Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 49/2004
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I 49/04

Urteil vom 29. September 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiberin Weber Peter

L.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Heiner Schärrer,
Aeschenvorstadt 67, 4051 Basel,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 17. Dezember 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 17. Januar 2003 lehnte die IV-Stelle Basel-Stadt das
Leistungsbegehren des 1960 geborenen L.________ vom 28. März 2001 ab, da ein
rentenausschliessender Invaliditätsgrad von lediglich 22 % ausgewiesen sei.
Sie stützte sich dabei insbesondere auf ein Gutachten des Dr. med. B.________
(vom 14. November 2002). Auf Einsprache hin hielt sie an ihrem Standpunkt
fest (Einspracheentscheid vom 2. Juni 2003)

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher die Zusprechung einer halben
Invalidenrente beantragt wurde, wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 17. Dezember 2003 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt L.________ die vorinstanzlichen
Rechtsbegehren erneuern. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

D.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2004 ist die 4. IVG-Revision in Kraft getreten. Weil in
zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die
bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben
(BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei
der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des
Erlasses des streitigen Einspracheentscheides (hier: 2. Juni 2003)
eingetretenen Sachverhalt abstellt (RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101), sind im
vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Bestimmungen
anwendbar.

1.2 Im zur Publikation in der Amtlichen Sammlung bestimmten Urteil L. vom 4.
Juni 2004, H 6/04, erwog das Eidgenössische Versicherungsgericht, dass Art.
82 Abs. 1 ATSG nur eine beschränkte Tragweite zukommt, indem diese Bestimmung
- vorbehältlich Anpassungen rechtskräftig verfügter Leistungskürzungen
aufgrund von Art. 21 Abs. 1 und 2 ATSG - lediglich diejenigen Fälle von der
Anwendbarkeit des ATSG ausnehmen will, in denen vor dem 1. Januar 2003
rechtskräftig verfügt worden ist. Erging der Einspracheentscheid zwar nach
Inkrafttreten des ATSG, sind jedoch auch vor dem 1. Januar 2003 eingetretene
Sachverhalte zu beurteilen, ist der Beurteilung der im Streite liegenden
Rechtsverhältnisse bis 31. Dezember 2002 das alte Recht, ab 1. Januar 2003
das ATSG in Verbindung mit den revidierten Einzelgesetzen zu Grunde zu legen.
Materiellrechtliche Änderungen sind damit nicht verbunden. Denn mit noch
nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtem Urteil A. vom 30. April
2004, I 626/03, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht erkannt, dass es
sich bei den in Art. 3-13 ATSG enthaltenen Legaldefinitionen in aller Regel
um eine formell-gesetzliche Fassung der Rechtsprechung zu den entsprechenden
Begriffen vor Inkrafttreten des ATSG handelt, ohne dass sich inhaltliche
Änderungen ergeben. Die zum alten, bis 31. Dezember 2002 in Kraft gewesenen
Recht entwickelte Judikatur kann somit übernommen und weitergeführt werden
(vgl. das erwähnte Urteil A. vom 30. April 2004, Erw. 3.1, 3.2 und 3.3).
Gleiches gilt für die Normierung des Art. 16 ATSG (Invaliditätsbemessung bei
erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs; Urteil A. vom 30. April 2004, Erw. 3.4; BGE 128 V 30
Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2a und b).

1.3 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der
Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 ATSG; bis 31.
Dezember 2002: vgl. Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente
(Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG [je in den bis Ende 2003 in Kraft gestandenen
Fassungen]), zum Beginn des Rentenanspruchs (Art. 29 Abs. 1 lit. a und b IVG
in Verbindung mit Art. 6 und 7 ATSG [je in der vom 1. Januar bis 31. Dezember
2003 gültig gewesenen Fassung]; bis 31. Dezember 2002: vgl. Art. 29 Abs. 1
lit. a und b IVG) und zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG; bis 31.
Dezember 2002: vgl. Art. 28 Abs. 2 IVG), zutreffend dargelegt. Gleiches gilt
bezüglich der Rechtsgrundlagen zur Aufgabe des Arztes und der Ärztin im
Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) sowie
zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten
(BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis; vgl. auch AHI 2001 S. 113 Erw. 3). Darauf
wird verwiesen.

2.
2.1 Die Vorinstanz hat in sorgfältiger und überzeugender Würdigung der
medizinischen Aktenlage zu Recht erkannt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund
seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung (Diskushernie) der Beruf als Maurer
nicht mehr zumutbar ist, in leidensangepassten Tätigkeiten jedoch von einer
100 %igen Arbeitsfähigkeit ausgegangen werden kann. Sie stützte sich dabei
auf das Gutachten des Rheumatologen Dr. med. B.________ vom 14. November
2002, welches mit der Vorinstanz die nach der Rechtsprechung für den
Beweiswert medizinischer Expertisen geltenden Anforderungen (BGE 125 V 352
Erw. 3a mit Hinweisen) erfüllt. Die darin enthaltende Einschätzung der
verbleibenden Arbeitsfähigkeit deckt sich im Übrigen mit dem Arztbericht von
Dr. med. R.________ vom 24. April 2001 und dem Bericht der Beruflichen
Abklärungsstelle (BEFAS) vom 15. Juli 2002, wo sich der Beschwerdeführer vom
22. April bis 31. Mai 2002 befand. In diesem Bericht wird explizit
festgehalten, aufgrund der medizinischen Akten und der anlässlich der
beruflichen Abklärung erzielten Resultate wäre dem Exploranden eine
ganztägige in Wechselhaltung auszuführende Tätigkeit zumutbar. Einzig Dr.
med. H.________ hielt auf entsprechende Rückfrage der IV-Stelle zum Bericht
der Neurochirurgie vom 2. Oktober 2001, worin zur verbleibenden
Arbeitsfähigkeit keine Stellung genommen worden war, fest, die
Restarbeitsfähigkeit in einem leidensangepassten, körperlich schonenden Beruf
betrage 50 % bis 80 %. Diese Einschätzung wurde jedoch mit keinem Wort
begründet. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, Zweifel am Gutachten
des Dr. med. B.________ vom 14. November 2002 aufkommen zu lassen. Verwaltung
und Vorinstanz haben daher in Bezug auf die Frage der gesundheitsbedingten
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit und die aus medizinischer Sicht noch
zumutbaren Tätigkeiten - als Grundlage der Invaliditätsbemessung - zu Recht
darauf abgestellt.

2.2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde enthält im Vergleich zu den gegen das
besagte Gutachten schon im kantonalen Verfahren erhobenen Einwänden keine
wesentlichen neuen Beanstandungen. Mit der vorgetragenen Kritik hat sich die
Vorinstanz bereits eingehend auseinandergesetzt und ist dabei mit
überzeugender Begründung zum Schluss gelangt, dass kein Anlass bestehe, die
Zuverlässigkeit der Expertise in Frage zu stellen. Den diesbezüglichen
Erwägungen pflichtet das Eidgenössische Versicherungsgericht auch unter
Berücksichtigung der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
vollumfänglich bei. Es bleibt lediglich zu betonen, dass die geklagten
Schmerzen im Gutachten entgegen der Rüge des Beschwerdeführers nicht bloss
aufgeführt werden, sondern dass sich der Experte damit auseinandergesetzt
hat, indem er u.a. auch die Beobachtungen der BEFAS-Abklärungen in seine
Beurteilung miteinbezog und mithin zum Schluss gelangte, dass der
Leidensdruck des Versicherten als gering einzustufen sei. Es trifft zwar zu,
dass sich der Gutachter nicht auf die Wiedergabe "rein objektiver" Aspekte
beschränkte, sondern auch subjektive Äusserungen in den Bericht einflossen.
Auf mangelnde Objektivität bzw. Befangenheit des Experten kann daraus mit
Blick auf das gesamte Gutachten jedoch nicht geschlossen werden (vgl. BGE 120
V 365, Erw. 3a mit Hinweisen), umso weniger als sich die darin enthaltenen
Einschätzungen und Feststellungen grösstenteils mit der BEFAS-Beurteilung
decken. Zudem hat sich der Rheumatologe entgegen der Beanstandung des
Beschwerdeführers mit der Problematik der in der MRI-Untersuchung vom 6. Juni
2002 festgestellten Diskushernie mit Wurzelkompression S1 auseinandergesetzt,
jedoch diesbezüglich keine klinischen und neurologischen Symptome
festgestellt, welche Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des Versicherten
haben. So hat er eine Parallele der als relativ gross bezeichneten
Diskushernie zu den Schmerzangaben, zum neurologischen Befund oder zum
Bewegungsmuster verneint sowie eine darauf basierende Sensibilitätsstörung
ausgeschlossen. Mit der Vorinstanz ist eine entsprechende Nichterwähnung der
Wurzelkompression in der Diagnoseliste mangels Auswirkungen auf die
Arbeitsfähigkeit  folgerichtig und mithin nicht zu beanstanden.

2.3 Was den Einkommensvergleich betrifft, hat das kantonale Gericht das
Invalideneinkommen zu Recht gestützt auf die Tabellenlöhne der vom Bundesamt
für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE, vgl.
BGE 126 V 76 f. Erw. 3b/aa-bb) ermittelt. Gemäss Tabelle TA1 der LSE 2000
belief sich der Zentralwert für die mit einfachen und repetitiven Arbeiten
(Anforderungsniveau 4) beschäftigten Männer bei einer 40-Stundenwoche im
privaten Sektor, auf welche bei der Festsetzung des Invalideneinkommens
anhand von Tabellenlöhnen grundsätzlich abgestellt wird (BGE 129 V 483 f.
Erw. 4.3.2; RKUV 2001 Nr. U 439 S. 347), auf Fr. 4'437.-, was umgerechnet auf
die betriebsübliche durchschnittliche Arbeitszeit im Jahr 2001 von 41.7
Stunden (Die Volkswirtschaft, 1/2003, S. 94 Tabelle B 9.2) sowie unter
Berücksichtigung der Nominallohnerhöhung im Jahre 2001 für Männer (vgl. BGE
129 V 408 ff.) von 2.4% (Die Volkswirtschaft, a.a.O., S. 95 Tabelle B10.3)
einem Jahreseinkommen von Fr. 56'839.- entspricht. Selbst unter
Berücksichtigung des grösstmöglichen behinderungsbedingten Abzuges vom
Invalideneinkommen in Höhe von 25 % (BGE 126 V 80 Erw. 5b/cc) resultiert
damit im Vergleich zum unbestrittenen Valideneinkommen im Jahre 2001 von Fr.
65'650.- in Übereinstimmung mit der Vorinstanz ein rentenausschliessender
Invaliditätsgrad von klar unter 40 %, nämlich gerundet 35 %. Mithin kann die
effektive Höhe eines allfällig zu berücksichtigenden behinderungsbedingten
Abzuges offen bleiben.

3.
Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine
Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne
der Befreiung von den Gerichtskosten ist deshalb gegenstandslos. Die
unentgeltliche Verbeiständung kann dagegen gewährt werden, da die hiefür
erforderlichen Voraussetzungen (BGE 125 V 202 Erw. 4a) als erfüllt betrachtet
werden können. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG
aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu
leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Heiner
Schärrer, Basel, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
dem Bundesamt für Sozialversicherung und der Ausgleichskasse Basel-Stadt
zugestellt.

Luzern, 29. September 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: