Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 643/2004
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I 643/04

Urteil vom 22. März 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin
Weber Peter

A.________, 1955, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dieter
Studer, Hauptstrasse 11a, 8280 Kreuzlingen,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin

AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden

(Entscheid vom 3. September 2004)

Sachverhalt:

A.
Die 1955 geborene A.________ meldete sich am 11. Oktober 2002 wegen Muskel-,
Haut- und Nervenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
an. Nach diversen medizinischen Abklärungen, insbesondere einer
polydisziplinären Begutachtung durch das Institut B.________ (vom 17.
Dezember 2003), verneinte die IV-Stelle des Kantons Thurgau mit separaten
Verfügungen vom 13. Februar 2004 einen Anspruch auf Umschulung und
Rentenleistungen. Auf Einsprache hin hielt sie an ihrem Standpunkt fest
(Einspracheentscheide vom 16. April 2004).

B.
Die gegen den Einspracheentscheid betreffend Invalidenrente erhobene
Beschwerde, mit welcher unter Beilage eines Arztberichts des Spitals
G.________ (vom 12. Juli 2004), die Rückweisung zur weiteren Abklärung an die
Verwaltung beantragt wurde, wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau mit Entscheid vom 3. September 2004 ab.

C.
A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren,
in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Sache zur weiteren Abklärung
an die Verwaltung zurückzuweisen. Die IV-Stelle sei zu verpflichten, den
Anspruch der Versicherten auf Leistungen nach dem Gesetz über
Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
anzuerkennen, zu berechnen und auszuzahlen.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Was den mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemachten Anspruch der
Beschwerdeführerin auf Leistungen nach dem Gesetz über Ergänzungsleistungen
betrifft, ist für den Fall, dass es sich dabei nicht um einen Verschrieb des
Rechtsvertreters handeln sollte, festzustellen, dass es diesbezüglich mangels
entsprechender Verfügung an einem Anfechtungsgegenstand und mithin an einer
Sachurteilsvoraussetzung fehlt, womit darauf nicht eingetreten werden kann
(BGE 125 V 414 Erw. 1a, 119 Ib 36 Erw. 1b, je mit Hinweisen).

2.
2.1 Die kantonale Rekurskommission hat die Bestimmungen über die Begriffe der
Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit und Invalidität (Art. 6, 7 und 8 ATSG)
sowie den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 [in der bis Ende 2003
gültig gewesenen und der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung]) und die
Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) zutreffend
dargelegt. Gleiches gilt für die Hinweise zur Aufgabe des Arztes und der
Ärztin bei der Invaliditätsbemessung und zur praxisgemässen Bedeutung
ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 261 Erw.4
mit Hinweisen; vgl. auch AHI 2002 S. 70 Erw. 4b/cc) sowie zur richterlichen
Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a und
3b/cc, 122 V 160 f. Erw. 1c mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

2.2 Da keine laufenden Leistungen im Sinne der übergangsrechtlichen
Ausnahmebestimmung des Art. 82 Abs. 1 ATSG, sondern Dauerleistungen im Streit
stehen, über welche noch nicht rechtskräftig verfügt worden ist, ist - den
allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln folgend - für die Zeit bis 31.
Dezember 2002 auf Grund der bisherigen Rechtslage und ab diesem Zeitpunkt
nach den neuen Normen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen ATSG und
dessen Ausführungsverordnungen (BGE 130 V 446 Erw. 1) zu entscheiden.
Dasselbe gilt für die zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des
IVG vom 21. März 2003 und der IVV vom 21. Mai 2003 (4. IV-Revision) sowie die
damit einhergehenden Anpassungen des ATSG.

Zu präzisieren ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene ATSG
hinsichtlich der IV-rechtlichen Invaliditätsbemessung keine substantiellen
Änderungen gegenüber der bis zum 31. Dezember 2002 gültig gewesenen
Normenlage brachte (BGE 130 V 343), was zur Folge hat, dass die zur
altrechtlichen Regelung ergangene Judikatur grundsätzlich weiterhin anwendbar
ist.

3.
Strittig und zu prüfen ist, ob die als Grundlage des Rentenentscheides
dienenden medizinischen Akten ein umfassendes Bild der
entscheidungsrelevanten gesundheitlichen Verhältnisse vermitteln oder ob, wie
beantragt, zusätzliche Abklärungen erforderlich sind.

3.1 Die IV-Stelle und die kantonale Rekurskommission stützten ihre
Beurteilung auf das polydisziplinäre Gutachten des Instituts B.________ vom
17. Dezember 2003, basierend auf einem orthopädischen und einem
psychiatrischen Teilgutachten. Laut dieser Expertise leidet die
Beschwerdeführerin an einer leichten depressiven Episode (ICD-10 F32.0),
wobei die Depression bereits seit Jahren bestehe. Zudem wird eine anhaltende
somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) bei anamnestisch linksseitigen Arm-
und Beinschmerzen, aktuell ohne klinisches Korrelat (ICD-10 M79.6),
diagnostiziert. Zusammenfassend hielten die Gutachter die Beschwerdeführerin
seit dem 1. Mai 2001 für körperlich leichte und mittelschwere Tätigkeiten
sowie für die Haushaltarbeiten zu 20 % in ihrer Arbeitsfähigkeit
eingeschränkt. Körperlich sehr schwere Arbeiten erachteten sie als nicht mehr
zumutbar. Die verminderte Leistungsfähigkeit führten sie auf die Depression
zurück, wodurch das Arbeitstempo verlangsamt werde und vermehrt Pausen
eingelegt werden müssten. Aus orthopädischer Sicht wurden lediglich
körperlich schwere Tätigkeiten als nicht mehr zumutbar beurteilt. Für leichte
bis mittelschwere Tätigkeiten besteht laut Experten keine Einschränkung, da
sich bei der Untersuchung keine klinischen Korrelate für die anamnestisch
angegebenen Beschwerden finden liessen. Ebenso wenig konnte aus
internistischer Sicht eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bestätigt
werden.

3.2 Die Vorinstanz hat im Rahmen der Beweiswürdigung die gesamten
medizinischen Unterlagen berücksichtigt und in schlüssiger und überzeugender
Weise erwogen, dass dem polydisziplinären Gutachten des Instituts B.________
(vom 17. Dezember 2003) voller Beweiswert zukommt, da es zum einen alle
rechtsprechungsgemäss erforderlichen (BGE 125 V 352 Erw. 3 mit Hinweisen)
Kriterien für eine beweistaugliche medizinische Entscheidungsgrundlage
erfüllt (Beweiseignung) und zum andern auch inhaltlich überzeugt
(Beweiskraft). Dem ist beizupflichten. Die Expertise beruht auf allseitigen
Untersuchungen, berücksichtigt die geklagten Beschwerden und ist in Kenntnis
der diversen Vorakten abgegeben worden. Der rechtserhebliche medizinische
Sachverhalt ist hinreichend abgeklärt und es wurden bei der Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit die psychisch und physisch bedingten Einschränkungen gehörig
beachtet. Zudem sind die Ausführungen in der Beurteilung der medizinischen
Zusammenhänge einleuchtend und beinhalten begründete Schlussfolgerungen.
Dabei setzten sich die Experten mit den abweichenden ärztlichen Beurteilungen
und der Selbsteinschätzung der Beschwerdeführerin überzeugend auseinander.
Die Vorinstanz ist mithin zu Recht gestützt auf diese Expertise von einer
gesundheitsbedingten Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit von 20 %
ausgegangen und hat eine rentenbegründende Erwerbsunfähigkeit verneint. Zwar
ist die Beschwerdeführerin durch die vielen Schicksalsschläge, wie ihre
Flucht aus dem Heimatland aus politischen Gründen, sowie die Behinderung
ihrer jüngeren Tochter, unbestrittenermassen stark psychosozial belastet.
Dabei handelt es sich jedoch um invaliditätsfremde Gründe, für welche nicht
die Invalidenversicherung einzustehen hat (BGE 127 V 299 Erw. 5).

3.3 Sämtliche Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen zu
keinem andern Ergebnis zu führen. Insbesondere lässt der Bericht des Spitals
G.________ vom 12. Juli 2004, wo die Beschwerdeführerin am 5. Juli 2004
ambulant untersucht worden war und wo ein Fibromyalgie-Syndrom diagnostiziert
wurde, keine abweichende Beurteilung zu. So gilt festzustellen, dass diese
medizinische Einschätzung ohne Wissen um die nur wenige Monate zuvor
anlässlich der polydisziplinären Begutachtung im Institut B.________
durchgeführten fachärztlichen Abklärungen erfolgte, wo ausser medial am Os
naviculare beidseits nirgends eine Druckdolenz festgestellt werden konnte.
Keine Kenntnisse bestanden überdies hinsichtlich der psychiatrischen Befunde
und der diversen medizinischen und psychiatrischen Unterlagen. Zudem war die
Sozial-Anamnese nur sehr rudimentär erhoben worden. So fanden beispielsweise
die erheblichen Schicksalsschläge, welche die Beschwerdeführerin stark
belasten, darin keinen Niederschlag. Überdies wurde die auf maximal 50 %
festgelegte Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit nicht näher begründet;
vielmehr baten die Ärzte um Verständnis dafür, dass im Rahmen eines
ambulanten Untersuchungstermins auf ausführliche gutachterliche
Fragestellungen nicht eingegangen werden könne. Mit der Vorinstanz ist
festzustellen, dass der Arztbericht des Spitals G.________ vom 12. Juli 2004
bei der gegebenen Aktenlage nicht geeignet ist, das polydisziplinäre
Untersuchungsergebnis des Instituts B.________ in Frage zu stellen. Von
ergänzenden medizinischen Abklärungen, wie beantragt, sind keine neuen
Erkenntnisse zu erwarten, weshalb sich diese erübrigen (antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 4b).

Nichts zu ändern vermag schliesslich auch der Einwand der Beschwerdeführerin,
wonach zumindest der psychiatrische Teil des Gutachtens des Instituts
B.________ in seiner Beweiskraft herabgesetzt sei, da das Abklärungsergebnis
aufgrund ihrer nur sehr bescheidenen Deutschkenntnisse und mangels Beizug
eines Dolmetschers nicht zu überzeugen vermöchte. Bei der psychiatrischen
Begutachtung kommt zwar dem Kriterium der bestmöglichen Verständigung
besonderes Gewicht zu, wozu vertiefte Sprachkenntnisse notwendig sind, beruht
doch eine psychiatrische Untersuchung in ganz besonderem Masse auf der
sprachlichen Kommunikation zwischen dem Exploranden und dem Psychiater.
Vorliegend bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Erfordernis
nicht in genügendem Umfang erfüllt war. Die Frage, ob eine medizinische
Abklärung unter Beizug eines Dolmetschers im Einzelfall geboten ist, hat
grundsätzlich der Gutachter im Rahmen sorgfältiger Auftragserfüllung zu
entscheiden. Der Psychiater hielt fest, die Beschwerdeführerin verfüge über
gute Deutschkenntnisse, habe sich differenziert ausgedrückt und sei
bereitwillig auf die gestellten Fragen eingegangen. Entsprechend den
ärztlichen Angaben konnte sich die Versicherte bei den Untersuchungen in
ausreichendem Masse auch ohne Dolmetscher verständigen. Zwar qualifizierte
die Psychiaterin Dr. med. E.________ im Bericht vom 24. Dezember 2002 die
Deutschkenntnisse der Versicherten etwas weniger gut (spreche nur gebrochen
Deutsch); trotzdem konnte ihren Angaben zu Folge ein guter affektiver Rapport
hergestellt werden. Die Psychiaterin sah ebenfalls keine Veranlassung, einen
Dolmetscher beizuziehen. Damit ist trotz der unterschiedlichen Bewertung der
Sprachkenntnisse die Notwendigkeit für den Beizug eines Dolmetschers nicht
erstellt. Dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen sein sollte,
auf ihre Verständigungsprobleme gehörig aufmerksam zu machen, ist nicht
nachvollziehbar.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 22. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: