Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 672/2004
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I 672/04

Urteil vom 13. Januar 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber
Flückiger

E.________, 1961, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Ludwig
Müller, Schifflände 6,
8024 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17,
8005 Zürich, Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 6. September 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1961 geborene E.________ war seit 1. Januar 1993 als Bauarbeiter bei der
Firma X.________, angestellt. Ab 29. November 2000 musste er die Arbeit aus
gesundheitlichen Gründen aussetzen. Am 1. Februar 2002 meldete er sich bei
der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Umschulung auf eine neue
Tätigkeit) an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte Auskünfte der
Arbeitgeberin vom 1. Juli 2002 ein und zog Berichte des Dr. med. F.________,
Prakt. Arzt, vom 3. April 2002 (mit beigelegten Stellungnahmen des Dr. med.
M.________, Leiter Wirbelsäulenchirurgie Orthopädische Klinik Y.________, vom
6. und 20. Februar 2001) sowie der IV-internen Berufsberatung vom 25. Juli
2002 bei. Ausserdem liess sie in der Klinik Z.________ berufliche Abklärungen
durchführen (Bericht vom 25. März 2003). Anschliessend verneinte sie mit
Verfügung vom 8. April 2003 einen Anspruch auf berufliche Massnahmen. Dieser
Entscheid blieb unangefochten. Mit Verfügung vom 23. Juni 2003 lehnte es die
Verwaltung ausserdem ab, dem Versicherten eine Rente auszurichten. Daran
hielt sie auf Einsprache hin - nach Einholung einer Stellungnahme des Dr.
med. M.________ vom 30. Oktober 2003, welcher ein Bericht "Neurologisches
Konsil" des Prof. Dr. med. D.________ vom 8. Februar 2001 beigelegt war- mit
Entscheid vom 7. Januar 2004 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen
Rente, eventuell Rückweisung der Sache an die Verwaltung, wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 6. September
2004).

C.
E.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
es sei ihm mit Wirkung ab dem 29. November 2001 eine halbe Rente
zuzusprechen, eventuell sei ihm "im Sinne einer beruflichen Massnahme eine
Arbeitsstelle zu vermitteln".
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Das kantonale Gericht hat die Grundsätze über die Aufgabe des Arztes
oder der Ärztin im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit
Hinweisen) sowie den Beweiswert und die Würdigung medizinischer Berichte und
Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

1.2  Am 1. Januar 2003 sind das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) und die Verordnung über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV) vom 11. September
2002, am 1. Januar 2004 die Änderungen des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung vom  21. März 2003 (4. IVG-Revision) und der Verordnung
über die Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 in Kraft getreten. In dieser
Konstellation ist der Rentenanspruch materiellrechtlich für die Zeit bis 31.
Dezember 2002 nach den bis zu diesem Datum geltenden Bestimmungen, für das
Jahr 2003 unter zusätzlicher Berücksichtigung von ATSG, ATSV und der damit
verbundenen Rechtsänderungen sowie ab 1. Januar 2004 entsprechend der seither
geltenden Normenlage zu beurteilen (vgl. BGE 130 V 445 ff. Erw. 1).

1.3  Der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung setzt sowohl
gemäss der bis Ende 2003 gültig gewesenen als auch nach der seit 1. Januar
2004 geltenden Fassung des Art. 28 Abs. 1 IVG einen Invaliditätsgrad von
Mindestens 40% voraus. Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das
Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität
und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger
Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei
ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum
Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden
wäre (Art. 16 ATSG). Diese Definition entspricht inhaltlich derjenigen von
Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung (BGE
130 V 348 f. Erw. 3.4), weshalb die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 128 V
30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2a und b) weiterhin massgebend bleibt.

2.
2.1 In medizinischer Hinsicht gelangten Verwaltung und Vorinstanz zum
Ergebnis, der Beschwerdeführer könne wegen seiner gesundheitlichen
Einschränkungen, insbesondere der Rückenbeschwerden, den angestammten Beruf
als Bauarbeiter nicht mehr ausüben. In einer leichten bis maximal
mittelschweren, behinderungsangepassten Tätigkeit sei er jedoch zu 100%
arbeitsfähig. Sie stützten sich dabei auf die Stellungnahmen des Dr. med.
M.________ vom 6. und 20. Februar 2001 sowie 30. Oktober 2003, des Dr. med.
F.________ vom 3. April 2002 und des Dr. med. K.________, Physikalische
Medizin und Rehabilitation FMH (Arzt bei der Klinik Z.________), im Bericht
vom 25. März 2003. Dieser Beurteilung ist beizupflichten. Insbesondere hat
das kantonale Gericht mit Recht erkannt, die vorhandenen medizinischen
Unterlagen würden den durch die Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an
beweiskräftige Stellungnahmen (BGE 125 V 352 Erw. 3a) gerecht und erlaubten
eine zuverlässige Beurteilung der Arbeitsfähigkeit. Die in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwände gegen die Zuverlässigkeit
der medizinischen Unterlagen, welche sowohl in den Diagnosen als auch in den
Aussagen zur Arbeitsunfähigkeit weitgehend übereinstimmen, hat bereits die
Vorinstanz mit überzeugender Begründung verworfen.

2.2  Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, sein Gesundheitszustand habe
sich in der Zeit nach den im Februar 2001 durchgeführten Untersuchungen
verschlechtert. Deshalb seien ein neuer MRI-Bericht und ein neuer
neurologischer Bericht einzuholen. Falls sich die Kopfschmerzen somatisch
nicht erklären liessen, müsse ausserdem ein psychiatrisches Gutachten in
Auftrag gegeben werden. Nach der Rechtsprechung ist eine spezialärztliche
Untersuchung erforderlich, wenn hiezu auf Grund der Parteivorbringen oder
anderer sich aus den Akten ergebender Anhaltspunkte hinreichender Anlass
besteht (BGE 117 V 282 Erw. 4a; AHI 1994 S. 212 Erw. 4a; SVR 1999 UV Nr. 10
S. 28 Erw. 2c). Wie bereits dargelegt, sind die im Februar 2001 in der Klinik
Y.________ erstellten Berichte grundsätzlich beweiskräftig. Die späteren
aktenmässig dokumentierten Untersuchungen durch den Hausarzt Dr. med.
F.________ vom 26. Februar 2002 sowie anlässlich des Aufenthalts in der
Klinik Z.________ durch Dr. med. K.________ vom 25. März 2003 ergaben keine
Hinweise auf zwischenzeitliche Veränderungen, welche sich in erheblichem Mass
auf die Arbeitsfähigkeit ausgewirkt hätten. Auch für die Folgezeit bestehen
im Rahmen des vorliegend relevanten Zeitraums bis zum Einspracheentscheid vom
7. Januar 2004 (BGE 121 V 366 Erw. 1b) keine hinreichenden diesbezüglichen
Anhaltspunkte. Gleiches gilt in Bezug auf das Vorliegen eines psychischen
Leidens mit Krankheitswert. Unter diesen Umständen konnte die Vorinstanz wie
bereits die Verwaltung zulässigerweise auf weitere Abklärungen verzichten und
für den gesamten fraglichen Zeitraum auf die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
in den vorhandenen medizinischen Unterlagen abstellen.

3.
Ausgehend vom dargelegten Zumutbarkeitsprofil lässt sich auch der durch die
Vorinstanz gestützt auf die Angaben der früheren Arbeitgeberin sowie die
Ergebnisse der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) vorgenommene
Einkommensvergleich nicht beanstanden. Der resultierende Invaliditätsgrad von
19% begründet keinen Anspruch auf eine Rente.

4.
Der Beschwerdeführer macht letztinstanzlich erstmals einen Anspruch auf
Arbeitsvermittlung geltend. Dieser war nicht Gegenstand des durch die
Vorinstanz überprüften Einspracheentscheids vom 7. Januar 2004, welcher
grundsätzlich den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens bestimmt. Eine
beschwerdeweise Geltendmachung dieses Leistungsanspruchs wäre deshalb nur
dann möglich, wenn es die Verwaltung unzulässigerweise unterlassen hätte, vor
- oder gleichzeitig mit - der Fällung des Rentenentscheids über die
Arbeitsvermittlung zu befinden (Urteil B. vom 18. August 2003, I 848/02, Erw.
2.2). Dies ist jedoch nicht der Fall: Nach der Rechtsprechung schliesst der
Grundsatz "Eingliederung vor Rente" nicht aus, dass die Verwaltung über den
Anspruch auf eine Rente verfügt, ohne vorgängig das Ergebnis einer der
versicherten Person zugesprochenen Arbeitsvermittlung abgewartet zu haben, da
letztere Eingliederungsmassnahme für sich allein nicht auf eine Verbesserung
der Erwerbsfähigkeit gerichtet ist (Urteil P. vom 7. März 2003, I 503/01).
Aus demselben Grund ist es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, den
Entscheid über die Rente zu fällen, bevor über den Anspruch auf
Arbeitsvermittlung befunden wurde. Auch vorliegend ist nicht ersichtlich,
inwiefern der für die Beurteilung des Rentenanspruchs massgebende
Invaliditätsgrad von der Durchführung einer Arbeitsvermittlung abhängig sein
sollte. Letztere gehört daher nicht zum Anfechtungs- und Streitgegenstand des
vorliegenden Verfahrens, weshalb insoweit auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden kann. Unter diesen
Umständen kann offen bleiben, ob der Anspruch auf Arbeitsvermittlung
allenfalls bereits Gegenstand der Verfügung vom 8. April 2003 bildete.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 13. Januar 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: