Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 71/2004
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I 71/04

Urteil vom 12. August 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin
Weber Peter

S.________, 1948, Beschwerdeführerin, vertreten durch Procap, Schweizerischer
Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten,

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 22. Dezember 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1948 geborene S.________ leidet seit 1954 unter Poliomyelitis und bezog
in der Folge diverse Leistungen der Invalidenversicherung. Im März 2001
wandte sie sich an die Hilfsmittelberatung für Behinderte (SHAB) mit der
Anfrage um Prüfung eines Kostenbeitrages an die behinderungsbedingte
Anpassung der Küche. Daraufhin beauftragte die IV-Stelle des Kantons
Solothurn die SHAB mit der fachtechnischen Abklärung. Gestützt auf deren
Bericht vom 3. Juli 2002 sprach die IV-Stelle der Versicherten mit Verfügung
vom 9. Juli 2002 einen Betrag von Fr. 5'000.- an die Kosten für die baulichen
Änderungen der neuen Küche zu.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher Antrag auf Kostenbeteiligung
für die Anpassung der Küche von mindestens Fr. 13'169.20 gestellt worden war,
hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn in dem Sinne gut, dass
es die angefochtene Verfügung vom 9. Juli 2002 aufhob und feststellte, dass
die Versicherte für die baulichen Änderungen in der Küche Anspruch auf einen
Beitrag in der Höhe von insgesamt Fr. 7'006.95 habe. Die weitergehende
Beschwerde wurde abgewiesen (Entscheid vom 22. Dezember 2003).

C.
S. ________ lässt unter Beilage eines ärztlichen Zeugnisses von Dr. med.

H. ________, Facharzt für Innere Medizin FMH, (vom 3. Februar 2004),
Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren, in Aufhebung des
kantonalen Gerichtsentscheides und der angefochtenen Verfügung sei die
IV-Stelle zu verpflichten, zusätzlich zum vorinstanzlich zugesprochenen
Betrag "auch die Kosten für die elektrische Höhenverstellbarkeit der
Arbeitsfläche in der Küche von Fr. 5'284.70 zu erstatten"; eventuell sei die
Angelegenheit zur Neuabklärung an die IV-Stelle zurückzuweisen.

Die IV-Stelle und des Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Wie das kantonale Gericht richtig ausgeführt hat, ist das am 1. Januar
2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) nach den von der Rechtsprechung entwickelten
intertemporalrechtlichen Regeln (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) in
materiellrechtlicher Hinsicht auf den vorliegenden Sachverhalt nicht
anwendbar (129 V 4 Erw. 1.2). Gleiches gilt für die am 1. Januar 2004 in
Kraft getretenen Änderungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung
vom 21. März 2003 und der Verordnung über die Invalidenversicherung vom 21.
Mai 2003 (4. IVG-Revision).

Zutreffend dargelegt hat es sodann die Bestimmungen über den Anspruch auf
Hilfsmittel, insbesondere auf invaliditätsbedingte bauliche Änderungen am
Arbeitsplatz und im Aufgabenbereich (Art. 21 IVG, Art. 14 IVV, Ziff. 13.04*
HVI-Anhang), die dabei nach der Rechtsprechung zu beachtenden Grundsätze (BGE
121 V 260 Erw. 2 c mit Hinweisen; vgl. auch BGE 124 V 110 Erw. 2a, 122 V 214
Erw. 2c je mit Hinweisen) sowie die Rechtsprechung zur
Schadenminderungspflicht (BGE 113 V 28 Erw. 4a, vgl. ferner BGE 123 V 233
Erw. 3c, 117 V 278 Erw. 2b, je mit Hinweisen; AHI 2001 S. 282 f. Erw.5a/aa).
Darauf wird verwiesen.

1.2  Zu ergänzen bleibt, dass gemäss Art. 8 Abs. 1 IVG (in der bis 31.
Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung) Invalide oder von einer Invalidität
bedrohte Versicherte Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen haben, soweit
diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen,
zu verbessern, zu erhalten oder ihre Verwertung zu fördern (Satz 1). Zu
diesen Eingliederungsmassnahmen gehört auch die Abgabe von Hilfsmitteln (Abs.
3 lit. d). Nach Art. 2 Abs. 4 HVI besteht nur Anspruch auf Hilfsmittel in
einfacher und zweckmässiger Ausführung. Durch eine andere Ausführung bedingte
zusätzliche Kosten hat der Versicherte selbst zu tragen (Satz 1 und 2).

2.
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Invalidenversicherung im Rahmen der
invaliditätsbedingten Anpassungen der Küche als Teil des Betätigungsbereiches
(Art. 21 Abs. 1 IVG; Art. 2 Abs. 2 HVI) im Rahmen von Ziff. 13.04* HVI-Anhang
zu verpflichten ist, über die vorinstanzlich zugesprochenen Fr. 7'006.95
hinaus den Betrag von Fr. 5'284.70 an die höhenverstellbare Arbeitsfläche zu
bezahlen. Die Antwort auf diese Frage entscheidet sich daran, ob die
Einrichtung dieser höhenverstellbaren Arbeitsfläche im Sinne von Art. 8 Abs.
1 IVG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 4 (Satz 1) HVI eine invaliditätsbedingt
notwendige, einfache und zweckmässige Hilfsmittelversorgung darstellt.

3.
Verwaltung und Vorinstanz haben sich auf die fachtechnische Beurteilung der
Hilfsmittelberatung für Behinderte vom 3. Juli 2002 mitsamt Ergänzungen vom
26. November 2002 gestützt. Darin hat die Fachstelle ausgeführt:
"Frau S.________ liess mit der Begründung, dass die Küche sowohl von ihr im
Rollstuhl sitzend, wie auch von der Tochter im Stehen benützt werde, einen
220 cm breiten, in der Höhe elektrisch verstellbaren Arbeitstisch einbauen."

"Im vorliegenden Fall betrifft die Absenkung nur einen Teil der
Arbeitsfläche, insbesondere des Spülbeckens und des Kochbereichs. Dadurch ist
einzig das Geschirrspülen betroffen, da sich die stehende Person etwas mehr
bücken muss. Bei der Kochstelle kann die tiefere Arbeitsfläche sogar als
Vorteil angesehen werden, da die hinteren Pfannen besser eingesehen werden
können. Rüstarbeiten oder andere Tätigkeiten können zudem im nicht
abgesenkten Arbeitsbereich erledigt werden. Wir erachten eine elektrisch
höhenverstellbare Arbeitsfläche daher als nicht einfach und zweckmässig."

4.
Diesen Ausführungen der fachtechnisch versierten Abklärungsstelle ist sowohl
unter dem Gesichtspunkt der Mehrfachbenützung der Küche Versicherte/nicht
behinderte Tochter als auch mit Blick auf das geltend gemachte Bedürfnis, bei
Auftreten von Schmerzen sofort von der Sitz- in die Stehhaltung zu wechseln
(vgl. das letztinstanzlich aufgelegte Zeugnis des Dr. med. H.________,
Facharzt für Innere Medizin FMH, vom 3. Februar 2004), beizupflichten. Die
Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen daran nichts zu
ändern. Insbesondere ist es im Rahmen der Schadenminderungspflicht möglich
und geboten, dass Mutter, Tochter und allenfalls Dritte bei der gemeinsamen
Verrichtung von Küchenarbeiten entsprechend disponieren, zumal nur das
Geschirrspülen betroffen ist. Was das geltend gemachte Bedürfnis, sofort in
die Stehlage zu wechseln, anbelangt, ist festzuhalten, dass die Vornahme von
Küchenarbeiten lediglich einen Teil der Betätigung im Haushalt als
anerkannter Aufgabenbereich darstellt. Selbst wenn es sich so verhält, dass
die Beschwerdeführerin unvorhergesehen und unvermittelt von der Sitz- in die
Stehhaltung wechseln muss, heisst dies nicht, dass sie die gerade begonnene
Küchenarbeit fortzusetzen braucht. Vielmehr  hat sie die Möglichkeit, auf
einen anderen Arbeitsgang auszuweichen, bei dem die Frage des Arbeitsniveaus
keine Rolle spielt. Die Anschaffung der elektrisch höhenverstellbaren
Arbeitsvorrichtung ist als bestmögliche Eingliederung zu qualifizieren, für
welche die Invalidenversicherung praxisgemäss nicht leistungspflichtig ist
(BGE 124 V 110 Erw. 2a, 121 V 260 Erw. 2c, je mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn, der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 12. August 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: