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 vorliegend nicht
zur Anwendung gelangen (BGE 129 V 4 Erw. 1.2).

2.
Streitig und zu prüfen ist der Invaliditätsgrad.

2.1 Laut Bericht der Psychiatrischen Klinik am Spital K.________ vom 26. Juli
2002 kann der Versicherten eine körperlich leichte bis mittelschwere
Tätigkeit im Ausmass von ca. 40% bis 50% zugemutet werden. Eine
Doppelbelastung durch eine ausserhäusliche Tätigkeit und die Arbeit als
Mutter und Hausfrau sei ihr aus psychischen Gründen nicht zuzumuten. Diese
medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit könne erst nach einer längeren
Einarbeitungszeit erreicht werden. Eine Weiterführung der
psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung werde voraussichtlich keine
wesentliche Verbesserung der Arbeitsfähigkeit bringen. Auch als Hausfrau sei
die Versicherte zu 40% bis 50% eingeschränkt. Seit der Geburt des dritten
Kindes im Februar 2001 habe sich die Befindlichkeit der Beschwerdeführerin
nicht verbessert.

Gemäss einem Bericht der selben Klinik vom 9. Februar 2001 war die
Beschwerdeführerin vom 16. bis 26. Januar 2001 notfallmässig im
psychiatrischen Ambulatorium hospitalisiert. Sie sei bei der Entlassung aus
dem Spital in einer ausserhäuslichen Tätigkeit zu 100% arbeitsunfähig gewesen
und wegen der Schwangerschaft auch im Haushalt in hohem Masse auf die
Unterstützung des Ehemannes angewiesen.

Laut Bericht von Frau Dr. phil. B.________, Psychotherapeutin FSP, vom 2.
Februar 2002 sei die Versicherte jetzt völlig unfähig, den Haushalt zu führen
oder zu den Kindern zu schauen.

Hausarzt Dr. med. E.________, Facharzt FMH für Innere Medizin und
Kardiologie, hält die Beschwerdeführerin in mehreren Zeugnissen seit einem
Autounfall vom 30. Juli 1999 zu 100% arbeitsunfähig.

2.2 Am 15. Mai 2001 hat die IV-Stelle bei der Versicherten eine
Haushaltsabklärung durchgeführt. Gemäss dem entsprechenden Bericht vom 21.
Mai 2001 werde im Haushalt nicht gross geplant. Die Beschwerdeführerin
bereite seit dem Unfall von 1999 keine Mahlzeiten mehr zu. Seit Februar 2001
komme die Spitex die Wohnung zweimal in der Woche reinigen. Einkäufe tätige
der Ehemann. Die Spitex erledige auch die Wäsche. Die Kinder müsse der
Ehemann betreuen; die Versicherte selbst nehme kaum Anteil am Kleinkind.
Gestützt auf diese Angaben erstellte die Sachbearbeiterin der IV-Stelle am
24. Juli 2001 eine Gewichtung der Einschränkungen in den verschiedenen
Tätigkeitsbereichen und deren prozentualen Anteil am Invaliditätsgrad. Dabei
kam sie auf eine Einschränkung vom 51%, was bei einem Anteil des Haushalts am
Gesamtinvaliditätsgrad von 75% einen Teilinvaliditätsgrad von 38,25% (¾ von
51%) ergab.

2.3 Die Vorinstanz ging davon aus, dass sich der Gesundheitszustand seit dem
Bericht des Spitals K.________ vom 26. Juli 2002 nicht verschlechtert habe.
Die Arbeitsunfähigkeit im Beruf betrage 100%, weil neben dem Haushalt keine
Erwerbstätigkeit mehr zumutbar sei. Da im Haushalt eine Arbeitsunfähigkeit
von ebenfalls durchschnittlich 55% bestehe, sei dieser Wert beizuziehen. Bei
einem Anteil des Berufsbereichs von 25% und einem solchen des Haushalts von
75% ergebe sich ein Gesamtinvaliditätsgrad von 66,25% (¼ von 100% + ¾ von
55%), womit kein Anspruch auf eine ganze Rente bestehe.

Die Versicherte lässt demgegenüber vorbringen, ihr psychischer
Gesundheitszustand habe sich seit der Begutachtung durch das Spital
K.________ am 26. Juli 2002 verschlechtert. Zudem habe bereits die damals
erstellte Expertise eine Verbesserung nach der Geburt des dritten Kindes
verneint. Ferner habe die Sachbearbeiterin der IV-Stelle die Kinderbetreuung
im Bericht zur Haushaltsabklärung zu wenig stark gewichtet.

2.4 Soweit Verwaltung und Vorinstanz davon ausgehen, dass sich der
Gesundheitszustand der Versicherten nach der Geburt des dritten Kindes
verbessert habe, kann ihnen nicht ohne weiteres gefolgt werden. Bereits der
Bericht des Spitals K.________ vom 26. Juli 2002 widerspricht dieser Annahme.
Dieses Spital befürchtete schon damals einen chronifizierten
Krankheitsverlauf. Irgendwelche Anzeichen für eine Verbesserung lassen sich
in den Akten nicht finden. Vielmehr deuten die Hinweise auf mehrere
Hospitalisationen (u.a. Bericht des Spitals K.________ vom 7. Oktober 2003)
eher auf eine Verschlechterung hin. Fraglich ist sodann, ob und inwieweit der
Versicherten eine Willensanstrengung zumutbar ist, die ihr verschriebene
Medikamenteneinnahme konsequent zu befolgen und sich einer Psychotherapie zu
unterziehen (vgl. BGE 130 V 353 Erw. 2.2.1. mit Hinweisen). Ferner erweckt
der Betätigungsvergleich in Bezug auf die Kinderbetreuung in der Tat Zweifel.
Die Sachbearbeiterin gewichtet deren Anteil auf 20% und die Einschränkung in
dieser Betätigung auf 40%. Dies erscheint bei drei Kindern eher niedrig,
zumal sich damals ein gerade geborener Säugling darunter befand, der
intensive Betreuung erforderte. In allen andern Betätigungsbereichen mit
Ausnahme der Planung schätzte die Sachbearbeiterin die jeweilige
Einschränkung auf 50% bis 80%. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die
Versicherte die Betreuung dreier Kinder leichter zu bewältigen vermöchte als
die andern Bereiche, zumal ihr invalider Ehemann ihr nicht alles abnehmen
kann. Überdies war die Abklärung im Haushalt im Zeitpunkt des
Einspracheentscheides (12. Dezember 2003), welches Datum die zeitliche Grenze
der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 116 V 248 Erw. 1a; vgl.
BGE 129 V 4 Erw. 1.2), bereits zweieinhalb Jahre alt. Es kann somit nicht
ohne weiteres darauf abgestellt werden. In diesem Zusammenhang ist zu
beachten, dass der Anspruch auf eine ganze Rente mit dem von der Vorinstanz
festgestellten Invaliditätsgrad von 66,25% nur um ein Viertelprozent verfehlt
wird. Bereits ein Wert von 66,5 % würde aufgerundet zu einer ganzen Rente
berechtigen (BGE 130 V 121). Daher ist die Ermittlung des Invaliditätsgrades
mit aller Sorgfalt vorzunehmen. Unter solchen Umständen rechtfertigt es sich,
die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie einen aktuelleren
Arztbericht einhole und eine neue Abklärung im Haushalt vornehme, um hernach
nochmals über den Rentenanspruch zu verfügen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 11. November 2004
und der Einspracheentscheid der IV-Stelle Luzern vom 12. Dezember 2003
aufgehoben werden, und es wird die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen,
damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle Luzern hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem
Eidg. Versicherungsgericht eine Entschädigung von Fr. 2500.- (inkl. MWST) zu
bezahlen.

4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wird über eine Entschädigung für
das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen
Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 11. Juli 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: