Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 564/2004
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I 564/04

Urteil vom 14. April 2005
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin
Durizzo

G.________, 1950, Beschwerdeführerin, vertreten durch die If AG,
Dienstleistungen für Soziale Sicherheit, Dornacherplatz 7, 4500 Solothurn,

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 6. Juli 2004)

Sachverhalt:

A.
G. ________, geboren 1950, meldete sich am 23. Mai 2000 unter Hinweis auf
Rückenbeschwerden (Diskushernie) bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug (Berufsberatung, Umschulung) an. Gestützt auf die ärztlichen
Berichte der Frau Dr. med. M.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 29. August
2000 und vom 13. März 2002 sowie des Dr. med. F.________, Innere Medizin FMH,
vom 27. Juli 2001, und den Abklärungsbericht Haushalt vom 13. Juni 2002
lehnte die IV-Stelle des Kantons Solothurn den Anspruch auf berufliche
Eingliederungsmassnahmen und die Ausrichtung einer Invalidenrente mit
Verfügung vom 11. Oktober 2002 ab. Sie befand, die Versicherte sei in ihrer
Erwerbstätigkeit zu 17 % und im Haushalt zu 8 % eingeschränkt. Bei einem
Anteil der Erwerbstätigkeit von 60 % und des Haushalts von 40 % ergebe sich
insgesamt ein Invaliditätsgrad von 13 %, sodass G.________ trotz ihres
Leidens ein rentenausschliessendes Einkommen erzielen könne.

B.
G.________ erhob dagegen Beschwerde und machte geltend, dass sie ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung zu 80 % einer ausserhäuslichen Tätigkeit
nachgehen würde. Bei einer Einschränkung von 38 % im erwerblichen Bereich
beziehungsweise 34,4 % insgesamt habe sie Anspruch auf berufliche Massnahmen.
Nach Durchführung einer Instruktionsverhandlung mit Befragung der
Versicherten sowie der Abklärungsperson als Zeugin wies das
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn die Beschwerde mit Entscheid vom
6. Juli 2004 ab.

C.
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei
der angefochtene Entscheid aufzuheben und der Invaliditätsgrad unter
Anwendung der gemischten Methode mit einem Anteil von 80 % Erwerbsarbeit und
20 % Haushalt neu zu berechnen. Gestützt darauf seien ihr die gesetzlichen
Leistungen zuzusprechen.

Während die IV-Stelle des Kantons Solothurn auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Streitig ist der Anspruch auf berufliche Massnahmen wie Berufsberatung,
Umschulung und Arbeitsvermittlung. Im Hinblick auf die Umschulung stellt sich
im vorliegenden Fall die Frage nach der Höhe des Invaliditätsgrades und hier
im Wesentlichen diejenige nach dem Anteil von Erwerbstätigkeit und Haushalt.

1.2 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze
zum Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; BGE 116 V 249 Erw. 1b) sowie
zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei Teilerwerbstätigen nach der
gemischten Methode (Art. 27bis Abs. 1 IVV in der am 1. Januar 2001 in Kraft
getretenen Fassung vom 2. Februar 2000; BGE 104 V 136 Erw. 2a; BGE 125 V 150
Erw. 2c) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass
das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden
Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (hier: 11. Oktober 2002) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

2.
Die IV-Stelle ist gestützt auf den Abklärungsbericht Haushalt vom 13. Juni
2002 davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin als Gesunde mit einem
Arbeitspensum von 60 % erwerbstätig wäre. Auf den Einwand der Versicherten
hin, sie würde zu 80 % arbeiten, hat das kantonale Gericht sie und die
Abklärungsperson einvernommen und ist zum Schluss gekommen, dass auf die im
Abklärungsbericht protokollierte Aussage der Beschwerdeführerin abzustellen
sei. Die Versicherte wiederholt auch in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
dass sie nicht nur aus persönlichen und sozialen Gründen - nachdem ihre
Kinder keiner Betreuung mehr bedürfen - ein höheres Pensum absolvieren würde,
sondern auch aus finanziellen Gründen. Ihre Ehe sei seit ein paar Jahren
zerrüttet, weshalb sie sich selber ein existenzsicherndes Einkommen, aber
auch eine eigene Altersvorsorge sichern müsse.
Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die Versicherte bis zum Zeitpunkt des
Verfügungserlasses am 11. Oktober 2002 keine finanziellen Schwierigkeiten
erwähnte und auch keine Anhaltspunkte dafür bestanden. Ob die
Beschwerdeführerin ohne Gesundheitsschädigung zu 60 % oder zu 80 % arbeiten
würde, hat jedoch ohnehin keine Auswirkungen auf ihren Anspruch auf
berufliche Massnahmen, wie sogleich noch zu zeigen ist. Weitere Ausführungen
dazu erübrigen sich deshalb.

3.
3.1 Die Versicherte hat nach Art. 17 Abs. 1 IVG (in der bis Ende 2003 gültig
gewesenen und hier anwendbaren Fassung) Anspruch auf Umschulung auf eine neue
Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und
dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder wesentlich
verbessert werden kann. Rechtsprechungsgemäss setzt der Anspruch auf
Umschulung einen Invaliditätsgrad von etwa 20 % voraus (BGE 130 V 491 unten;
124 V 111 Erw. 2b; AHI 2000 S. 61, je mit Hinweisen). Im Rahmen der
gemischten Methode sind dabei Erwerbs- und Haushaltsbereich strikt zu
trennen, die Umschulung kann nur direkte Auswirkungen auf den Erwerbsbereich
haben (vgl. BGE 124 V 110 Erw. 2b) und der Mindestinvaliditätsgrad muss
einzig im Erwerbsbereich - und nicht bezüglich der Gesamtinvalidität -
erfüllt sein (Urteil G. vom 6. Dezember 2001 [I 190/01] Erw. 2b).

3.2 Verwaltung und Vorinstanz sind beim Invalideneinkommen davon ausgegangen,
dass der Beschwerdeführerin noch ein 50 %-Pensum zumutbar ist. Aus den Akten
ergibt sich, dass sie gelernte Kinderkrankenschwester ist, in den letzten
Jahren jedoch teilweise als Krankenschwester gearbeitet hat. Mit Blick auf
ihre gesundheitlichen Beschwerden sind ihr schwere Tätigkeiten, wie sie eine
Krankenschwester etwa in der Pflege von älteren Patienten zu bewältigen hat,
nicht mehr zuzumuten. Den gelernten Beruf als Kinderkrankenschwester hingegen
könnte sie nach Ansicht der Frau Dr. med. M.________ zu 80 bis 100 % ausüben
(Bericht vom 29. August 2000). Auch Dr. med. F.________ erwähnte in seinem
Bericht vom 27. Juli 2001, dass die Leistungseinschränkungen
belastungsabhängig, Tätigkeiten jedoch, die zu keiner Rückenbelastung
führten, in vollem Umfang zumutbar seien. Der Gesundheitszustand war gemäss
Bericht der Frau Dr. med. M.________ vom 13. März 2002 stationär. Eine
Verschlechterung, die schliesslich am 21. Mai 2003 eine Operation
erforderlich machte, ist bis zu dem für die richterliche Überprüfungsbefugnis
massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 121 V
366 Erw. 1b) nicht aktenkundig. War die Beschwerdeführerin jedoch in der
Lage, in ihrem gelernten Beruf, etwa auf einer Neugeborenenabteilung, zu 100
% tätig zu sein, ist die für eine Umschulung massgebliche
Erheblichkeitsschwelle im erwerblichen Bereich (etwa 20 %) nicht erfüllt, und
zwar ungeachtet des Umstandes, ob der Erwerbsanteil nun auf 60 % oder auf 80
% zu veranschlagen ist.

4.
Der Anspruch auf Berufsberatung (Art. 15 IVG) setzt voraus, dass die
versicherte Person an sich zur Berufswahl oder zur beruflichen
Neuorientierung fähig ist, infolge ihres Gesundheitszustandes aber darin
behindert ist, weil die Kenntnisse über Neigungen, berufliche Fähigkeiten und
Möglichkeiten nicht ausreichen, um einen der Behinderung angepassten Beruf
wählen zu können (SVR 2003 IV Nr. 11 S. 31; ZAK 1977 S. 191 Erw. 2). Nach dem
unter Erwägung 3 Gesagten ist die Beschwerdeführerin in ihrem gelernten Beruf
als Kinderkrankenschwester erwerbsfähig und eine entsprechende Arbeitsstelle
ist ihr mit einem Pensum von 100 % zumutbar. Es besteht daher kein Anspruch
auf Berufsberatung.

5.
Der Vertreter der Beschwerdeführerin erwähnt in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesslich den Anspruch auf
Arbeitsvermittlung. Dieser war weder Gegenstand der Verfügung der IV-Stelle
vom 11. Oktober 2002, noch wurde anlässlich der Instruktionsverhandlung vor
dem kantonalen Gericht ein entsprechender Antrag gestellt. Auch hier ist
daher nicht darüber zu befinden. Es bleibt der Versicherten jedoch
unbenommen, Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung in Anspruch zu
nehmen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 18 IVG erfüllt sind.

6.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
steht der Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn, der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 14. April 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: