Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 517/2004
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I 517/04

Urteil vom 30. November 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Schmutz

D.________, 1948, Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 23. Juli 2004)

Sachverhalt:

A.
D. ________, geboren 1948, war seit 1972 als selbstständig erwerbender
Karosseriespengler tätig. Am 13. Juli 1998 meldete er sich bei der
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle, zum Bezug von
Leistungen der Invalidenversicherung an. Er wies auf chronische Schmerzen im
Nacken- und Kopfbereich sowie Schmerzen in den Händen hin und erhob Anspruch
auf eine Invalidenrente. Dieses Begehren zog er am 7. September 1998 mit der
Begründung zurück, der Gesundheitszustand habe sich etwas gebessert. Am 29.
Juli 2002 reichte er ein neues Rentengesuch ein. Er gab an, an einer Arthrose
im Nackenbereich mit der Folge starker Kopfschmerzen, Einschlafens der Hände
und chronischer Ellbogenentzündung zu leiden. Die IV-Stelle holte den Bericht
des behandelnden Arztes Dr. med. H.________, Facharzt FMH für Allgemeine
Medizin, vom 27. November 2002 ein. Dieser diagnostizierte ein chronisches
zervikospondylogenes Syndrom beidseits bei schweren degenerativen
Veränderungen C3-C6 mit bilateralen ossär bedingten foraminalen
Stenosierungen, Verdacht auf Impingement-Syndrom der linken Schulter,
Kreuzbandplastik rechts und mediale Teilmeniskektomie, Defilee-Erweiterung
der rechten Schulter und Epicondylitis humeri radialis rechts. Zudem
veranlasste die IV-Stelle einen Abklärungsbericht für Selbstständigerwerbende
(vom 28. März 2003). Mit Verfügung vom 14. November 2003 sprach sie
D.________ ab dem 1. Februar 2003 eine halbe Invalidenrente zu. Die hiegegen
erhobene Einsprache mit dem Antrag auf Zuerkennung einer ganzen Rente wies
sie mit Entscheid vom 20. Januar 2004 ab. Dabei beschied sie dem
Versicherten, dass ab dem In-Kraft-Treten der 4. IVG-Revision per 1. Januar
2004 die halbe Rente bei einem unveränderten Invaliditätsgrad von 62 % als
Dreiviertelrente ausgerichtet werde.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. Juli 2004 ab. Dabei legte es den
Invaliditätsgrad auf 63,7 % fest.

C.
D.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, es sei ihm eine
ganze Invalidenrente zuzusprechen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die massgebenden Bestimmungen über den Begriff der
Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), den
Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 [in der bis 31. Dezember 2003 und
der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung] und 1bis IVG [in der bis Ende 2003
gültig gewesenen Fassung]), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei
erwerbstätigen Versicherten (Einkommensvergleichsmethode [Art. 16 ATSG in
Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b]), die
Bestimmung des Erwerbseinkommens eines selbstständig Erwerbenden, der
zusammen mit Familienmitgliedern einen Betrieb bewirtschaftet (Art. 25 Abs. 2
IVV) sowie den Rentenbeginn (Art. 29 Abs. 1 IVG und Art. 29 und 29ter IVV)
richtig angegeben. Zutreffend ist auch der Hinweis auf die Rechtsprechung zur
Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4,
115 V 134 Erw. 2, 105 V 158 Erw. 1) und zum Beweiswert ärztlicher Berichte
(BGE 125 V 352 f. Erw. 3 mit Hinweisen).

2.
Der Beschwerdeführer rügt vorab, der Abklärungsbericht vom 28. März 2003 sei
falsch interpretiert worden, was zur Folge gehabt habe, dass im
Einkommensvergleich der Anteil an schweren Tätigkeiten (Spengler- und
Malerarbeit) zu schwach, der Anteil an administrativer Arbeit hingegen zu
stark gewichtet worden sei. Dieser Einwand ist nicht näher zu prüfen, da eine
andere Gewichtung der bisherigen Tätigkeiten auf den Ausgang des vorliegenden
Streits ohne Einfluss wäre, denn es ist erstellt, dass dem Beschwerdeführer
die frühere Beschäftigung mit ihrem hohen Anteil an körperlich schweren
Arbeiten aus gesundheitlichen Gründen insgesamt nicht mehr zumutbar ist. Der
Anteil dieser früheren Tätigkeiten ist im Hinblick auf die alleine noch
umstrittene Festlegung des Invaliditätsgrades nicht von Belang, da es hier
nur noch darum geht, was dem Beschwerdeführer nach Eintritt der Invalidität
an leidensangepassten Beschäftigungen noch zumutbar ist (und was er dabei an
Einkommen einbüsst) (vgl. Erw. 5 hienach).

3.
3.1 Im Zusammenhang mit dem in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen
Vorwurf, der medizinische Sachverhalt sei ungenügend abgeklärt, ist vorab zu
berichtigen, dass Dr. med. B.________, Spezialarzt FMH für Rheumatologie, an
den der Beschwerdeführer vom Hausarzt zur Untersuchung überwiesen worden war,
diesen im Bericht vom 7. November 2002 nicht wie von der Vorinstanz erwogen
in einer körperlich schweren Arbeit vollständig und in einer körperlich
leichten Tätigkeit zu 50 % arbeitsunfähig einschätzte. Der Rheumatologe
bewertete die Arbeitsfähigkeit bedeutend höher: Er bezeichnete den
Beschwerdeführer als Karosseriespengler vor allem für Arbeiten, die eine
Extension und eine Rotation der Halswirbelsäule nötig machen, zu 50 %
arbeitsunfähig, für leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen und Stehen aber zu
weniger als 50 %. Mit dieser Einschätzung wich er erheblich von der
Beurteilung durch den behandelnden Arzt Dr. med. H.________ ab, welcher für
den gleichen Zeitraum die Arbeitsunfähigkeit bei körperlich schweren
Tätigkeiten auf 80 % festsetzte (IVBArztbericht vom 27. November 2002).

3.2 Des weiteren ist festzuhalten, dass dem mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingelegten Arztzeugnis von Dr. med. H.________
vom 25. August 2004 keine Beweiskraft zukommen kann, da die darin enthaltene
Schätzung der Restarbeitsfähigkeit auf 20 % in einer leidensangepassten
Tätigkeit weder begründet ist, noch hinsichtlich ihrer Geltungszeit
spezifiziert wird; auch fehlen Angaben zur Art der noch als zumutbar
erachteten Arbeiten.

3.3 Wie bereits erwähnt (vgl. Erw. 2 hievor), dreht sich der Rechtsstreit nur
noch um die Frage nach der Art und der Intensität der dem Beschwerdeführer
nach Eintritt der Invalidität noch zumutbaren Beschäftigung. Dr. med.
H.________ schätzte im IV-Arztbericht vom 27. November 2002 die
Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Karosseriespengler
auf 80 %. Dabei stützte er sich auf den Rapport von Dr. med. B.________ (vgl.
Erw. 3.1 hievor). Nach der Schätzung des Rheumatologen lag der Grad der
Arbeitsfähigkeit damals für eine leichte körperliche Tätigkeit im Wechsel von
Sitzen und Stehen "medizinisch-theoretisch" höher als 50 %. Dem Bericht von
Dr. med. U.________, Facharzt FMH für Radiologie und Nuklearmedizin, Klinik
I.________, vom 5. Februar 2004 ist zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer
seit einer Voruntersuchung im Jahr 2002 keine wesentlichen Befundänderungen,
insbesondere auch keine wesentliche Progression der degenerativen
Veränderungen festzustellen war. Dr. med. G.________, Facharzt FMH für
orthopädische Chirurgie, legte am 10. Februar 2004 in einer Eingabe an das
kantonale Gericht die "medizinisch-theoretische Arbeitsunfähigkeit" des
Beschwerdeführers auf insgesamt 70 % fest. In seiner mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingelegten Erklärung vom 1. September 2004
verdeutlicht er, der geschätzte Grad von 70 % betrage aufgeteilt für
körperlich schwere, handwerkliche Tätigkeiten 100 %, für körperlich leichte,
administrative Beschäftigungen 0 %.

4.
Nach dem Gesagten war es bis zu dem für den Rentenanspruch massgebenden
Zeitpunkt des Einspracheentscheids am 20. Januar 2004 aus ärztlicher Sicht
nicht umstritten, dass dem Beschwerdeführer in einer leichten, den Leiden
angepassten Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von mindestens 50 % verblieben
ist.

5.
Der Beschwerdeführer bringt im Übrigen gegen die Bemessung des
Invaliditätsgrades einzig vor, die Verwertung seiner Arbeitsfähigkeit sei ihm
bei der heutigen Wirtschaftslage auch in einer leichten körperlichen
Tätigkeit kaum noch möglich, umso mehr, als er immer unter Medikamenten
stehe. Dieser Einwand kann deshalb nicht gehört werden, weil das Gesetz
vorschreibt, dass zur Bestimmung des Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen
zu berücksichtigen ist, das die versicherte Person nach Eintritt der
Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und
allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei
ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Art. 16 ATSG). Bei der
ausgeglichenen Arbeitsmarktlage handelt es sich nach der Rechtsprechung um
einen theoretischen und abstrakten Begriff. Er umschliesst einerseits ein
bestimmtes Gleichgewicht zwischen dem Angebot an Stellen und der Nachfrage
nach solchen; anderseits bezeichnet er einen Arbeitsmarkt, der von seiner
Struktur her sowohl bezüglich der beruflichen und intellektuellen
Voraussetzungen als auch hinsichtlich des körperlichen Einsatzes einen Fächer
verschiedenartiger Stellen offen hält. Nach diesen Gesichtspunkten bestimmt
sich im Einzelfall, ob die invalide Person die Möglichkeit hat, ihre
restliche Erwerbsfähigkeit zu verwerten (BGE 110 V 276 Erw. 4b; ZAK 1991 S.
321 Erw. 3b). Bei der Bestimmung des trotz der gesundheitlichen
Beeinträchtigung zumutbarerweise erzielbaren Einkommens darf nicht von
realitätsfremden Einsatzmöglichkeiten ausgegangen werden. Von einer
Arbeitsgelegenheit kann nicht gesprochen werden, wenn das Finden einer
entsprechenden Stelle von vornherein als ausgeschlossen erscheint, weil die
zumutbare Tätigkeit nur in so eingeschränkter Form möglich ist, dass sie der
allgemeine Arbeitsmarkt praktisch nicht kennt oder dass sie nur unter nicht
realistischem Entgegenkommen eines durchschnittlichen Arbeitgebers möglich
wäre (vgl. ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b, 1989 S. 321 Erw. 4a). Im Falle des
Beschwerdeführers sind die letztgenannten Bedingungen in keinerlei Hinsicht
erfüllt. Es ist ihm in Nachachtung des generell in der Sozialversicherung
geltenden Grundsatzes der Schadenminderung (BGE 123 V 233 Erw. 3c, 117 V 278
Erw. 2b, 400) zumutbar, die verbliebene Arbeitsfähigkeit im dargelegten
Rahmen zu verwerten.

6.
Verwaltung und Vorinstanz sind somit in korrekter Würdigung des medizinischen
Sachverhaltes bei der Invaliditätsbemessung zu Recht davon ausgegangen, dass
dem Beschwerdeführer in körperlich leichten, abwechselnd sitzenden und
stehenden Tätigkeiten ohne Extension und Rotation der Halswirbelsäule eine
Arbeit im Angestelltenverhältnis zu mindestens 50 % zumutbar ist. Auch legte
die Vorinstanz bei der Bemessung des Invaliditätsgrades im
Einkommensvergleich das Invalideneinkommen zu Recht nach dem
Durchschnittslohn gemäss der Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für
Statistik für Männer in einfachen und repetitiven Tätigkeiten
(Anforderungsniveau 4, privater Sektor) für das Jahr 2002 fest. Korrekt ist
ebenfalls die Berücksichtigung der Lohnentwicklung bis zum hier massgebenden
Jahr der Entstehung des Rentenanspruchs (2003). Ebenso gerechtfertigt ist die
Höhe des gewährten Abzuges von 10 % vom tabellarisch ermittelten
Invalideneinkommen, um dem Lebensalter, den leidensbedingten Einschränkungen
und dem reduzierten Beschäftigungsgrad Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 30. November 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: