Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 489/2004
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I 489/04

Urteil vom 8. Februar 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Hadorn

Visana, Weltpoststrasse 19, 3000 Bern 15, Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin,

betreffend G.________, 1990, vertreten durch
ihre Mutter und diese vertreten durch Fürsprecher
Herbert Bracher, Hauptgasse 35, 4500 Solothurn

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 15. Juli 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 5. März 1992 gewährte die IV-Stelle Bern G.________ (geb.
1990) medizinische Eingliederungsmassnahmen (Physiotherapie vom 17. Januar
1992 bis 31. Januar 1994). Diese Leistungszusprache verlängerte die IV-Stelle
mit Verfügung vom 21. Januar 1994 bis 30. April 2003, stellte sie aber mit
Verfügung vom 3. Juni 2003 auf 1. August 2003 ein. Hiegegen erhoben sowohl
G.________ als auch die Visana als deren Krankenkasse Einsprache. Mit
Entscheid vom 12. Februar 2004 hob die IV-Stelle die medizinischen Massnahmen
nunmehr schon ab 1. Juli 2003 auf.

B.
Auf Beschwerde der Visana hin hob das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die
Leistungszusprache mit Entscheid vom 15. Juli 2004 erneut per 1. August 2003
auf und wies die Beschwerde im Übrigen ab.

C.
Die Visana führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die
Invalidenversicherung sei weiterhin zur Gewährung medizinischer Massnahmen zu
verpflichten.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während G.________ auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zum Anspruch auf
medizinische Massnahmen der Invalidenversicherung im Allgemeinen (Art. 12
Abs. 1 IVG) und bei Minderjährigen im Besonderen (Art. 8 Abs. 2 ATSG; vgl.
auch altArt. 5 Abs. 2 IVG) sowie die Rechtsprechung zur Abgrenzung der
Leistungspflicht von Invaliden- und Krankenversicherung (BGE 120 V 279 Erw.
3a), insbesondere bei Behandlungen von längerer Dauer (AHI 2003 S. 104 Erw.
2), richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.
Zu prüfen ist, ob die Invaliden- oder die Krankenversicherung für die
umstrittenen medizinischen Massnahmen aufzukommen hat.

2.1 Die Vorinstanz erwog, es liege eine lang dauernde Behandlung vor, habe
diese doch 1992 begonnen und werde noch über mehrere Jahre andauern. Zudem
ergebe sich aus den Akten, dass die Leiden der Versicherten labiler Art seien
und hinsichtlich einer späteren Erwerbsfähigkeit keine klare Prognose
erlaubten. Solche fielen rechtsprechungsgemäss in den Leistungsbereich der
Krankenversicherung. Demgegenüber macht die Visana gestützt auf einen Bericht
ihres Vertrauensarztes, Dr. med. A.________, vom 30. August 2004 geltend, es
liege ein stabilisierter Gesundheitszustand vor. Die Versicherte leide an
einem irreversiblen, seit Jahren gleich gebliebenen Hirnschaden, der
medizinisch nicht behandelbar sei. Mit Therapien könnten lediglich die Folgen
dieses neurologischen Defektzustandes angegangen werden. Die Physiotherapie
bezwecke eine Verbesserung der Muskelfunktionen, um während des Wachstums
eine Fehlhaltung der Wirbelsäule sowie Deformitäten vor allem im Bereich der
Füsse auf ein Minimum zu reduzieren. Das Vermeiden von Deformitäten sei das
wichtigste Ziel der rehabilitativen Massnahmen und unabdingbar für die
berufliche Eingliederung. Während somit der neurologische Defektzustand immer
gleich bleibe, sähen die Folgeerscheinungen desselben auf den
Bewegungsapparat je nach Therapieaufwand unterschiedlich aus. Der
Grundschaden sei jedoch medizinisch gesehen kein labiles pathologisches
Geschehen. Zudem übernehme die Invalidenversicherung bei Minderjährigen auch
Vorkehren, die sich gegen labiles Leiden richteten.

2.2 Gemäss den Akten liegt eine jahrelange Behandlung vor. Ohne diese würde
sich der Zustand der Versicherten weiter verschlechtern. Gemäss Bericht von
Dr. med. B.________, Spezialarzt für Kinder und Jugendliche, vom 25. März
2003 wäre bei Einstellung der Rehabilitationsmassnahmen eine zunehmende
sekundäre Behinderung des Kindes zu erwarten, während die regelmässigen
Therapien den Ist-Zustand zu halten, vielleicht ein wenig zu verbessern
vermöchten. Demzufolge sind die bislang von der Invalidenversicherung
übernommenen Massnahmen ungeachtet des möglicherweise irreversiblen
Hinrschadens stabilisierender Art. Sie helfen eine weitere Verschlechterung
des Zustandes zu verhindern. Nach der Rechtsprechung (AHI 1999 S. 127 f. Erw.
2d) richten sich stabilisierende Vorkehren aber immer gegen labiles
pathologisches Geschehen. Sie fallen daher, wie die Vorinstanz richtig
erkannt hat, in den Bereich der Krankenversicherung.

3.
Der Streit zwischen zwei Versicherern über Leistungen an einen gemeinsamen
Versicherten ist kostenpflichtig (BGE 120 V 494 Erw. 3, 119 V 222 Erw. 4b),
weshalb die unterliegende Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen hat
(Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu sprechen, da
beide Versicherer als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute
Organisationen gehandelt haben (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 126 V 150 Erw. 4a).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von total Fr. 3000.- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherung
und G.________ zugestellt.
Luzern, 8. Februar 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber:

i.V.