Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 587/2004
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I 587/04

Urteil vom 27. April 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin
Polla

L.________, 1953, Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 23. August 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1953 geborene L.________ meldete sich am 12. Mai 1999 unter Hinweis auf
Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit
Verfügung vom 28. November 2000 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons
Solothurn bei einem Invaliditätsgrad von 53 % rückwirkend ab 1. Oktober 1999
eine halbe Invalidenrente zu. Aufgrund einer im Rahmen der Geschäftsprüfung
durch das Bundesamt für Sozialversicherung erfolgten Weisung führte die
IV-Stelle bereits im März 2001 ein Revisionsverfahren durch, wobei L.________
seinerseits eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes seit 12. März
2001 geltend machte. Hierauf beauftragte die IV-Stelle das ABI, Ärztliches
Begutachtungsinstitut GmbH, mit einer medizinischen Abklärung. Die Ärzte des
ABI diagnostizierten (gemäss Gutachten vom 22. März 2002) mit Auswirkung auf
die Arbeitsfähigkeit ein chronisches Lumbovertebralsyndrom (ICD-10 M54.5),
eine chronische Periarthropathia humeroscapularis links (ICD-10 M75.0), eine
Adipositas per magna (ICD-10 E66.0) und einen Diabetes mellitus II (ICD-10
E11.9). Sie schätzten den Versicherten aufgrund der objektivierbaren
medizinischen Befunde sowohl in psychiatrischer wie medizinischer Hinsicht
für eine leidensangepasste Tätigkeit (leichte Tätigkeit, ohne Heben und
Tragen von Lasten von mehr als 3-5 kg, ohne Überkopfarbeiten und Arbeiten in
gebückter Stellung, ohne repetitives Einnehmen in gleichen Positionen oder
Einnehmen von Zwangshaltungen, ohne arbeitsmässige Belastung der linken
Schulter und der linken oberen Extremität) zu 50 % arbeitsfähig, wovon
ausgehend die IV-Stelle neu einen Invaliditätsgrad von 54 % ermittelte und
das Revisionsbegehren abwies (Verfügung vom 15. Januar 2003). Daran hielt sie
auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 25. Juni 2003).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn mit Entscheid vom 23. August 2004 ab.

C.
L.________ erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt wie schon im
kantonalen Verfahren die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente;
eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle
zurückzuweisen.
Die IV-Stelle sieht unter Hinweis auf den vorinstanzlichen Entscheid von
einer Stellungnahme ab. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf
eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Wie das kantonale Gericht richtig festgestellt hat, finden - nachdem der
beanstandete Einspracheentscheid am 25. Juni 2003 ergangen ist - bei der
Beurteilung der geltend gemachten Leistungsansprüche die Bestimmungen des auf
den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) Anwendung. Den
allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln folgend, sind die am 1. Januar
2004 im Rahmen der 4. IV-Revision in Kraft getretenen Rechtsänderungen
hingegen nicht anwendbar (BGE 130 V 259 Erw. 3.5, 333 Erw. 2.3, 425 Erw. 1.1,
447 Erw. 1.2.1, je mit Hinweisen).

1.2 Zutreffend dargelegt hat die Vorinstanz auch die Begriffe der Invalidität
(Art. 8 Abs. 1 ATSG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die
Voraussetzungen für einen Rentenanspruch und dessen Umfang (Art. 28 Abs. 1
IVG), die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG; BGE 130 V 348 Erw. 3.4, 128 V 30
Erw. 1, 104 V 136 Erw. 2a und b) sowie die Bestimmungen über die
Rentenrevision einschliesslich der dazu - noch unter der Herrschaft des bis
31. Dezember 2002 gültig gewesenen alt Art. 41 IVG - ergangenen, weiterhin
massgebenden (BGE 130 V 352 Erw. 3.5.4) Rechtsprechung (BGE 130 V 349 ff.
Erw. 3.5; vgl. auch BGE 125 V 369 Erw. 2, 113 V 275 Erw. 1a, 112 V 372 Erw.
2b und 390 Erw. 1b, 109 V 265 Erw. 4a, 105 V 30, je mit Hinweisen). Dasselbe
gilt hinsichtlich der nach der Rechtsprechung bei der Beweiswürdigung
medizinischer Berichte zu beachtenden Grundsätze (BGE 125 V 352 ff. Erw. 3,
122 V 160 Erw. 1c, je mit Hinweisen; vgl. auch Peter Omlin, Die Invalidität
in der obligatorischen Unfallversicherung, Diss. Freiburg 1995, 2. Aufl.
1999, S. 296 ff.; Meyer-Blaser, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung
[IVG], in: Murer/ Stauffer [Hrsg.], Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum
Sozialversicherungsrecht, Zürich 1997, S. 230). Darauf wird verwiesen.

2.
2.1 Zu prüfen ist, ob seit der Rentenverfügung vom 28. November 2000 bis zum
Einspracheentscheid vom 25. Juni 2003 eine für den Leistungsanspruch
relevante Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist, wobei
der Beschwerdeführer eine Zunahme der körperlich bedingten Beeinträchtigung
geltend macht.

2.2 Der erstmaligen Rentenzusprache lag in medizinischer Hinsicht
hauptsächlich der Bericht von Frau Dr. med. M.________, Innere Medizin FMH,
speziell Rheumatologie, vom 21. Juni 1999 zu Grunde. Die Ärztin schätzte den
Versicherten in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Magaziner zu 50 %
arbeitsunfähig; für eine leichtere, den Rücken weniger belastende Tätigkeit
sei möglicherweise von einer vollen Arbeitsfähigkeit auszugehen. Im
anlässlich des Revisionsverfahrens erstellten Bericht vom 13. Juli 2001 ging
Frau Dr. med. M.________ von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit als
Magaziner ab 28. März 2001 aus. Eine Verweisungstätigkeit gäbe es kaum für
diesen ungelernten Hilfsarbeiter, da längeres Sitzen als auch Stehen an Ort
und körperlich schwerer belastende Tätigkeiten nicht in Frage kämen. Diese
Einschätzung hat indessen - entgegen der Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde - vor der multidisziplinären Begutachtung des
ABI am 21. und 22. Januar 2002 keinen Bestand, welches bei hauptsächlich
gleicher Diagnosestellung zwar ebenfalls eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit in
der angestammten Tätigkeit als Magaziner attestiert, jedoch eine
leidensangepasste leichte Tätigkeit im Umfang von 50 % als zumutbar
betrachtete. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den
Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem
Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten der Versicherte arbeitsunfähig ist
(BGE 125 V 261 Erw. 4); im Weiteren sind die ärztlichen Auskünfte eine
wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen
dem Versicherten noch zugemutet werden können (BGE 115 V 134 Erw. 2 mit
Hinweisen). Der  - sinngemässe -Hinweis  von Frau Dr. med. M.________ auf die
arbeitsmarktliche Schwierigkeit der Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit
ist daher unbeachtlich. Vielmehr ist medizinisch von einer zumutbaren,
leidensangepassten Tätigkeit im Umfang von 50 % auszugehen. Ebenso wenig
vermag Dr. med. A.________, Rheumatologie FMH, welchen der Versicherte
anlässlich des Einspracheverfahrens aufsuchte, mit seinem Bericht vom 7.
April 2003 die Beweiskraft des ABI-Gutachtens zu erschüttern, lässt er doch
insbesondere jede Begründung dafür vermissen, weshalb eine vollständige
Arbeitsunfähigkeit bestehen soll. Dass sich der Versicherte subjektiv
überhaupt nicht mehr in der Lage sieht zu arbeiten, ist medizinisch nicht zu
rechtfertigen. Die letztinstanzlich beigebrachte Kündigung seiner letzten
Arbeitgeberin vom 28. Juli 2004 ist hiefür nicht beweiskräftig.

3.
In erwerblicher Hinsicht ging die Verwaltung korrekterweise nach der
allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs vor (Art. 16 ATSG in Verbindung
mit Art. 1 Abs. 1 IVG, BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 Erw. 2a und b).
Rechtsprechungsgemäss kann das Eidgenössische Versicherungsgericht das für
die Bestimmung des Invaliditätsgrades nach Art. 28 Abs. 2 IVG massgebende
Einkommen ohne Gesundheitsschaden (Valideneinkommen) in einem
Revisionsverfahren frei überprüfen, wenn die Aktenlage oder die
Parteivorbringen dazu Anlass geben (AHI 2002 S. 164 und 166 Erw. 2a mit
Hinweis). Praxisgemäss ist bei der Bestimmung des Valideneinkommens
grundsätzlich darauf abzustellen, was der Versicherte aufgrund seiner
beruflichen Fähigkeiten und persönlichen Umstände (im massgebenden Zeitpunkt
nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit) als Gesunder
tatsächlich verdienen würde (ZAK 1992 S. 92 Erw. 4a; vgl. auch Urteile R. vom
9. September 2003 [M 2/02] Erw. 3.4, P. vom 22. August 2003 [I 316/02] Erw.
3.2, M. vom 7. Juli 2003 [I 627/02] Erw. 2.1.1, S. vom 28. April 2003 [I
297/02] Erw. 3.2.3, W. vom 9. Mai 2001 [I 575/00] Erw. 3a). Dies gilt auch
für die Bestimmung des Valideneinkommens im Rentenrevisionsprozess. Auch hier
bleibt in der Regel der zuletzt erzielte, der Teuerung sowie der realen
Einkommensentwicklung angepasste Verdienst (RKUV 2000 Nr. U 400 S. 381 Erw.
2a, 1993 Nr. U 168 S. 100 f. Erw. 3b; vgl. auch ZAK 1990 S. 519 Erw. 3c) als
Bezugsgrösse bestehen, ausser es finden sich genügend konkrete Anhaltspunkte
für eine berufliche Weiterentwicklung.

3.1 Bezüglich der Bestimmung des Valideneinkommens ist den Akten zu
entnehmen, dass der Versicherte seine zuletzt im Rahmen eines 100 %-Pensums
ausgeübte Tätigkeit als Lagerist bei der Firma R.________ AG aus
wirtschaftlichen und nicht aus gesundheitlichen Gründen Ende August 1996
verlor, weshalb hierauf nicht abzustellen ist (vgl. AHI 1999 S. 240 Erw. 3b
sowie Urteil M. vom 15. April 2003 [I 1/03] Erw. 4.3 mit Hinweis). Die von
Oktober 1996 bis März 2001 bei der Firma C.________ innegehabte Stelle als
Lagermitarbeiter übte der Versicherte seit Beginn lediglich halbtags aus,
weshalb fraglich ist, ob er ohne Gesundheitsschaden bei der Firma C.________
vollzeitlich als Staplerfahrer tätig wäre. Da er diese Arbeit schon während
längerer Zeit ausführte und auch der Arbeitgeber mit seinen Leistungen
zufrieden war, kann aber davon ausgegangen werden, dass sich der Versicherte
im Gesundheitsfall in Ergänzung zu dieser Tätigkeit eine weitere Hilfsarbeit
im Umfang von 50 % gesucht hätte, wobei ihm hiezu der gesamte Arbeitsmarkt
offen gestanden wäre. Zur Ermittlung des Valideneinkommens sind daher die
Lohnangaben von der Firma C.________ im Umfang des 50%igen Pensums beachtlich
und sodann zusätzlich die standardisierten Durchschnittswerte der
schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) heranzuziehen. Mit dem kantonalen
Gericht sind die Angaben der Arbeitgeberberichte vom 12. Juli 1999 und 14.
Juni 2001 massgebend, wonach der Beschwerdeführer im Jahr 2001 ohne
Gesundheitsschaden einen Stundenlohn von Fr. 22.35 und somit bei einem
50%igen Pensum einen Jahreslohn von Fr. 23'280.- (Fr. 22.35 x 4 Stunden x
21,7 Tage x 12 Monate) erzielt hätte. Der Versicherte verfügt über keine
abgeschlossene Berufslehre und arbeitete unter anderem als
Kehrichtwagenmitarbeiter, Baggerfahrer, Mitarbeiter in einer Pneufabrik und
als Magaziner in einem Kleiderladen. Ausgehend vom monatlichen Bruttolohn
(Zentralwert) von Männern für einfache und repetitive Tätigkeiten
(Anforderungsniveau 4), im gesamten privaten Sektor von Fr. 4'437.- (LSE 2000
S. 31, TA1) ergibt sich für das Jahr 2001 (Revisionszeitpunkt) unter
Berücksichtigung einer durchschnittlichen betriebsüblichen wöchentlichen
Arbeitszeit von 41,7 Stunden (Die Volkswirtschaft 3-2005, S. 96 B 9.2) und
einer Nominallohnentwicklung 2001 für Männerlöhne (BGE 129 V 408) von 2,5 %
(Lohnentwicklung 2001, S. 32 T1.1.93) ein Valideneinkommen bei einem
Teilzeitpensum von 50 % von Fr. 28'447.- (Fr. 4'437.- x 12 : 40 x 41,7 : 100
x 102,5 : 2). Damit ist der Invaliditätsbemessung ein Valideneinkommen von
gesamthaft Fr. 51'727.- zu Grunde zu legen.

3.2 Für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung (bei ausgeglichener
Arbeitsmarktlage) zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens
(Invalideneinkommen) sind ebenfalls die Tabellenlöhne heranzuziehen (BGE 126
V 76 f. Erw. 3b/aa und bb mit Hinweisen), womit ein massgebendes Einkommen im
Jahre 2001 von Fr. 28'447.- resultiert (50 % von Fr. 56'894.50). Das
kantonale Gericht hat den Abzug vom Tabellenlohn, der eine Schätzung
darstellt und rechtsprechungsgemäss kurz zu begründen ist (BGE 126 V 81 Erw.
6), auf 20 % beziffert, was namentlich mit Blick auf die auch bei einer
leichteren Tätigkeit bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen und den um
50 % reduzierten Beschäftigungsgrad im Rahmen der richterlichen
Ermessenskontrolle keinen Anlass zu abweichender Ermessensausübung gibt (vgl.
Art. 132 lit. a OG; BGE 123 V 152 Erw. 2). Um diesen Prozentsatz gekürzt
resultiert ein Invalideneinkommen von Fr. 22'758.-.
Aus der Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen ergibt sich ein
Invaliditätsgrad von 56 %, weshalb der vorinstanzliche Entscheid im Ergebnis
zu bestätigen ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn, der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 27. April 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: