Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 449/2004
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I 449/04

Urteil vom 10. Februar 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiberin
Schüpfer

B.________, 1951, ex-Jugoslawien, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Peter Kreis, Kornhausstrasse 3, Haus "Walhalla", Am
Bahnhofplatz, 9001 St. Gallen,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 12. Mai 2004)

Sachverhalt:

A.
B. ________, geboren 1951, arbeitete in den Jahren 1989 bis 1995 in der
Schweiz. Danach kehrte sie in ihre jugoslawische Heimat (heute: Serbien und
Montenegro) zurück und war dort auf dem Landwirtschaftsbetrieb ihres
Schwiegervaters tätig. Am 26. Juli 1999 meldete sie sich über die
jugoslawische Verbindungsstelle bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland holte
medizinische Akten, darunter Austrittsberichte über Hospitalisationen im
Spital X.________ in der Zeit vom 10. bis 28. September und vom 27. Oktober
bis 9. November 1992, wo der Versicherten wegen eines Tumors die linke Niere
entfernt werden musste, sowie ein Gutachten, welches am 5. Februar 1999 in
Y.________ erstellt wurde, ein. Danach litt B.________ neben dem Status nach
einer Nierenentfernung links an einer Hyperthyreose bei Morbus Basedow, an
arterieller Hypertonie und an einer chronischen Bronchitis. Da die Verwaltung
zur Überzeugung gelangte, weder die Nierenkrankheit noch die Hyperthyreose
(Schilddrüsenüberfunktion) würden die Versicherte an körperlichen Aktivitäten
hindern, wies sie das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 10. März 2000 ab.
Am 21. Mai 2002 meldete sich B.________ erneut bei der Invalidenversicherung.
Neben den bereits bekannten Gesundheitsschäden machte sie Rückenbeschwerden
geltend. Die IV-Stelle holte wiederum verschiedene medizinische Berichte aus
Jugoslawien ein und legte sie dem bei ihrem medizinischen Dienst tätigen
Arzt, Dr. med. F.________, vor. Dieser erwog, seit der Ablehnungsverfügung
habe sich wenig verändert. Die Versicherte befinde sich nach der
Nierenentfernung von 1992 in einem guten Allgemeinzustand. Mit Verfügung vom
19. Februar 2003 lehnte die IV-Stelle das Leistungsbegehren der Versicherten
wiederum ab. Diese Ablehnung wurde mit Einspracheentscheid vom 3. April 2003
bekräftigt.

B.
Die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 12. Mai
2004).

C.
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben und beantragen, der
Entscheid vom 12. Mai 2004 sei aufzuheben und ihr Rentenbegehren sei zu
schützen. Eventuell sei die Sache zur neuen Prüfung und Entscheidung
zurückzuweisen.
Mit einer weitern Eingabe vom 25. August 2004 legt B.________ deutsche
Übersetzungen von verschiedenen Arztzeugnissen in serbischer Sprache auf.
Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland schliesst - nachdem sie die neu
aufgelegten ärztlichen Zeugnisse wiederum ihrem ärztlichen Dienst
unterbreitet hatte - auf Abweisung. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Beschwerdeführerin verlangt, es sei ihr eine Nachfrist zur Ergänzung
ihrer Eingabe anzusetzen, beziehungsweise ein zweiter Schriftenwechsel
durchzuführen, weil sie ihrem Rechtsvertreter erst kurz vor Ablauf der
Beschwerdefrist ein Mandat erteilt habe. Der Grundsatz des fairen Verfahrens
gebiete diese Massnahme, damit auch auf neuere ärztliche Zeugnisse
eingegangen werden könne.
Die Frist gemäss Art. 106 Abs. 1 OG zur Erhebung einer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nicht erstreckbar. Demnach kann der
Beschwerdeführerin auch keine Nachfrist zur Ergänzung ihrer Eingabe gewährt
werden. Sie macht nicht geltend, sie sei aus unverschuldeten Gründen daran
gehindert worden, rechtzeitig zu handeln. Ein zweiter Schriftenwechsel findet
nur ausnahmsweise statt (Art. 110 Abs. 4 OG) und wird einzig angeordnet, wenn
er sich durch Stellungnahmen von Verfahrensbeteiligten aufdrängt. Er dient
nicht dazu, die Frist von Art. 106 OG zu verlängern, weshalb das
entsprechende Gesuch der Beschwerdeführerin abgewiesen wird.

2.
Im angefochtenen Entscheid werden die nach den Regeln des intertemporalen
Rechts sowie des zeitlich massgebenden Sachverhalts hier anwendbaren (BGE 129
V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1 und 356 Erw. 1, je mit Hinweisen) Bestimmungen über
die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG,
BGE 121 V 275 Erw. 6c), die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der
allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art 16 ATSG; vgl. auch BGE 128
V 30 Erw. 1), die Neuanmeldung (Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV) und die dafür
anwendbaren Grundsätze der Rentenrevision (Art. 17 ATSG bzw. Art. 41 IVG, BGE
117 V 198 Erw. 3a) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für den Beginn eines
Rentenanspruches (Art. 29 Abs. 1 IVG). Darauf wird verwiesen. Beizupflichten
ist der Vorinstanz ferner darin, dass Renten, die einem Invaliditätsgrad von
weniger als 50 % entsprechen, gemäss Art. 28 Abs. 1ter IVG sowie Art. 8 lit.
b und e des zur Beurteilung von invalidenversicherungsrechtlichen Ansprüchen
Angehöriger der ehemaligen Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (mit
Ausnahme von Kroatien und Slowenien) weiterhin anwendbaren (BGE 126 V 203
Erw. 2b, 119 V 101 Erw. 3) Abkommens zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über
Sozialversicherung vom 8. Juni 1962 (in der Fassung des Zusatzabkommens vom
9. Juli 1982, gültig seit 1. Januar 1984) nur an Versicherte mit Wohnsitz in
der Schweiz ausgerichtet werden, wobei diese Normen nicht eine blosse
Auszahlungsvorschrift, sondern eine Anspruchsvoraussetzung beinhalten (BGE
121 V 264) und dass der Anspruch allein nach schweizerischem Recht bestimmt
wird (ZAK 1989 S. 320 Erw. 2).

3.
Gemäss den eben dargelegten Grundsätzen (Art. 87 Abs. 3 und IVV in Verbindung
mit Art. 41 IVG) ist zu prüfen, ob sich die gesundheitlichen Verhältnisse der
Beschwerdeführerin seit Erlass der ersten Ablehnungsverfügung vom 10. März
2000 bis zum Entscheid über die Einsprache am 3. April 2003 dermassen
verschlechtert haben, dass nunmehr ein Invaliditätsgrad von mindestens 50 %
resultiert.

3.1 Die Beschwerdeführerin bringt insbesondere vor, sie sei zu 100 %
arbeitsunfähig, könne keine körperliche Arbeit mehr ausüben und sei im
Haushalt auf Hilfe Dritter angewiesen. Sie verweist auf die Stellungnahmen
ihrer behandelnden Ärzte, auf das Attest einer 80%igen Erwerbsunfähigkeit von
Seiten des serbisch- und montenegrinischen Versicherungsträgers sowie auf den
Umstand, dass sie immer nur einer körperlichen Tätigkeit nachgegangen sei und
nichts anderes gelernt habe. Die IV-Stelle geht davon aus, seit der ersten
Ablehnungsverfügung hätten sich die Verhältnisse nicht wesentlich verändert.

3.2 Die Verneinung eines Rentenanspruchs in der Verfügung vom 10. März 2000
beruhte auf einem medizinischen Gutachten von Dr. K.________,
Gesundheitszentrum Y.________, vom 5. Februar 1999. Es wurden die Diagnosen
eines Status nach lateraler Nephrektomie links, einer Hyperthyreose bei
Morbus Basedow, einer arteriellen Hypertonie und einer einfachen chronischen
Bronchitis gestellt. Die Gutachter kamen zum Schluss, es bestehe eine
verminderte Arbeitsfähigkeit und eine "Invalidität ersten Grades", die
Patientin sei jedoch zu physischer Arbeit fähig. Die IV-Stelle erachtete
aufgrund der gestellten Diagnosen die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführer
in ihrer Tätigkeit als landwirtschaftliche Hilfsarbeiterin als nicht
eingeschränkt, womit ein Rentenanspruch verneint wurde.

3.3
3.3.1Auch vor Erlass der zweiten Ablehnungsverfügung vom 19. Februar 2003
legte die IV-Stelle die medizinischen Akten Dr. med. F.________ vor. In
dessen Stellungnahme vom 7. November 2002 werden als Diagnosen der Morbus
Basedow und der Status nach Nephrektomie links angeführt. Der gute
Gesundheitszustand nach der Nierenentfernung im Jahre 1992 habe sich kaum
verändert. Trotz Intervention der Beschwerdeführerin, welche die Verwaltung
auf weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen aufmerksam machte, lehnte die
IV-Stelle ihre Leistungspflicht ab.

3.3.2 Im Arztbericht des Dr. V.________ vom 5. März 2002 attestiert dieser
der Beschwerdeführerin nun eine vollständige Arbeitsunfähigkeit und
präzisiert, nach schweizerischen Vorstellungen entspreche dies einer 80%igen
Arbeitsunfähigkeit. Einem Arztbericht vom 24. Juli 2000 lassen sich neben den
bekannten Diagnosen auch diejenigen einer chronischen Pyelonepritis
(Infektion der obern Harnwege mit Entzündung des Niereninterstitiums und
Nierenbeckenkelchsystems), einer Microcalculosis, einer arteriellen
Hypertonie, einer essentiellen Arrhythmie, einer chronischen Cholecystitis
(Gallenblasenentzündung) und Gastritis (Entzündung der Magenschleimhaut)
sowie einer chronischen Bronchitis entnehmen. Auf Nachfrage der IV-Stelle
machte die Versicherte am 8. August 2002 zudem auf einen aktuellen
Röntgenbefund aufmerksam, wonach sie an einer Skoliose und einer
thoracolumbalen Spondylosis sowie an einer multilokalen Discopathie thoracal
und lumbal (L1-L2) leide. Obwohl die Beschwerdeführerin die IV-Stelle im
Anhörungsverfahren mehrfach auf diese Diagnosen aufmerksam machte, ging diese
darauf weder in ihrer Verfügung noch in dem diese bestätigenden
Einspracheentscheid ein.

3.4 Aufgrund der neu aufgeführten Diagnosen und der nunmehr attestierten
Arbeitsunfähigkeit erscheint eine wesentliche Verschlechterung des
Gesundheitszustandes glaubhaft. Auf jeden Fall bieten die sehr kurz
gehaltenen Ausführungen des Dr. med. F.________ - welcher offenbar weiterhin
einzig die früher in der Schweiz diagnostizierten Leiden (Nierenentfernung
und Morbus Bechterew) als relevant erachtet - keine genügende Grundlage für
die erneute Ablehnungsverfügung.

4.
Die Beschwerdeführerin legt im letztinstanzlichen Verfahren neue
Arztzeugnisse auf, die nach Erlass des Einspracheentscheides verfasst worden
sind. Da einzig der Sachverhalt zu beurteilen ist, wie er sich bis zu jenem
Zeitpunkt entwickelt hatte (vgl. BGE 121 V 366 Erw. 1b), können diese nicht
als Beleg für den seinerzeitigen Gesundheitszustand herangezogen werden. Da
die Versicherte bereits im Jahre 2002 Rückenbeschwerden geltend machte,
bilden sie hingegen ein Indiz für weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Dr. med. L.________ vom medizinischen Dienst der IV-Stelle hält in seiner der
Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde beigefügten Stellungnahme
vom 28. September 2004 fest, dem Attest von Dr. J.________ vom 8. September
2003 fehle es an genauen Befunden mit Funktionsausfällen und an objektiven
Daten. Das ist jedoch kein Grund, geltend gemachte gesundheitliche
Beeinträchtigungen zu ignorieren. Der IV-Stelle obliegt auch bei im Ausland
wohnenden Versicherten eine Abklärungspflicht. Dieser ist weder die
Verwaltung noch die Vorinstanz in genügendem Masse nachgekommen. Die
Beschwerdeführerin hat eine Verschlechterung hinreichend glaubhaft gemacht.
Die IV-Stelle hat demnach den Sachverhalt in medizinischer Hinsicht gründlich
abzuklären und in der Folge neu darüber zu befinden, ob die Versicherte
mindestens zu 50 % erwerbsunfähig sei. Falls sie den aus Serbien und
Montenegro stammenden ärztlichen Zeugnissen hinsichtlich der Diagnosen und
der attestierten Arbeitsunfähigkeit nicht folgen will, hat sie dies
nachvollziehbar zu begründen. Um weiteren Missverständnissen vorzubeugen,
erscheint es empfehlenswert, die entsprechenden umfassenden ärztlichen
Untersuchungen in der Schweiz durchführen zu lassen. Der vorinstanzliche
Entscheid sowie der Einspracheentscheid sind demgemäss aufzuheben und die
Sache ist an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie die erforderlichen
Abklärungen trifft.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der
Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland
wohnenden Personen vom 12. Mai 2004 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle
für Versicherte im Ausland vom 3. April 2003 aufgehoben und die Sache wird an
die IV-Stelle für Versicherte im Ausland zurückgewiesen, damit sie, nach
erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch der
Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente neu verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland hat der Beschwerdeführerin für das
letztinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der Schweizerischen
Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 10. Februar 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: