Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 7/2004
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I 7/04

Urteil vom 20. Juli 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold

IV-Stelle Uri, Dätwylerstrasse 11, 6460 Altdorf , Beschwerdeführerin,

gegen

A.________, 1954, Beschwerdegegner

Obergericht des Kantons Uri, Altdorf

(Entscheid vom 27. Oktober 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Anmeldung vom 31. August 2000 ersuchte der 1954 geborene A.________ um
Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Einholen eines Berichtes beim
praktischen Arzt C.________ und einer psychiatrischen Beurteilung bei Dr.
med. B.________ sowie eines Arbeitgeberberichts stellte die IV-Stelle Uri
A.________ mit Schreiben vom 12. März 2001 die Ablehnung seines Gesuches in
Aussicht, da die Abklärungen weder aus psychischer noch somatischer Sicht
eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ergeben hätten. A.________
kritisierte in seiner Stellungnahme vom 20. März 2001, dass weder das geltend
gemachte Überfalltrauma noch der Verlust seiner Sozialkompetenz gebührend
berücksichtigt worden sei. Mit Verfügung vom 2. April 2001 wies die IV-Stelle
das Gesuch um Leistungen der Invalidenversicherung ab, da A.________ weder
aus psychischer noch somatischer Sicht in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt
sei; auch die im Rahmen des Vorbescheides eingereichte Stellungnahme vermöge
zu keiner Änderung des Beschlusses zu führen.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Obergericht des Kantons Uri mit
Entscheid vom 27. Oktober 2003 in dem Sinne gut, als es eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs bejahte und die Sache an IV-Stelle zurückwies, damit diese
im Sinne der Erwägungen verfahre und neu verfüge.

C.
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, es seien
der kantonale Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen, damit diese materiell entscheide. A.________ schliesst
sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert
worden. Während in materiell-rechtlicher Hinsicht der allgemeine
übergangsrechtliche Grundsatz gilt, dass der Beurteilung jene Rechtsnormen
zugrunde zu legen sind, die gegolten haben, als sich der zu den materiellen
Rechtsfolgen führende Sachverhalt verwirklicht hat, verhält es sich mit den
verfahrensrechtlichen Neuerungen anders. Diese sind mangels gegenteiliger
Übergangsbestimmungen mit dem Tag des In-Kraft-Tretens sofort und in vollem
Umfang anwendbar. Die im ATSG enthaltenen und die gestützt darauf in den
Spezialgesetzen auf den 1. Januar 2003 geänderten Verfahrensbestimmungen
gelangen daher bereits vorliegend zur Anwendung (SVR 2003 IV Nr. 25 S. 76
Erw. 1.2 mit Hinweisen).

1.2 Gemäss Art. 1 IVG (in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung) sind die
Bestimmungen des ATSG auf die Invalidenversicherung anwendbar, soweit das IVG
nicht ausdrücklich eine Abweichung vorsieht. Das ATSG regelt das
Sozialversicherungsverfahren in den Art. 34 ff. und kennt kein
Vorbescheidverfahren, wie es Art. 73bis IVV (in der bis 31. Dezember 2002
gültig gewesenen Fassung) in der Invalidenversicherung bisher vorgesehen hat.
Auf den 1. Januar 2003 wurde deshalb Art. 73bis Abs. 1 IVV ersatzlos
aufgehoben. Danach hatte die IV-Stelle, bevor sie über die Ablehnung eines
Leistungsbegehrens oder über den Entzug oder die Herabsetzung einer
bisherigen Leistung beschloss, der versicherten Person oder deren Vertreter
Gelegenheit zu geben, sich mündlich oder schriftlich zur geplanten Erledigung
zu äussern und die Akten ihres Falles einzusehen (SVR 2003 IV Nr. 25 S. 76
Erw. 1.3 mit Hinweisen).

2.
Die Vorinstanz hat die Grundsätze über die Verletzung des rechtlichen Gehörs
(BGE 127 V 437 Erw. 3d/aa, 116 V 185 Erw. 1, je mit Hinweisen), insbesondere
im Zusammenhang mit dem bis 31. Dezember 2002 in der Invalidenversicherung
geltenden Vorbescheidverfahren von Art. 73bis IVV (BGE 125 V 401, 124 V 180,
je mit Hinweisen), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Die IV-Stelle hat in ihrer Verfügung vom 2. April 2001 zu den im
Vorbescheidverfahren vorgebrachten Einwänden lediglich festgehalten, dass
diese am Beschluss nichts zu ändern vermöchten; sie hat es jedoch
unterlassen, darzulegen, weshalb die vom Versicherten genannten Einwände
unbehelflich sind. Damit hat sie entgegen ihrer Ansicht ihrer summarischen
Begründungspflicht keine Genüge getan und es ist mit der Vorinstanz die
Verletzung des rechtlichen Gehörs zu bejahen (BGE 124 V 180).

Jedoch kommt die vom kantonalen Gericht angeordnete Rückweisung zur korrekten
Durchführung des Vorbescheidverfahrens auf Grund der geänderten
Verfahrensbestimmungen nicht mehr in Frage (SVR 2003 IV Nr. 25 S. 77 Erw. 1.4
mit Hinweisen). Möglich wäre lediglich eine Rückweisung an die Verwaltung
unter Aufhebung der Verfügung vom 2. April 2001 zum erneuten Erlass einer
Verfügung und allenfalls anschliessendem Einspracheverfahren. Dieses Vorgehen
erweist sich aber unter Berücksichtigung der konkreten Umstände - vor allem
auch im Interesse des Versicherten - nicht als opportun: Denn einerseits kann
mit der angeordneten Rückweisung der für die Vorinstanz massgebliche Sinn und
Zweck des Vorbescheidverfahrens nicht mehr erreicht werden, weil dieses
abgeschafft wurde; andererseits ist im vorliegenden Fall der Sachverhalt bis
zum 2. April 2001 massgebend, sodass eine Rückweisung an die IV-Stelle das
Verfahren weiter verlängern und die mehrere Jahre zurückreichende Beurteilung
des Gesundheitszustandes zusätzlich erschweren würde. Im Übrigen wurde das
rechtliche Gehör durch die Verwaltung, nicht jedoch auch durch das kantonale
Gericht verletzt, weshalb anders als bei BGE 124 V 183 Erw. 4b keine Häufung
der Verletzung des rechtlichen Gehörs gegeben ist. Zudem geht es weder um
eine Missachtung der zwingend vorgeschriebenen Anhörungspflicht noch um eine
Verweigerung der Akteneinsicht; auch verhält es sich nicht so, dass der
Verwaltung sowohl eine Verletzung der Anhörungspflicht wie auch eine
Verletzung der Begründungspflicht vorzuwerfen wäre. Somit liegt entgegen der
Ansicht der Vorinstanz keine schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs
vor, die einer Heilung im kantonalen Verfahren nicht zugänglich wäre (vgl.
Urteil S. vom 4. September 2001, I 175/01, Urteil A. vom 16. Juli 2001, I
293/00, sowie Urteil G. vom 2. November 2000, I 321/99). Aus diesen Gründen
ist ausnahmsweise die Möglichkeit der Heilung des Mangels zu bejahen. Dies
rechtfertigt sich auch deshalb, weil der Beschwerdegegner eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs vor Vorinstanz nicht geltend gemacht hat. Die Sache ist
deshalb an diese zurückzuweisen, damit sie materiell über die Beschwerde vom
18. April 2001 entscheide.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Obergerichts des Kantons Uri vom 27. Oktober 2003 aufgehoben, und es wird die
Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie über die Beschwerde gegen
die Verfügung vom 2. April 2001 materiell entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri, der
Ausgleichskasse des Kantons Uri und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.

Luzern, 20. Juli 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: