Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 792/2004
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Prozess {T 7}
I 792/04

Urteil vom 1. Dezember 2006
II. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Schön und Borella; Gerichtsschreiber
Lanz

B.________, 1961,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Schaffner-Hess,
Dornacherstrasse 10,
4600 Olten,

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6,
4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 21. Oktober 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 31. Januar 2002 wies die IV-Stelle des Kantons Solothurn
das Gesuch des B.________ um berufliche Massnahmen und Ausrichtung einer
Invalidenrente ab, was das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit
Entscheid vom 14. November 2003 bestätigte. Das Eidgenössische
Versicherungsgericht hob mit Urteil vom 16. August 2004 in teilweiser
Gutheissung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verfügung und den
kantonalen Entscheid auf und wies die Sache an die Verwaltung zurück
(Verfahren I 818/03). Das kantonale Gericht hatte gemäss Ziff. 4 des Urteils
zudem über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend
dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden.

B.
Mit Entscheid vom 21. Oktober 2004 setzte das Versicherungsgericht des
Kantons Solothurn die Parteientschädigung für das kantonale Verfahren auf
Fr. 1800.- (inkl. Mehrwertsteuer) fest und verpflichtete die IV-Stelle des
Kantons Solothurn, B.________ in diesem Umfange zu entschädigen.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ beantragen, es sei ihm in
Aufhebung des kantonalen Entscheides eine Parteientschädigung von Fr. 3548.75
auszurichten.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf
Stellungnahme. Das kantonale Gericht weist in seiner Vernehmlassung darauf
hin, dass bei der Festsetzung der Parteientschädigung die Honorarnote vom 2.
September 2004 irrtümlich übersehen worden sei, weshalb eine praxisgemässe
Entschädigung von Fr. 1800.- zugesprochen worden sei. In Anbetracht der
durchschnittlichen Komplexität des Falles erscheine der geltend gemachte
Aufwand als unangemessen. Ein erhöhter Abklärungsaufwand sei in keiner Weise
begründet worden.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist die Höhe der vorinstanzlich zugesprochenen
Parteientschädigung.

1.1 Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende Beschwerde führende Person
im kantonalen Verfahren Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden
vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert
nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses
bemessen.

Nach der Rechtsprechung ist diese neue prozessrechtliche Norm des
Bundesrechts - im Unterschied zu den mit dem ATSG geänderten
materiellrechtlichen Vorschriften - ab dem Tag dessen Inkrafttretens am 1.
Januar 2003 sofort anwendbar geworden; vorbehalten bleiben anders lautende
Übergangsbestimmungen (BGE 129 V 115 Erw. 2.2, 117 V 93 Erw. 6b). Von den im
ATSG enthaltenen Übergangsregelungen ist allein Art. 82 Abs. 2
verfahrensrechtlicher Natur. Danach haben die Kantone ihre Bestimmungen über
die Rechtspflege diesem Gesetz innerhalb von fünf Jahren nach seinem
Inkrafttreten anzupassen; bis dahin gelten die bisherigen kantonalen
Vorschriften (SVR 2006 ALV Nr. 15 S. 52 Erw. 4.1 [Urteil C. vom 16. November
2005, C 223/05]).

1.2 Die Verordnung über das Verfahren vor dem Versicherungsgericht und über
die Organisation und das Verfahren des Schiedsgerichts in der Kranken- und
Unfallversicherung des Kantons Solothurn vom 22. September 1987 (BGS 125.922)
bestimmt in § 7 Abs. 3, dass der obsiegende Beschwerdeführer oder Kläger
Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der unterliegenden
Sozialversicherungsanstalt hat. Die Entschädigung wird ohne Rücksicht auf den
Streitwert nach dem zu beurteilenden Sachverhalt und der Schwierigkeit des
Prozesses bemessen.

Materiellrechtlich genügt die kantonale Regelung damit den bundesrechtlichen
Vorgaben des Art. 61 lit. g Satz 1 ATSG. Hinsichtlich des grundsätzlichen
Anspruchs der obsiegenden Partei auf Parteientschädigung im
Sozialversicherungsprozess ist der Solothurnische Gesetzgeber mithin zu
keiner Anpassung der Bestimmungen über die Rechtspflege innert fünf Jahren
gehalten, womit der übergangsrechtliche Art. 82 Abs. 2 ATSG hier keine
eigenständige Rechtswirkung entfaltet, die der sofortigen Anwendbarkeit des
Art. 61 lit. g Satz 1 ATSG entgegenstünde.
Der angefochtene Entscheid vom 21. Oktober 2004 beruht damit auf öffentlichem
Recht des Bundes, weshalb auf die dagegen erhobene
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestützt auf Art. 128 und 97 OG in Verbindung
mit Art. 5 VwVG einzutreten ist (vgl. auch SVR 2006 ALV Nr. 15 S. 52 Erw. 4.1
[Urteil C. vom 16. November 2005, C 223/05], 2004 ALV Nr. 8 S. 22 Erw. 1.2
[Urteil B. vom 20. August 2003, C 56/03]).

2.
Der strittige Entscheid hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische
Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Nach § 1 Abs. 3 der in Erw. 1.2 hievor erwähnten Verordnung gilt, wo diese
Verordnung keine Regelung enthält, das Gesetz über den Rechtsschutz in
Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 15. November 1970; BGS
124.11). Gemäss dessen § 78 ist die Parteientschädigung in sinngemässer
Anwendung des Gebührentarifs festzusetzen. Hinsichtlich der
Parteientschädigungen in Zivil- und Verwaltungsgerichtsverfahren bestimmt §
180 Abs. 1 des Gebührentarifs vom 24. Oktober 1979 (BGS 615.11), dass die zur
Kostenforderung berechtigte Partei die Kostennote "bei der Erledigung der
Hauptsache" unentgeltlich zu den Akten zu geben hat. Wird die Kostennote
nicht eingereicht (§ 180 Abs. 2 des Gebührentarifs), setzt der Richter die
Parteientschädigung nach § 181 des Gebührentarifs nach dem Umfang der
Bemühungen, der Wichtigkeit und Schwierigkeit der Sache und den
Vermögensverhältnissen der Parteien in einer Pauschalsumme fest.

4.
4.1 Die Anwältin des Beschwerdeführers hatte im kantonalen Hauptverfahren
(VSBES.2002.142), zu dem das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
vom 16. August 2004 im Verfahren I 818/03 ergangen war, keine Kostennote
eingereicht. Etwas Gegenteiliges wird nicht geltend gemacht. Hätte das
kantonale Gericht die Beschwerde im Hauptverfahren mit Entscheid vom 14.
November 2003 gutgeheissen, hätte es die Parteientschädigung in Anwendung von
§ 181 Abs. 1 des Gebührentarifs pauschal festlegen müssen und auch dürfen.

4.2 Nachdem das Eidgenössische Versicherungsgericht am 16. August 2004 im
Verfahren I 818/03 den kantonalen Entscheid vom 14. November 2003 aufgehoben
und das kantonale Gericht mit Dispositiv-Ziffer 4 angewiesen hatte, "über
eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang
des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden", reichte die Anwältin am 2.
September 2004 eine Kostennote ein. Wie die Vorinstanz in ihrer Stellungnahme
im heutigen Verfahren einräumt, hat sie diese Kostennote bei der Festlegung
der umstrittenen Parteientschädigung irrtümlicherweise übersehen. Daraus kann
der Beschwerdeführer aber nichts zu seinen Gunsten herleiten. Mit seinem
Urteil vom 16. August 2004 wies das Eidgenössische Versicherungsgericht die
Sache nicht als solche an das kantonale Gericht zurück (gemäss
Dispositiv-Ziffer 1 war in der Sache selber eine Rückweisung an die IV-Stelle
erfolgt). Es verpflichtete die Vorinstanz vielmehr bloss, - wie erwähnt -
über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren zu befinden. Dies
hatte vorbehältlich anders lautender kantonaler Vorschriften zu geschehen.
Der Beschwerdeführer übersieht, dass die Vorinstanz kein neues Verfahren zu
eröffnen hatte, sondern lediglich gehalten war, den Entschädigungspunkt zu
behandeln. Dazu bedurfte es keiner zusätzlicher Akten. Insbesondere benötigte
sie dazu nicht eine Kostennote, nachdem eine solche "bei der Erledigung der
Hauptsache" nicht zu den Akten gegeben worden war (vgl. in diesem
Zusammenhang ZAK 1989 S. 255 f. Erw. 5a, ferner das den Kanton Solothurn
betreffende unveröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 5. Januar 1999
i.S. J. [2P.83/1998] Erw. 3a/bb mit Hinweisen sowie das unveröffentlichte
Urteil S. vom 21. März 1994 [I 331/93a] Erw. 4d). Darin kann keine Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör erblickt werden (BGE 115 Ia 101;
erwähntes Urteil I 331/93a).

4.3 Ein Kosten- und Entschädigungsentscheid muss unter Umständen gar nicht
begründet werden, wenn beispielsweise bezüglich der Höhe eines Kosten- und
Entschädigungsbetrags alle tatbeständlichen und rechtlichen
Berechnungsgrundlagen klar sind oder wenn der Behörde bei Abschluss des
Verfahrens keine (detaillierte) Kostennote vorliegt (BGE 111 Ia 1 Erw. 2a, 93
I 120 Erw. 2; Urteil des Bundesgerichts vom 9. August 2002 i.S. G.
[1P.284/2002] Erw. 2.4.1). Diese Voraussetzungen waren hier mit Bezug auf die
Erledigung der Hauptsache erfüllt. Der Beschwerdeführer geht
fälschlicherweise davon aus, das kantonale Gericht hätte seine Kostennote
gekürzt, ohne dies näher zu begründen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
besteht auch diesbezüglich nicht.

5.
5.1 Im Anwendungsbereich von Art. 61 lit. g ATSG prüft das Eidgenössische
Versicherungsgericht als Frage des Bundesrechts frei, ob der vorinstanzliche
Entscheid hinsichtlich der Bemessung der Parteientschädigung den
bundesrechtlichen Anforderungen genügt. Darüber hinaus ist praktisch nur zu
prüfen, ob die Höhe der Parteientschädigung vor dem Willkürverbot standhält
(vgl. dazu und zum Folgenden SVR 2006 ALV Nr. 15 S. 52 f. Erw. 4.2 und 4.3
[Urteil C. vom 16. November 2005, C 223/05], ferner Urteil V. vom 23.
November 2006, U 240/06, Erw. 5.1, je mit weiteren Hinweisen).

Nach der Rechtsprechung verstösst eine Entscheidung gegen das in Art. 9 BV
verankerte Willkürverbot, wenn sie eine Norm oder einen klaren und
unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich schwer verletzt, sich mit
sachlichen Gründen schlechthin nicht vertreten lässt oder in stossender Weise
dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkürliche Rechtswendung liegt
nicht schon vor, wenn eine andere Lösung in Betracht zu ziehen oder sogar
vorzuziehen wäre.

Ein Entscheid über eine Parteientschädigung im Besonderen ist u.a. dann
willkürlich, wenn eine schlechthin unhaltbare Betätigung des dem Gericht vom
Bundes- und kantonalen Recht eröffneten Ermessens vorliegt, wobei eine
willkürliche Ermessensausübung zugleich einen Ermessensmissbrauch darstellt.

Nach der Rechtsprechung kann das durchschnittliche Anwaltshonorar je nach
kantonaler Anwaltsgebühren-Regelung willkürfrei innerhalb einer relativ
weiten Bandbreite von Fr. 160.- bis Fr. 320.- pro Stunde (einschliesslich
Mehrwertsteuer) festgelegt werden (SVR 2002 ALV Nr. 3 S. 6 Erw. 4c [Urteil W.
vom 11. Juni 2001, C 130/99]; neuerdings beträgt der minimale Stundenansatz
Fr. 180.- [zuzüglich Mehrwertsteuer]: Urteil V. vom 23. November 2006, U
240/06, Erw. 5.2 mit weiteren Hinweisen).

5.2 Die Höhe der Parteientschädigung von Fr. 1800.- entspricht bei einem
minimalen Stundenansatz von Fr. 160.- in etwa einem Arbeitsaufwand von rund
elf Stunden. Ein solcher Aufwand ist für das vorliegende Verfahren, das von
der Bedeutung und der Schwierigkeit der sich stellenden Fragen als
durchschnittlich einzustufen ist, angemessen. Zu entschädigen ist nicht der
geltend gemachte, sondern nur der notwendige Aufwand (erwähntes Urteil V. vom
23. November 2006). Vorliegend lässt sich der Betrag von Fr. 1800.- nicht als
willkürlich bezeichnen.

6.
Es geht nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen, weshalb das Verfahren kostenpflichtig ist
(Umkehrschluss aus Art. 134 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn, der Eidgenössischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 1. Dezember 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der II. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: