Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 541/2004
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I 541/04

Urteil vom 3. Januar 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Lanz

M.________, 1956, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Claude
Schnüriger, Aeschenvorstadt 77, 4051 Basel,

gegen

IV-Stelle Obwalden, Brünigstrasse 144, 6060 Sarnen, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden, Sarnen

(Entscheid vom 8. Juli 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1956 geborene M.________ hat in seinem Heimatland, dem ehemaligen
Jugoslawien, die Ausbildung zum Elektroingenieur absolviert. Im Jahr 1991
reiste er in die Schweiz ein, wo er als Elektromonteur tätig war. Im April
1999 meldete sich M.________ unter Hinweis auf Rückenbeschwerden bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Im November 1999 endete das
bestehende Arbeitsverhältnis. M.________ ging seither keiner Erwerbstätigkeit
mehr nach. Die IV-Stelle Obwalden traf medizinische und erwerbliche
Abklärungen (unter anderem Einholung eines rheumatologischen und eines
psychiatrischen Gutachtens) und verneinte mit unangefochtener Verfügung vom
13. Juni 2001 einen Rentenanspruch bei einem Invaliditätsgrad von 38 %.
Nachdem M.________ erneut um Leistungen der Invalidenversicherung in Form
beruflicher Massnahmen ersucht hatte, gewährte die Verwaltung
Arbeitsvermittlung. Weiter veranlasste sie eine berufliche Abklärung in der
BEFAS, welche am 26. Juni 2002 Bericht erstattete. Mit Verfügung vom 21.
Januar 2003 verneinte die IV-Stelle einen Umschulungs- und erneut auch einen
Rentenanspruch, und sie stellte die Arbeitsvermittlung ein. Darauf kam die
Verwaltung auf Einsprache hin insofern zurück, als sie weiterhin
Arbeitsvermittlung gewährte. Hinsichtlich Renten- und Umschulungsanspruch
hielt sie an ihrer ablehnenden Haltung fest (Einspracheentscheid vom 15.
April 2003).

B.
Die von M.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht
des Kantons Obwalden in dem Sinne teilweise gut, dass es einen Rentenanspruch
bei einem Invaliditätsgrad von 47,7 % bejahte und die Sache zur Festsetzung
der Leistungen (mit Zusatzrente für die Ehefrau und Kinderrenten) an die
Verwaltung zurückwies. In Bezug auf die beantragte Umschulung wies es die
Beschwerde ab, und hinsichtlich Arbeitsvermittlung trat es darauf nicht ein
(Entscheid vom 8. Juli 2004).

C.
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
es sei eine höhere Invalidenrente (nebst akzessorischen Renten) zuzusprechen.

Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ohne
sich weiter zur Sache zu äussern. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat
sich nicht vernehmen lassen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend,
die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung
haben (BGE 127 V 467 Erw. 1). Weiter stellt das Sozialversicherungsgericht
bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des
Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (vorliegend: 15. April 2003)
eingetretenen Sachverhalt ab (BGE 121 V 366 Erw. 1b).
Wie das kantonale Gericht in korrekter Anwendung dieser allgemeinen
intertemporalen Regeln erkannt hat, sind die am 1. Januar 2004 im Rahmen der
4. IV-Revision in Kraft getretenen Rechtsänderungen nicht anwendbar.
Festzuhalten bleibt, dass das seit 1. Januar 2003 geltenden Bundesgesetz über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in Bezug auf die
hier interessierenden Rechtsfragen zu keiner inhaltlichen Änderung geführt
hat.

2.
Streitig und zu prüfen ist aufgrund der Anträge und Begründung in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzig der Rentenpunkt. Die beruflichen
Massnahmen, welche noch Gegenstand des Einsprache- und des vorinstanzlichen
Verfahren gebildet hatten, bilden nicht mehr Streitgegenstand (BGE 125 V
413).
Das kantonale Gericht hat Art. 28 Abs. 1 IVG (in der massgebenden, bis Ende
2003 gültig gewesenen Fassung) über die Voraussetzungen und den Umfang des
Anspruchs auf eine Rente der Invalidenversicherung richtig wiedergegeben.
Danach besteht bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % Anspruch auf
eine Viertelsrente, bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50 % auf eine
halbe und bei einem solchen von mindestens 66 2/3 % auf eine ganze Rente. Zu
ergänzen ist, dass gemäss Art. 28 Abs. 1bis IVG (in Kraft gewesen bis Ende
2003) im Härtefall anstelle der Viertels- eine halbe Rente ausgerichtet wird.
Im angefochtenen Entscheid werden sodann die Bestimmungen über die Prüfung
einer Neuanmeldung bei vorgängiger Ablehnung eines Rentenanspruchs (Art. 87
Abs. 3 und 4 IVV) und die von der Rechtsprechung zu Art. 41 IVG (in Kraft
gewesen bis Ende 2002; seither: Art. 17 ATSG) entwickelten Grundsätze (BGE
130 V 71), welche unter der Herrschaft des ATSG weiterhin anwendbar sind
(vgl. BGE 130 V 349 ff. Erw. 3.5) zutreffend dargelegt. Nicht zu beanstanden
sind auch die Erwägungen über die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen
nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG; bis Ende
2002: Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 Erw. 2a und b; vgl.
auch BGE 130 V 348 f. Erw. 3.4), die Verwendung von Tabellenlöhnen zur
Bestimmung des trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbarerweise noch
erzielbaren Einkommens (Invalideneinkommen; vgl. BGE 126 V 76 f. Erw. 3b/bb)
und den dabei gegebenenfalls vorzunehmenden leidensbedingten Abzug (BGE 126 V
75) sowie den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352
Erw. 3a mit Hinweis). Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Mit der am 13. Juni 2001 ergangenen Verwaltungsverfügung wurde eine
Rentenberechtigung des Versicherten rechtskräftig verneint. Die IV-Stelle
ging dabei gestützt auf die medizinischen Akten, namentlich das
rheumatologische Gutachten vom 22. Oktober 2000, von einer vollen
Arbeitsfähigkeit in jeglicher körperlich leichten Tätigkeit aus. Ein die
funktionelle Leistungsfähigkeit einschränkendes seelisches Leiden konnte
aufgrund der psychiatrischen Expertise vom 2. März 2001 ausgeschlossen
werden. Der diese medizinischen Erkenntnisse berücksichtigende
Einkommensvergleich ergab einen Invaliditätsgrad unter den für einen
Rentenanspruch mindestens erforderlichen 40 % (vgl. Erw. 2 hievor).

3.2 Im Einspracheentscheid vom 15. April 2003 verneinte die Verwaltung eine
seit der Verfügung vom 13. Juni 2001 eingetretene anspruchsbeeinflussende
Änderung des Invaliditätsgrades. Demgegenüber ist das kantonale Gericht zum
Ergebnis gelangt, der Gesundheitszustand habe sich in rentenrelevanter Weise
verschlechtert. Diese Auffassung beruht auf dem Bericht der BEFAS vom 26.
Juni 2002. Darin bestätigt der BEFAS-Arzt eine gesundheitliche
Verschlimmerung. Er bescheinigt in körperlich leichten, wechselbelastenden
Tätigkeiten eine Arbeitsfähigkeit von nunmehr etwa 70 %. Diese ärztliche
Stellungnahme hat die Vorinstanz nach einer eingehenden und überzeugenden
Auseinandersetzung mit den gesamten medizinischen Akten der
Invaliditätsbemessung zugrunde gelegt. Die IV-Stelle schliesst sich dieser
Betrachtungsweise letztinstanzlich zu Recht an.

3.3 Der Beschwerdeführer macht eine höhere Beeinträchtigung des funktionellen
Leistungsvermögens geltend, welche einen Invaliditätsgrad von mindestens 50
%, eventuell über 60 % zur Folge habe. Er beruft sich dabei namentlich auf
eine seit dem BEFAS-Bericht vom 26. Juni 2002 eingetretene weitere
gesundheitliche Verschlechterung. Eine derartige Entwicklung lässt sich aber,
wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, auch den zur Stützung dieses
Standpunktes aufgelegten Arztberichten nicht entnehmen. Soweit in den
Stellungnahmen des Spitals X.________, Orthopädische Klinik, vom Februar und
Mai 2003 überhaupt auf die Arbeitsfähigkeit Bezug genommen wird, beruhen
diese Äusserungen zu einem Teil alleine auf den Angaben des Versicherten zu
den aus seiner Sicht möglichen Arbeitseinsätzen, was nicht genügt. Zum andern
Teil sind die Äusserungen der Klinikärzte zu wenig präzise, um die klare
Beurteilung des BEFAS-Arztes in Frage stellen zu können oder eine seit der
von ihm durchgeführten Untersuchung eingetretene, gegebenenfalls
anspruchsrelevante Verschlimmerung hinsichtlich Gesundheitszustand und
funktionellem Leistungsvermögen darzutun. Dies gilt namentlich auch in Bezug
auf die im Klinikbericht vom 30. Mai 2003 ausgesprochene Ermutigung an den
Versicherten, baldmöglichst wenigstens eine Halbtagestätigkeit zu finden.
Soweit der Beschwerdeführer daraus auf eine lediglich hälftige
Arbeitsfähigkeit selbst für leichte Tätigkeiten schliessen will, kann ihm
nicht gefolgt werden. Gemäss den weiter bei den Akten befindlichen Berichten
der Heilanstalt Y.________ besteht für die grundsätzlich für zumutbar
erachteten wechselnden Tätigkeiten in sitzender und stehender Stellung keine
volle Arbeitsfähigkeit. Dies steht entgegen der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung nicht in Widerspruch zu
den Aussagen des BEFAS-Arztes. Es kann im Übrigen vollumfänglich auf die
zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Darin
wird insbesondere auch richtig dargelegt, dass der BEFAS-Bericht vom 26. Juni
2002 entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers eine zuverlässige ärztliche
Stellungnahme umfasst.

3.4 Der vom kantonalen Gericht durchgeführte Einkommensvergleich unter
Verwendung statistischer Durchschnittslöhne zur Bemessung des
Invalideneinkommens und Anrechnung des nach der Rechtsprechung bei
Berücksichtigung aller jeweils in Betracht fallenden lohnrelevanten Faktoren
maximal möglichen leidensbedingten Abzuges von 25 % (BGE 126 V 75) mit dem
Ergebnis eines Invaliditätsgrades von 48 % (zur Rundung: BGE 130 V 121),
entspricht den von der Praxis aufgestellten Grundsätzen, was von keiner Seite
in Frage gestellt wird. Damit besteht Anspruch auf eine Viertelsrente resp.
(nach der bis Ende 2003 in Kraft gewesenen gesetzlichen Regelung) bei
Bejahung des Härtefalles auf eine halbe Rente (Erw. 2 hievor). Die Verwaltung
hat gestützt auf den demnach rechtmässigen vorinstanzlichen Entscheid die
entsprechenden Leistungen (mit Zusatz- und Kinderrenten) an den Versicherten
festzusetzen. Sie wird dabei auch den Rentenbeginn bestimmen, zu welchem sich
das kantonale Gericht nicht geäussert hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden,
der Ausgleichskasse SPIDA und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 3. Januar 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: