Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 59/2004
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I 59/04

Urteil vom 18. August 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber
Scartazzini

K.________, 1962, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprech René Borer,
Vorstadt, Delsbergstrasse 14, 4242 Laufen,

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 10. Dezember 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1962 geborene K.________, verheiratet und Mutter von drei Kindern (geb.
1995 [Tochter] und 1999 [Zwillinge]), meldete sich am 7. August 2001 bei der
Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Ihre Hausärztin, Dr. med.

A. ________, diagnostizierte am 21. November 2001 eine mittelgradige
Depression, eine mediale und femoropatellare Chondromalazie bei
Varusfehlstellung, Lappenriss eines Diskretmeniskus medial links, Status nach
arthroskopischer Teilmeniskektomie links sowie ein Cervikalsyndrom. Dabei gab
sie eine seit 7. Juni 2000 und bis auf weiteres bestehende 100 %ige
Arbeitsunfähigkeit an. Neben weiteren ärztlichen Berichten holte die
IV-Stelle des Kantons Solothurn einen Statusfragebogen ein und führte eine
Haushaltsabklärung durch. In der Folge sprach sie der Versicherten in
Anwendung der gemischten Methode gestützt auf einen Invaliditätsgrad von
gerundet 60 % ab 1. Juni 2001 eine halbe Invalidenrente zu (Verfügung vom 22.
Mai 2002).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn mit Entscheid vom 10. Dezember 2003 ab.

C.
K. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihr unter Kostenfolge mit
Wirkung ab 1. Juni 2001 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen, eventualiter
sei die Angelegenheit zwecks näherer Abklärung und Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze zum
Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG), zu den Voraussetzungen und zum
Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG [in der bis 31.
Dezember 2003 in Kraft gestandenen Fassung]), zur Bemessung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; vgl. auch BGE 128 V 30 Erw.
1 mit Hinweisen), bei Nichterwerbstätigen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG,
namentlich im Haushalt beschäftigten Versicherten, nach der spezifischen
Methode des Betätigungsvergleichs (Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art.
27 Abs. 1 und 2 IVV [in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung; vgl. auch
BGE 104 V 136 Erw. 2a) und bei teilerwerbstätigen Versicherten nach der
gemischten Methode (Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27bis Abs. 1
und 2 IVV [in der vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2002 in Kraft
gestandenen Fassung]) sowie die rechtsprechungsgemäss für die Beurteilung der
Statusfrage relevanten Kriterien (BGE 125 V 150 Erw. 2c, 117 V 194 f. Erw. 3b
mit Hinweisen; AHI 1997 S. 288 ff. Erw. 2b, 1996 S. 197 Erw. 1c, je mit
Hinweisen) zutreffend wiedergegeben. Darauf ist zu verweisen. Das am 1.
Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 ist, wie das kantonale
Gericht richtig erkannt hat, nicht anwendbar, da nach dem massgebenden
Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 22. Mai 2002)
eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2
mit Hinweisen).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin ohne Gesundheitschaden
als Teil- oder, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht, als
Ganzerwerbstätige einzustufen ist, sodass zur Bemessung des
Invaliditätsgrades nicht die vorinstanzlich angewandte gemischte Methode nach
Art. 27bis Abs. 1 IVV, sondern ausschliesslich die
Einkommensvergleichsmethode zur Anwendung gelangen soll.

2.1  Ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig
oder als nichterwerbstätig einzustufen ist - was je zur Anwendung einer
anderen Methode der Invaliditätsbemessung führt -, ergibt sich aus der
Prüfung, was die Person bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn
keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Diese Frage beurteilt sich
praxisgemäss nach den Verhältnissen, wie sie sich bis zum Erlass der
Verwaltungsverfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme
einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-)Erwerbstätigkeit der im
Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 125 V 150 Erw. 2c, 117 V 194 Erw.
3b, je mit Hinweisen; SVR 1996 IV Nr. 76 S. 222 Erw. 2c; Urteil M. vom 13.
November 2002, I 58/02, Erw. 1.2). Bei verheirateten Versicherten erfolgt die
Beurteilung der Statusfrage insbesondere auch unter eherechtlichen
Gesichtspunkten auf Grund einer Gesamtwürdigung der persönlichen,
beruflichen, sozialen und ökonomischen Umstände des konkreten Falles; keinem
dieser Kriterien kommt zum Vornherein vorrangige Bedeutung zu (BGE 117 V 197
f. Erw. 4b in fine; Urteil P. vom 19. November 2003, I 846/02, Erw. 5.2 mit
Hinweisen).

2.2
2.2.1Aus den Akten ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin in der
Anmeldung zum Bezug von Leistungen vom 7. August 2001 keine Angaben über ihre
bisherige Tätigkeit gemacht hatte. In einem kantonalen Gesuch zur Erlangung
der unentgeltlichen Rechtspflege vom 3. Oktober 2002 wurde sodann unter der
Rubrik "Beruf" "Hilfsarbeiterin" und anstelle eines Arbeitgebers "IV Rentner"
angegeben. Sowohl aus dem Individuellen Konto als auch aus einer am 23.
August 2001 durch das Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abteilung Öffentliche
Arbeitslosenkasse Solothurn, gegebenen Auskunft geht hervor, dass die
Versicherte, nach den Verhältnissen, wie sie sich seit 1992 und bis zum
Erlass der Verwaltungsverfügung vom 22. Mai 2002 entwickelt haben, in den
Rahmenfristen vom 27. Mai 1997 bis 26. Mai 1999 und vom 3. Januar 2000 bis 2.
Januar 2002 Leistungen der Arbeitslosenversicherung bezogen hat. In
medizinischer Hinsicht wurde hauptsächlich festgehalten, dass sich bei der
Beschwerdeführerin nach der Geburt der Zwillinge am 10. August 1999 ein
Erschöpfungszustand mit Depression entwickelt hatte.

2.2.2  Dem "Fragebogen zur Ermittlung der Erwerbstätigkeit beziehungsweise
Statusfrage" vom 15. Januar 2002, dem "Abklärungsbericht Haushalt" vom 25.
Januar 2002 und dem Zusatzbericht der IV-Stelle vom 3. Juli 2002 ist zu
entnehmen, dass der Ehemann der Versicherten anlässlich der Abklärung vom 15.
Januar 2002 die Übersetzerfunktion übernahm, seiner Ehefrau jedoch kaum
Fragen stellte, sondern diese grösstenteils gleich selber beantwortete. Aus
dem Abklärungsbericht ist namentlich ersichtlich, dass der Ehemann zunächst
angab, seine Ehefrau würde ohne Behinderung zu 100 % arbeiten. Erst nachdem
er auf Veranlassung der Abklärerin der IV-Stelle hin mit seiner Frau
Rücksprache genommen hatte, korrigierte er das mögliche Pensum auf 50 %. Im
Zusatzbericht wies die Abklärerin darauf hin, dass K.________ nach Angaben
der Arbeitslosenkasse zwar zu einem Beschäftigungsgrad von 100 % gestempelt,
gemäss Auszügen aus dem Individuellen Konto jedoch höchstens einige Monate zu
100 % gearbeitet hatte. Frau und Herr K.________ seien sich nicht einig
gewesen, wie viel die Versicherte arbeiten würde. Die Ehefrau habe zur
Ansicht geneigt, sie würde etwa 50 % arbeiten, wenn sie gesund wäre, während
der Ehemann gemeint habe, sie müsse 100 % ausser Haus erwerbstätig sein, da
sich für die Kinder eine Lösung finden würde.

2.2.3  In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin
geltend, sie hätte Anspruch auf die Anwesenheit eines neutralen und
unbefangenen Dolmetschers gehabt. Ferner rügt sie die Ansicht der Vorinstanz,
wonach eine Frau mit drei Kindern sowieso nur noch teilweise arbeiten würde.
Nicht nur ihr Ehemann, sondern auch sie habe die Aussage gemacht, sie wolle
weiterhin zu 100 % arbeiten. Dass Unklarheiten bestehen blieben, gestehe
selbst die Abklärerin der IV-Stelle, da sie in ihrem Bericht vom 25. Januar
2002 erwähnt habe, die Situation habe nicht befriedigend geklärt werden
können. Darin werde auch festgehalten, dass die Versicherte angegeben hatte,
vor Geburt der Kinder bei befristeten Stellen jeweils zu 100 % gearbeitet zu
haben. Entscheidend sei, dass sie weiterhin als Ganzerwerbstätige arbeiten
und dass sie die Kinderbetreuung durch Drittpersonen organisieren wollte.

2.3  Die Argumentation der Beschwerdeführerin ist nicht überzeugend und ihre
Betrachtungsweise kann nicht geschützt werden. Dass sie zur Ansicht geneigt
habe, sie würde etwa 50 % arbeiten, sich jedoch auch hätte vorstellen können,
eine Ganzerwerbstätigkeit aufzunehmen, beziehungsweise dass diese
hypothetische Annahme möglicherweise auch im zeitlich umgekehrten Sinn zu
Stande gekommen sein mag, wurde durch die Abklärungsbeauftragte
rechtsgenüglich festgestellt, sodass die Anwesenheit eines neutralen und
unbefangenen Dolmetschers nicht erforderlich war. Massgebend ist nach der
hievor dargelegten Rechtsprechung einzig, in welchem Umfang die Versicherte
als Valide bei im Übrigen unveränderten Verhältnissen einer ausserhäuslichen
Beschäftigung nachgegangen wäre. Dabei stellt die bisherige
beruflich-erwerbliche Situation zweifellos ein gewichtiges Indiz dar, welches
aber - vor allem wenn wie vorliegend mit gewissen Unsicherheiten behaftet -
in Verbindung mit anderen Faktoren beurteilt werden muss. Fest steht, dass
die Beschwerdeführerin ihre zeitlich auf höchstens einige Monate beschränkten
ausserhäuslichen Erwerbstätigkeiten nur bis kurz vor der Geburt der Zwillinge
im August 1999 zu 100 % ausgeübt hat, während sie in der Folge und bis im Mai
2002 überhaupt keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen ist. Allein aus der
Tatsache, dass sie sich während ihrer kontrollierten Arbeitslosigkeit für
Vollzeitstellen beworben hat, lässt nicht darauf schliessen, sie hätte ab
diesem Zeitpunkt, hauptsächlich in der Rahmenfrist vom 3. Januar 2000 bis 2.
Januar 2002, weiterhin eine Ganzerwerbstätigkeit ausgeübt.
Unter Würdigung dieser für den invalidenversicherungsrechtlichen Status
relevanten Umstände steht nicht nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit fest, dass die Beschwerdeführerin in Anbetracht ihrer
Familiensituation auch ohne Behinderung eine ganztägige Erwerbstätigkeit
ausgeübt hätte. Der angefochtene Entscheid ist demzufolge nicht zu
beanstanden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn, der Ausgleichskasse GastroSuisse und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 18. August 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: