Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 74/2004
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I 74/04

Urteil vom 9. August 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Hadorn

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________, 1994, Beschwerdegegner, vertreten
durch seine Mutter, und diese vertreten durch
lic. iur. Karolin Wolfensberger, Langstrasse 4, 8004 Zürich

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 5. Januar 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 28. Dezember 2001 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich
B.________ (geb. 1994) medizinische Eingliederungsmassnahmen (Psychotherapie)
zu. Mit Verfügung vom 27. März 2003 lehnte sie hingegen ein Gesuch um
medizinische Massnahmen zur Behandlung eines angeborenen Psychoorganischen
Syndroms (POS) ab. Mit Einspracheentscheid vom 30. Mai 2003 bestätigte die
IV-Stelle diese Verfügung.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 5. Januar 2004 in dem Sinne gut, dass es die
Sache zu näheren Abklärungen an die Verwaltung zurückwies.

C.
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der
kantonale Entscheid sei aufzuheben.

B.  ________ lässt auf Nichteintreten, eventuell auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auch wenn die Vorinstanz die Sache materiell nicht endgültig entschieden,
sondern zu näheren Abklärungen an die Verwaltung zurückgewiesen hat, geht es
letztendlich um die Bewilligung oder Verweigerung medizinischer Massnahmen
und damit um einen Leistungsstreit. Das Eidgenössische Versicherungsgericht
ist nicht an die Anträge der Parteien gebunden (Art. 132 OG) und könnte
grundsätzlich in seinem Urteil auch materiell abschliessend Leistungen
zusprechen oder verweigern. Das Begehren des Beschwerdegegners auf
Nichteintreten ist offensichtlich unbegründet (Art. 36a OG).

2.
Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat die gesetzlichen Vorschriften
zum Anspruch Minderjähriger auf die Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3
Abs. 2 ATSG, Art. 13 Abs. 1 und 2 IVG; Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 3 GgV),
namentlich bei angeborenem POS (Ziff. 404 GgV Anhang), und die dazu ergangene
Rechtsprechung (BGE 122 V 113; AHI 2002 S. 60) richtig dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

3.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf medizinische Massnahmen zur
Behandlung eines angeborenen POS. Dabei ist unbestritten, dass die Diagnose
und der Behandlungsbeginn vor Vollendung des 9. Altersjahres erfolgt sind,
womit diese Voraussetzungen für die Leistungspflicht der
Invalidenversicherung nach Ziff. 404 GgV Anhang erfüllt wären. Wegen der
medizinischen Aktenlage ist trotzdem umstritten, ob ein angeborenes oder ein
erworbenes POS vorliegt.

4.
Die Vorinstanz hat die streitigen Unterlagen sorgfältig und umfassend
gewürdigt und die Widersprüche zwischen den Angaben von Dr. med. C.________,
Oberarzt am Kinderspital X.________, und Dr. med. Z.________, FMH für Kinder-
und Jugendpsychiatrie, sowie den IV-Ärzten Dr. med. S.________ und Frau Dr.
med. G.________ einerseits und denjenigen von PD Dr. med. A.________, Kinder-
und Jugendpsychiatrischer Dienst, anderseits detailliert herausgearbeitet.
Darauf kann verwiesen werden. Insbesondere trifft zu, dass die Argumente
beider Seiten in beweisrechtlicher Hinsicht als gleichwertig einzustufen
sind. Entgegen der Behauptung der IV-Stelle hat Dr. med. A.________ die
Vorgeschichte des Versicherten gekannt. Im Bericht vom 24. Juni 2003 erwähnt
er ausdrücklich, die emotionale Problematik, welche auf die im frühen Alter
aufgetretenen Trennungsängste zurückgingen, habe sich gebessert. Diese seien
in der Tat keine Geburtsgebrechen. Hingegen dauerten die für das infantile
POS charakteristischen Symptome weiterhin an. Dr. med. A.________
unterscheidet somit zwischen den durch die Trennungsängste verursachten
Problemen einerseits und POS-Symptomen andererseits. Auf Grund der
vorhandenen Akten ist es nicht möglich, diese Unterscheidung einwandfrei zu
widerlegen. Auch diesbezüglich ist den vorinstanzlichen Erwägungen
beizupflichten. Daher kann der IV-Stelle, welche zu einseitig auf die zu
ihren Gunsten sprechenden Belege abstellt, nicht gefolgt werden. Vielmehr
erscheint es angezeigt, ergänzende medizinische Berichte einzuholen, welche
sich unter Berücksichtigung der gesamten Anamnese mit den Widersprüchen
zwischen Dr. med. A.________ und den andern Ärzten zu befassen haben werden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Entschädigung von Fr.

2000. - (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 9. August 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: