Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 475/2004
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I 475/04

Urteil vom 2. Dezember 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Hadorn

P.________, 1964, Beschwerdeführerin, vertreten
durch Fürsprecher Beat Kurt, Rotbrüstelistrasse 5, 4914 Roggwil,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 21. Juni 2004)

Sachverhalt:
Die 1964 geborene P.________ bezog seit dem 1. Mai 1995 eine halbe
Härtefall-Rente der Invalidenversicherung. Mit Verfügung vom 26. April 2000
lehnte die IV-Stelle Bern ein Revisionsgesuch ab; auf ein Zweites trat sie
mit Verfügung vom 15. Januar 2002 nicht ein. Mit Verfügung vom 31. Oktober
2003 hob die IV-Stelle die bisher ausgerichtete Rente auf Ende 2003 auf.
Diese Verfügung bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 4. Dezember 2003.
Einer allfälligen Beschwerde entzog sie die aufschiebende Wirkung.

P. ________ erhob Beschwerde gegen die Rentenaufhebung und den Entzug der
aufschiebenden Wirkung. Mit Zwischenentscheid vom 7. Januar 2004 wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern diese vorerst bezüglich der
aufschiebenden Wirkung ab. Die hiegegen eingereichte
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Eidgenössische Versicherungsgericht
mit Urteil vom 24. Februar 2004 ebenfalls ab.
Mit Entscheid vom 21. Juni 2004 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
die Beschwerde sodann auch materiell ab.

P. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei
ihr eine ganze, eventuell eine halbe Invalidenrente zuzusprechen.
Subeventuell sei die Sache zu näheren Abklärungen an die IV-Stelle
zurückzuweisen. Ausserdem lässt P.________ um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung ersuchen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung sich nicht vernehmen lässt.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Verwaltungsgericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen für den
Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 Abs. 1 und 1bis
IVG; sämtliche Bestimmungen in der jeweils anwendbaren Fassung), zur
Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommensvergleichs
(Art. 16 ATSG; vgl. altArt. 28 Abs. 2 IVG), des Betätigungsvergleichs (alt
Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit altArt. 26bis und altArt. 27 Abs. 1 IVV)
und der gemischten Methode (altArt. 27bis Abs. 1 IVV), zur Revision (Art. 17
Abs. 1 ATSG; vgl. altArt. 41 IVG) sowie die zu diesen Bereichen ergangene
Rechtsprechung (BGE 128 V 30 Erw. 1; 125 V 149 Erw. 2a und 150 Erw. 2c, 125 V
369 Erw. 2) richtig dargelegt. Zutreffend sind auch die übergangsrechtlichen
Erwägungen zur (Nicht-)Anwendbarkeit des ATSG und der Bestimmungen der 4.
IVG-Revision. Darauf wird verwiesen.

2.
Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch.

2.1 Bei der Gewährung der halben Härtefallrente ging die IV-Stelle seinerzeit
davon aus, dass im Haushalt eine Einschränkung von 42 % bestehe. Da die
Versicherte wegen ihrer vier Kinder auch als Gesunde voll im Haushalt tätig
wäre, entsprach diese Einschränkung dem Invaliditätsgrad. Bei der Revision
stellten Verwaltung und Vorinstanz in erster Linie auf zwei Gutachten von
Frau Dr. med. L.________, Spezialärztin FMH für Neurochirurgie, vom 18.
Februar 2003 und von Dr. med. H.________, Psychiatrie Psychotherapie FMH, vom
25. Februar 2003 ab. Gemäss der Expertise von Frau Dr. L.________ sei die
Beschwerdeführerin in der Tätigkeit im Haushalt zu knapp 40 % eingeschränkt.
Angepasste Arbeiten mit stündlich wechselndem Sitzen und Stehen sowie
Gewichteheben bis höchstens 8 kg seien zu 100 % zumutbar, wobei eine
Leistungeinbusse von 10 % in Kauf zu nehmen sei. Aus psychischer Sicht
bestehe nach Dr. H.________ keine relevante Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit. Interdisziplinär könne daher von einer
Gesamtarbeitsfähigkeit als Hausfrau von 60 % ausgegangen werden. Die
IV-Stelle nahm an, dass die Beschwerdeführerin nunmehr, nachdem ihre Kinder
älter geworden seien, als Gesunde zu 40 % im Haushalt tätig sein und zu 60 %
einer Berufsarbeit nachgehen würde. In Anwendung der gemischten Methode kam
sie damit auf einen Invaliditätsgrad von weniger als 40 %.

2.2 Der Würdigung der Vorinstanz ist beizupflichten. Die beiden Gutachten
H.________ und L.________ erfüllen die rechtsprechungsgemässen Anforderungen
an Expertisen, weshalb auf sie abgestellt werden kann. Die Einschätzung von
Frau L.________ stimmt zudem mit dem Ergebnis der Abklärungen im Haushalt
überein, welche die IV-Stelle im Bericht vom 1. April 2003 festgehalten hat.
Auch dort wird im Haushalt eine Einschränkung von 40 % angenommen. Entgegen
der Behauptung der Versicherten wurde dabei nicht einfach der
Abklärungsbericht von 1997 abgeschrieben (Stellungnahme des
Abklärungsdienstes vom 2. Juni 2003). Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte
dafür, dass die Beschwerdeführerin zu Hause in höherem Ausmass eingeschränkt
wäre. Die im vorliegenden Prozess neu eingereichten medizinischen Berichte
von Dr. med. F.________, Facharzt für Allgemeine Medizin FMH, vom 9. März (2
Berichte) und vom 4. April 2004 (ebenfalls 2 Berichte) sowie der Kurzbericht
von Dr. med. M.________, Facharzt für Innere Medizin, speziell
Lungenkrankheiten, vom 29. April 2004 ändern daran nichts. Einerseits
ergingen diese Berichte nach dem Datum des Einspracheentscheides vom 4.
Dezember 2003, welches rechtsprechungsgemäss (BGE 116 V 248 Erw. 1) die
zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet. Anderseits
enthalten die Berichte von Dr. F.________ keine Angaben zur Arbeitsfähigkeit
und der kurze Bericht von Dr. M.________ überdies auch keine verwertbare
Begründung. Es muss deshalb damit sein Bewenden haben, dass die Versicherte
im Haushalt weiterhin in gleichem Masse eingeschränkt ist wie zur Zeit der
Rentenzusprechung. Der Verlust der Rente ist darauf zurückzuführen, dass sie
nicht mehr als ausschliesslich im Haushalt tätig einzustufen ist, sondern als
zu 60 % berufstätig und zu 40 % als Hausfrau. Diese Annahme ist umso weniger
willkürlich, als sie auf den von der Beschwerdeführerin selbst 1997 gemachten
Angaben beruht. Da die Einschränkung in einer angepassten Erwerbstätigkeit
deutlich kleiner ist als im Haushalt, fällt der Gesamtinvaliditätsgrad unter
40 %, weshalb die Rente zu Recht aufgehoben worden ist.

3.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG). Die unentgeltliche Verbeiständung
kann der unterliegenden Beschwerdeführerin gewährt werden, da die
entsprechenden Voraussetzungen (BGE 125 V 202 Erw. 4a) erfüllt sind. Die
Versicherte wird jedoch auf Art. 152 Abs. 3 OG hingewiesen, wonach sie dem
Gericht Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie dereinst dazu im Stande sein
sollte.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Fürsprecher Beat
Kurt, Roggwil, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 2. Dezember 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: