Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 67/2004
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2004
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2004


I 67/04

Urteil vom 13. Januar 2005
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin Weber
Peter

V.________, 1967, Beschwerdeführerin, vertreten durch den Rechtsdienst für
Behinderte, Bürglistrasse 11, 8002 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 17. Dezember 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1967 geborene V.________ arbeitete seit 1989 zu 100 % als Kindergärtnerin
in X.________. Auf Grund einer schweren sekundären pulmonal-arteriellen
Hypertonie musste sie ihr Pensum ab 21. April 1997 auf 50 % reduzieren,
weshalb sie sich am 6. Oktober 1997 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug anmeldete. Mit Verfügung vom 8. Februar 1999 sprach ihr die
IV-Stelle Schaffhausen ab 1. April 1998 eine halbe Invalidenrente bei einem
Invaliditätsgrad von 50 % zu. Auf Gesuch der Versicherten hin gewährte die
IV-Stelle des Kantons Zürich berufliche Massnahmen in Form einer
berufsbegleitenden Umschulung zur Heilpädagogin für geistig Behinderte vom 8.
September 1999 bis 19. Juli 2002 (Verfügung vom 13. Oktober 1999) und
richtete Taggelder aus. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung wurde
V.________ ab dem Schuljahr 2002/03 an der Heilpädagogischen Schule
Y.________ zu einem Pensum von 50 % angestellt. Nach Beizug eines
Arztberichts des Spitals Z.________ (vom 6. August 2002) ermittelte die
Verwaltung einen Invaliditätsgrad von 37 % und verneinte nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren den Anspruch auf eine Invalidenrente mit Verfügung vom
26. November 2002.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 17. Dezember 2003).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die Versicherte beantragen, in
Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides und der Verfügung sei die Sache
zur ergänzenden Abklärung an das Sozialversicherungsgericht beziehungsweise
an die IV-Stelle zurückzuweisen. Eventualiter sei ihr eine Rente der
Invalidenversicherung zuzusprechen.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Wie das kantonale Gericht richtig erkannt hat, findet das auf den 1.
Januar 2003 und somit nach Erlass der strittigen Verwaltungsverfügung vom 26.
November 2002 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 keine Anwendung (BGE 129
V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen).
Gleiches gilt für die Bestimmungen der auf den 1. Januar 2004 in Kraft
getretenen 4. IV-Revision, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses
der streitigen Verfügung (26. November 2002) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen; RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101).

1.2 Zutreffend dargelegt hat die Vorinstanz zudem die gesetzlichen
Bestimmungen und Grundsätze über die Voraussetzungen und den Umfang des
Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) sowie die Invaliditätsbemessung
bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG;
BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2a und b).
Zu betonen bleibt, dass der Sozialversicherungsprozess vom
Untersuchungsgrundsatz beherrscht ist. Danach hat das Gericht von Amtes wegen
für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen
Sachverhaltes zu sorgen. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht
uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der
Parteien (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen).
Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne einer
Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess
tragen mithin die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im
Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt,
die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese
Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist,
im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung einen
Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat,
der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen).

2.
Strittig ist vorliegend der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung
und mithin die Höhe des Invaliditätsgrades. Unbestritten ist dabei der Grad
der Arbeitsunfähigkeit. Entsprechend der medizinischen Aktenlage,
insbesondere dem Arztbericht des Spitals Z.________ (vom 6. August 2002), ist
die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer gesundheitlichen Einschränkung auch in
einer behinderungsangepassten Tätigkeit wie z.B. als Heilpädagogin ab Juli
2002 bis auf weiteres zu 50 % arbeitsunfähig. Gemäss diesem Bericht kann es
auf Grund der Schwere der Krankheit im weiteren Verlauf zu einer
Verschlechterung kommen, sodass die Langzeitprognose unklar ist. Unbestritten
und nicht zu beanstanden ist zudem das Invalideneinkommen im Betrag von Fr.
51'935.50, das dem Jahreslohn entspricht, den die Versicherte als Lehrerin an
der Heilpädagogischen Schule Y.________ ab August 2002 mit einem halben
Pensum erzielte.

3.
Zu prüfen bleibt mithin einzig das hypothetische Einkommen ohne Invalidität
(Valideneinkommen).

3.1 Bei der Ermittlung des Valideneinkommens ist die Vorinstanz von den
Gegebenheiten während des letzten Arbeitsverhältnisses ausgegangen und hat
den aus der zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit als Kindergärtnerin
erzielbaren Lohn im Jahre 2002 von Fr. 82'568.- zu Grunde gelegt. Dies ist
korrekt und wird denn zu Recht auch nicht mehr bestritten. Von Seiten der
Beschwerdeführerin wird jedoch bemängelt, dass die Entschädigungen für die
geltend gemachten Zusatzaufgaben nicht berücksichtigt wurden. Dabei handelte
es sich um wöchentlich erteilte Nachhilfestunden in Deutsch für
fremdsprachige Kindergartenschüler sowie um die Tätigkeit als Praxislehrerin
für Seminaristinnen.

3.2 Was die Zusatzentschädigung als Praxislehrerin anbelangt, hat die
Vorinstanz bei der Bemessung des Valideneinkommens zu Recht von einer
Anrechnung abgesehen. Da die Beschwerdeführerin die Betreuung von
Seminaristinnen im Zeitraum von 1991 bis zum Eintritt der Invalidität 1997
nur mit längeren Unterbrüchen und insgesamt lediglich während zwei der sechs
Jahre durchgeführt hat und eine klare Zusicherung für eine regelmässige
Ausübung dieser Funktion fehlt, kann das daraus resultierende Entgelt nicht
zum normalerweise erzielbaren Verdienst und damit zum Valideneinkommen
gerechnet werden (vgl. dazu AHI 2002 S. 155 ff. mit Hinweisen). Da die
Invaliditätsschätzung der dauernd oder für längere Zeit bestehenden
Erwerbsunfähigkeit entsprechen muss, setzt die Berücksichtigung eines
derartigen Zusatzeinkommens voraus, dass die Versicherte aller Voraussicht
nach damit hätte rechnen können; die blosse Möglichkeit dazu genügt nicht
(RKUV 1989 Nr. U 69 S 180 f.).
3.3
3.3.1Den Nichteinbezug der Entschädigung für den Deutschunterricht hat die
Vorinstanz u.a. damit begründet, dass dieser Zusatzverdienst weder durch die
Auszüge aus dem individuellen Konto noch durch die unter Hinweis auf die
Mitwirkungspflicht von Seiten des Gerichts mit Verfügung vom 4. August 2003
eingeforderten Belege wie Lohnabrechnungen, Lohnbescheinigungen oder
Steuerunterlagen in Bestand und Höhe gehörig nachgewiesen werden konnte und
sich die Beweislosigkeit zu Ungunsten der Beschwerdeführerin auswirke.

3.3.2 Mit der Beschwerdeführerin gilt dazu festzustellen, dass die
Beweisregel, wonach im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten
jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte
ableiten wollte, erst dann Platz greift, wenn es sich als unmöglich erweist,
im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung einen
Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat,
der Wirklichkeit zu entsprechen (vgl. Erw. 1.2 hievor). Zwar lässt sich aus
den IK-Auszügen, wie auch aus den von der Beschwerdeführerin auf Aufforderung
des Gerichts beigebrachten Lohnabrechnungen sowie Bank- und Postkontoauszügen
nicht schlüssig entnehmen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sie bei der
Primarschule X.________ ein Zusatzeinkommen erzielt hat. Mit Bezug auf das in
den Akten liegende Bestätigungsschreiben der Primarschule X.________ vom 23.
September 2003 konnte das Gericht jedoch nicht davon ausgehen, dass mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit der Beweis betreffend Bestand und Höhe des
jährlichen Einkommens im Zusammenhang mit Fremdsprachenunterricht nicht
erbracht werden konnte. Vielmehr geht aus diesem offiziellen Schreiben der
Präsidentin der Primarschule X.________ hervor, dass die Beschwerdeführerin
in den Jahren 1989 bis 1997 als Kindergärtnerin zusätzlich zu ihrer regulären
Anstellung auch Deutschlektionen erteilt hatte. Das Pensum wurde mit 2 bis 3
Lektionen wöchentlich im Durchschnitt beschrieben. Dazu wurde ergänzt, dass
eine genaue Auflistung der Lektionen mit Datum und Auszahlung mit sehr viel
zeitlichem Aufwand verbunden wäre, da in der Zwischenzeit die
Behördemitglieder und die Gutsverwaltung mehrmals gewechselt hätten. Sollte
eine genaue Belegauflistung noch erforderlich sein, würde dies auf
schriftlichen Antrag hin erstellt. Unter diesen Umständen wäre das Gericht
gehalten gewesen, in Nachachtung des Untersuchungsgrundsatzes eine
entsprechende Nachfrage zu tätigen, ist doch die Beschwerdeführerin bis dahin
ihrer Mitwirkungspflicht den Umständen entsprechend genügend nachgekommen.
Indem die Vorinstanz auf zusätzliche Abklärungen verzichtete und von
Beweislosigkeit ausging, verletzte sie einerseits die ihr durch den
Untersuchungsgrundsatz auferlegte Pflicht zur vollständigen Abklärung des
rechtserheblichen Sachverhalts und anderseits den Grundsatz der freien
Beweiswürdigung. Daran ändert auch die Zusatzbegründung im angefochtenen
Entscheid nichts, wonach dieses Einkommen auch beim Invalideneinkommen hätte
berücksichtigt werden müssen, womit sich dies nicht erhöhend auf den
Invaliditätsgrad auswirken würde. Dazu gilt es festzustellen, dass die
Arbeitsfähigkeit unbestrittenermassen auch nach der Umschulung ab Juli 2002
in einer behinderungsangepassten Tätigkeit nur noch 50 % betrug. Wie die
Beschwerdeführerin zutreffend argumentiert und durch die Akten erstellt ist,
wäre es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen,
zusätzlich zu ihrem Pensum als Heilpädagogin in Y.________ weiterhin
Fremdsprachenunterricht zu erteilen. Wie sie zudem zu Recht anführt, hat der
weitere Verlauf der gesundheitlichen Entwicklung dies denn auch bestätigt,
bezieht sie doch seit 1. März 2003 eine ganze Rente. Dass sie dieses
Zusatzeinkommen bis 1999, also auch nach Eintritt der Invalidität, erzielte
und auch während der Umschulung Deutschunterricht erteilte, ist entgegen der
Vorinstanz hier nicht relevant.

4.
Bei dieser Ausgangslage wäre die Sache grundsätzlich zu ergänzenden
Abklärungen bezüglich Zusatzeinkommen aus Deutschunterricht im Sinne der
Erwägungen an die Verwaltung zurückzuweisen. Davon kann vorliegend jedoch aus
folgenden Überlegungen abgesehen werden. Auf Grund des Schreibens der
Primarschule X.________ vom 23. September 2003 kann davon ausgegangen werden,
dass die Beschwerdeführerin ohne gesundheitliche Beeinträchtigung zusätzlich
zum Vollpensum als Kindergärtnerin im Minimum zwei Lektionen
Deutschunterricht wöchentlich erteilt hätte, ist doch die Rede von 2 bis 3
Lektionen wöchentlich im Durchschnitt. Der entsprechende Lohn betrug im Jahre
2002 Fr. 72.60 pro Stunde (vgl. Schreiben der Primarschulpflege X.________
vom 13. Januar 2003). Gestützt darauf kann die minimal anrechenbare
Entschädigung für den Deutschsprachenunterricht auf Fr. 5808.- pro Jahr
(Vikariatslohn von Fr. 72.60 x 2 Wochenstunden x 40 Unterrichtswochen)
beziffert werden. Die maximale Entschädigung, d.h. bei 3 Wochenstunden,
betrüge Fr. 8712.-. Mithin kann von einem Valideneinkommen von Fr. 88'376.-
(Fr. 82'568.- plus Fr. 5808.-) im Minimum und Fr. 91'280.- im Maximum
ausgegangen werden. In Gegenüberstellung mit dem unbestrittenen
Invalideneinkommen im Betrag von Fr. 51'935.- resultiert eine
Einkommenseinbusse von mindestens Fr. 36'441.- und höchstens Fr. 39'345.-,
was einem rentenbegründenden Invaliditätsgrad von 41 % bzw. 43 % entspricht.
Damit hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Viertelsrente, deren
Beginn von der IV-Stelle noch festzulegen ist.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Ausgang des Verfahrens
entsprechend steht der durch den Rechtsdienst für Behinderte vertretenen
Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 und 2 in
Verbindung mit Art. 135 OG; SVR 1997 IV Nr. 110 S. 341).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. Dezember 2003 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 26. November 2002 aufgehoben
und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine
Viertelsrente der Invalidenversicherung hat.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr.
2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 13. Januar 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: