Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 590/2004
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I 590/04

Urteil vom 28. Februar 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiberin Bollinger

G.________, 1964, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Frischkopf,
Bahnhofstrasse 24, 6210 Sursee,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 11. August 2004)

Sachverhalt:

A.
Die 1964 geborene G.________, verheiratet und Mutter von vier 1989, 1991,
1995 und 2001 geborenen Kindern, war von März 1993 bis Ende Januar 2002 als
Küchengehilfin teilzeitlich im Gasthof H.________ tätig. Am 10. Juni 2002
meldete sie sich unter Hinweis auf erstmals im Jahre 1996 aufgetretene
Nasenbeschwerden (behinderte Nasenatmung bei der Arbeit) und einem seit 2002
bestehenden Rückenleiden sowie Schmerzen beim Gewichteheben bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau
holte einen Bericht des Hausarztes Dr. med. A.________, Innere Medizin FMH,
vom 17. Juni 2002, sowie Auskünfte der Arbeitgeberin (Fragebogen vom 2. Juli
2002) ein und sprach G.________ Berufsberatung und Abklärung der beruflichen
Eingliederungsmöglichkeiten durch die Berufsberatung der IV-Stelle zu
(Mitteilung vom 26. Juli 2002). Am 1. Oktober 2002 reichte G.________ der
IV-Stelle den ausgefüllten Fragebogen zur Rentenabklärung betreffend
Erwerbstätigkeit/Haushalt ein; in der Folge fand eine Abklärung an Ort und
Stelle statt (Erhebung vom 17. Januar 2003). Dr. med. A.________ nahm am 10.
Mai 2003 erneut Stellung zum Gesundheitszustand der Versicherten und gab an,
die Situation habe sich eher verschlechtert. Daraufhin bat die IV-Stelle
ihren medizinischen Dienst um eine Einschätzung vom 11. Juli 2003 und holte
einen weiteren Bericht des Berufsberaters vom 18. Juli 2003 ein. Am 19.
August 2003 wies sie das Leistungsbegehren mangels rentenbegründender
Invalidität ab und hielt mit Einspracheentscheid vom 2. Dezember 2003 an
ihrer Verfügung fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau am 11. August 2004 ab.

C.
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheides die Feststellung eines rentenbegründenden
Invaliditätsgrades und die Zusprechung einer Rente, eventualiter die
Rückweisung der Sache zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle, beantragen.
Das kantonale Gericht, die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichten auf eine Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Da keine laufenden Leistungen im Sinne der übergangsrechtlichen
Ausnahmebestimmung des Art. 82 Abs. 1 ATSG, sondern Dauerleistungen im Streit
liegen, über welche noch nicht rechtskräftig verfügt worden ist, beurteilt
sich die Rentenfrage für die Zeit bis 31. Dezember 2002 aufgrund der
bisherigen Rechtslage und ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen des ATSG
und dessen Ausführungsverordnungen (BGE 130 V 329 und 445). Keine Anwendung
finden dagegen die per 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des IVG
vom 21. März 2003 und der IVV vom 21. Mai 2003 (4. IV-Revision) sowie die
damit einhergehenden Anpassungen des ATSG.

1.2 Im kantonalen Gerichtsentscheid werden die für den Rentenanspruch in der
Invalidenversicherung geltenden Voraussetzungen (Art. 28 Abs. 1 [in der bis
31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung] und 1bis IVG [in Kraft gestanden
bis 31. Dezember 2003]) und die für die Invaliditätsbemessung bei
Teilerwerbstätigen massgebenden Regeln (bis 31. Dezember 2002: Art. 28 Abs. 3
IVG in Verbindung mit Art. 27bis Abs. 1 und 2 IVV [in den vom 1. Januar 2001
bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassungen]; ab 1. Januar 2003: Art. 28 Abs. 3
IVG in Verbindung mit Art. 27bis Abs. 1 und 2 IVV sowie Art. 8 Abs. 3 und
Art. 16 ATSG [je in den vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 in Kraft
gestandenen Fassungen]) sowie die Aufgaben des Arztes und der Ärztin im
Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen und AHI
2002 S. 70 Erw. 4b/cc) und die Grundsätze über den Beweiswert von
Arztberichten (BGE 122 V 160 Erw. 1c; vgl. auch BGE 125 V 352 Erw. 3a mit
Hinweis) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Bei den in Art. 3-13 ATSG enthaltenen Legaldefinitionen handelt es sich in
aller Regel um eine formellgesetzliche Fassung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu den entsprechenden Begriffen vor In-Kraft-Treten des ATSG,
weshalb sich inhaltlich - insbesondere in Bezug auf die Bestimmungen zur
Arbeitsunfähigkeit (Art. 6), Erwerbsunfähigkeit (Art. 7) und Invalidität
(Art. 8) - keine Änderung ergibt. Die zum bisherigen Recht entwickelte
Rechtsprechung kann folglich übernommen und weitergeführt werden (BGE 130 V
345 ff. Erw. 3.1, 3.2 und 3.3). Ebenfalls nicht von einer Änderung betroffen
ist die für die Festsetzung der Invalidität von teilerwerbstätigen
Versicherten beizuziehende gemischte Methode (BGE 130 V 394 Erw. 3).

1.3 Die von der Invalidenversicherung nach den Verwaltungsweisungen des
Bundesamtes für Sozialversicherung (Kreisschreiben über Invalidität und
Hilflosigkeit [KSIH]) eingeholten Abklärungsberichte im Haushalt sind eine
geeignete und im Regelfall genügende Grundlage für die Invaliditätsbemessung
im Haushalt (AHI 1997 S. 291 Erw. 4a, ZAK 1986 S. 235 Erw. 2d). Für den
Beweiswert des Berichts über die in Art. 69 Abs. 2 IVV vorgesehene Abklärung
an Ort und Stelle gelten die Grundsätze zur Beweiskraft von Arztberichten
gemäss BGE 125 V 352 Erw. 3a analog. Das Gericht greift, sofern der Bericht
eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage im Sinne der Rechtsprechung
darstellt, nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz in das Ermessen
der die Abklärung tätigenden Person nur ein, wenn klar feststellbare
Fehleinschätzungen vorliegen (BGE 128 V 93 Erw. 4). So wenig wie beim
Einkommensvergleich ist im Rahmen des Betätigungsvergleichs die
medizinisch-theoretische Schätzung der Arbeitsunfähigkeit ausschlaggebend.
Vielmehr kommt es einzig auf das Ausmass der aus der gesundheitlichen
Beeinträchtigung effektiv resultierenden Leistungsverminderung an. Massgebend
ist die Unmöglichkeit, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen,
welche unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Einzelfall
festzustellen ist (Urteil S. vom 11. August 2003, I 681/02).

2.
Unbestrittenerweise wäre die Versicherte ohne gesundheitliche
Beeinträchtigungen zu je 50 % erwerbstätig und im Haushalt beschäftigt,
weshalb die Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode zu erfolgen
hat. Streitig und zu prüfen sind die gesundheitsbedingten Einschränkungen
sowohl im Erwerbs- wie auch im Haushaltsbereich.

3.
3.1 Hausarzt Dr. med. A.________ führte mit Bericht vom 17. Juni 2002 aus,
wechselbelastende Tätigkeiten ohne Heben oder Tragen von Gewichten über 15 kg
seien, mit Ausnahme von Küchenarbeiten, welche durch die Nasenbeschwerden
verunmöglicht würden, uneingeschränkt während neun Stunden pro Tag zumutbar.
Am 10. Mai 2003 gab Dr. med. A.________ an, der Gesundheitszustand habe sich
erneut etwas verschlechtert, subjektiv klage die Versicherte über deutlich
mehr Schmerzen. In Frage kämen nur wechselbelastende Tätigkeiten mit leichter
körperlicher Belastung; eine mittelschwere bis schwere körperliche Belastung
sei nicht mehr zumutbar. Nach wie vor zu vermeiden seien Arbeiten in
Restaurantküchen.
Die Beschwerdeführerin bringt keine substanziierten Gründe vor, die zu einer
anderen Beurteilung führen. Insbesondere ist nicht einsichtig, weshalb der
Hausarzt in seinem Bericht vom 10. Mai 2003 eine angepasste leichte Tätigkeit
nach wie vor - und ohne seine Einschätzung vom 17. Juni 2002 zu relativieren
- als zumutbar bezeichnen sollte, wenn dies nicht den Tatsachen entspricht.
Soweit die Versicherte geltend macht, der Hausarzt habe ihr gegenüber eine
abweichende Beurteilung abgegeben, findet dies in den Akten keine Stütze.
Ausgehend von den Einschätzungen des Dr. med. A.________, auf welche
abzustellen ist, können der Versicherten angepasste leichte Tätigkeiten mit
Ausnahme der Küchenarbeiten somit vollumfänglich zugemutet werden.
Nachdem die Versicherte aus familiären Gründen nicht bereit war, sich einer
stationären Rehabilitation zu unterziehen, ist die Rüge, die IV-Stelle habe
zu Unrecht auf eine solche Massnahme verzichtet, unbegründet.

3.2 Keine Einwendungen werden gegen die Höhe des Valideneinkommens von Fr.
27'864.- jährlich bzw. Fr. 2322.- monatlich und gegen das Invalideneinkommen,
welches die Vorinstanz ausgehend von der vom Bundesamt für Statistik
herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2002 (Tabelle TA1,
Anforderungsniveau 4, Frauen) und angepasst an die durchschnittliche
wöchentliche Arbeitszeit im Jahre 2002 auf Fr. 1991.20 festgesetzt hat,
erhoben. Nach der Rechtsprechung hängt die Frage, ob und in welchem Ausmass
Tabellenlöhne herabzusetzen sind, von sämtlichen persönlichen und beruflichen
Umständen des konkreten Einzelfalles ab (leidensbedingte Einschränkung,
Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und
Beschäftigungsgrad), die nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen
sind. Abgesehen davon, dass die Tätigkeiten als Krankenschwester und
Küchengehilfin jedenfalls nicht unbesehen der konkreten Umstände als
körperliche Schwerarbeiten angesehen werden können, begründet die
Unzumutbarkeit schwerer Tätigkeiten keinen Anspruch auf den zulässigen
Maximalabzug von 25 % (BGE 126 V 78 Erw. 5a/bb mit Hinweisen). Im Rahmen der
Angemessenheitskontrolle (Art. 132 lit. a OG; vgl. auch BGE a.a.O. 81 Erw. 6
mit Hinweisen) ist der vorinstanzlich auf 10 % festgesetzte Abzug nicht zu
beanstanden.

4.
4.1 Die Versicherte bringt vor, auf den Haushaltbericht vom 17. Januar 2003
könne nicht abgestellt werden, da er ihre tatsächlichen Einschränkungen
aufgrund sprachlicher Verständigungssschwierigkeiten nicht gebührend
berücksichtige.
Den Akten lässt sich entnehmen, dass die Versicherte in der Tat nicht gut
Deutsch spricht. So hielt der Berufsberater am 9. September 2002 fest, die
Beschwerdeführerin habe nur rudimentäre Deutschkenntnisse, weshalb einzig ein
Einsatz auf der Stufe einer Hilfsarbeiterin möglich sei. Anlässlich der
Haushaltabklärung vom 17. Januar 2003 ergab sich, dass die Beschwerdeführerin
wegen ihrer geringen Deutschkenntnisse den Kindern bei den Aufgaben nicht
helfen kann. Indessen war ihr das Ausfüllen des Fragebogens zur
Rentenabklärung weitgehend möglich, auch wenn sie einzelne Fragen, wie etwa
diejenige, ob sie ohne Behinderung einer ausserhäuslichen Erwerbstätigkeit
nachgehen würde, offensichtlich nicht verstanden und deshalb unrichtig
beantwortet hatte. Mit Schreiben der IV-Stelle vom 20. Dezember 2002 wurde
sie ausdrücklich schriftlich darauf hingewiesen, dass sie für die
Haushaltabklärung eine Übersetzungsperson organisieren müsse, wenn sie in der
deutschen Sprache Verständigungsprobleme habe. An der Abklärung war in der
Folge der Ehemann als Übersetzungshilfe anwesend. Dem Bericht vom 17. Januar
2003 lassen sich keinerlei Hinweise darauf entnehmen, eine Einschätzung der
gesundheitlichen Einschränkungen sei aufgrund sprachlicher
Verständigungsschwierigkeiten nicht möglich gewesen. Gegenteils erfolgte die
Auflistung der einzelnen Arbeiten, welche der Versicherten nicht mehr möglich
sind, sorgfältig, genau und nachvollziehbar. Es darf somit davon ausgegangen
werden, die Versicherte habe sich mit Hilfe des Ehemanns ausreichend
verständigen können. Das Vorbringen, auf den Abklärungsbericht könne wegen
der Sprachprobleme nicht abgestellt werden, ist daher nicht stichhaltig.

4.2 Die gegen die Ziffern 4.2 (Ernährung; vgl. dazu auch Urteil S. vom 11.
August 2003, I 681/02), 4.3 (Wohnungspflege), 4.4 (Einkauf) und 4.5 (Wäsche
und Kleiderpflege) des Abklärungsberichts gerichteten Einwände wurden bereits
im vorinstanzlichen Verfahren vorgebracht und vom kantonalen Gericht
entkräftet. Von einer klar feststellbaren Fehleinschätzung der
Abklärungsperson kann keine Rede sein (Erw. 1.2 hievor), weshalb die
vorinstanzlich bestätigte Einschränkung im Haushaltbereich von gesamthaft 21
% im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nicht zu beanstanden ist. Auf eine
weitere Abklärung kann verzichtet werden (antizipierte Beweiswürdigung; SVR
2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 4b mit Hinweis auf BGE 124 V 94 Erw. 4b und 122 V
162 Erw. 1d), zumal keine Gründe vorliegen, dem Bericht vom 17. Januar 2003
nicht vollen Beweiswert zuzumessen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau,
der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 28. Februar 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: