Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 419/2004
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I 419/04

Urteil vom 11. Januar 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Hadorn

H.________, 1965, Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin

AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden

(Entscheid vom 11. Juni 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 2. Oktober 2000 sprach die IV-Stelle des Kantons Thurgau
H.________ (geb. 1965) für die Zeitspanne vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember
2005 Amortisationsbeiträge von Fr. 3750.- im Jahr an ihr Fahrzeug zu. Da
H.________ inzwischen zu 100 % arbeitsunfähig geworden war, hob die IV-Stelle
die Kostengutsprache für Amortisationsbeiträge mit Verfügung vom 17. Juni
2003 auf. Diese Verfügung bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 28.
Januar 2004.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau mit Entscheid vom 11. Juni 2004 ab.

C.
H.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es seien ihr
weiterhin Amortisationsbeiträge an ihr Fahrzeug auszurichten.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die kantonale Rekurskommission hat die gesetzlichen Bestimmungen über die
Abgabe von Hilfsmitteln in der Invalidenversicherung (Art. 8 Abs. 1 und Abs.
3 lit. d IVG; Art. 21 und 21bis Abs. 1 IVG; Art. 14 IVV, Art. 27 IVV; Art. 2
Abs. 1 und 2 HVI), namentlich auf Abgabe eines Automobils (Ziff. 10.04* HVI
Anhang) und auf Amortisationsbeiträge (Ziff. 10.01.1* bis 10.04.2* KHMI)
sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 122 V 212 Erw. 4b/bb) richtig
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch der Versicherten auf
Amortisationsbeiträge für ihr Fahrzeug.

2.1 Die Beschwerdeführerin ist gemäss den ärztlichen Unterlagen (vgl. das
Urteil vom heutigen Tag im Parallelprozess I 418/04 betreffend die IV-Rente)
seit dem 9. Juli 2001 zu 100 % arbeitsunfähig und erzielt kein
Erwerbseinkommen mehr. Dies bestreitet sie selber nicht. Daher könnten
Amortisationsbeiträge nur noch ausgerichtet werden, wenn auf Grund der
Betätigung im Aufgabenbereich ein solcher Anspruch bestände. Die Vorinstanz
hat diesen Punkt einlässlich geprüft und verneint. Sie erwog dabei, dass die
Beschwerdeführerin dank des Automobils einzig grössere Einkäufe selbst
erledigen könnte. Dies ergäbe eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit von 10 %.
Für sich allein genüge dies rechtsprechungsgemäss nicht, zumal die
Schadenminderungspflicht gebiete, Familienangehörige zur Erledigung solcher
Aufgaben beizuziehen. Da die Versicherte nur wenige Gehminuten vom Bahnhof
X.________ entfernt wohne, seien ihr beim Besuch der verschiedenen Therapien
in A.________ und K.________ die öffentlichen Verkehrsmittel zuzumuten.

2.2 Hiegegen bringt die Beschwerdeführerin vor, sie sei nicht nur im Haushalt
tätig, sondern gehe daneben verschiedenen ehrenamtlichen Aufgaben nach. Ohne
Automobil könne sie diese nicht mehr ausüben. Ausserdem besuche sie mehrere
Therapien sowie einen Computerkurs. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln
würde sich die Reisezeit um insgesamt sechs Stunden verlängern, und
zusätzlich müsste sie dreimal so viel Erholungszeit einplanen.

2.3 In BGE 122 V 212 erwog das Eidgenössische Versicherungsgericht, dass die
Tätigkeit im Aufgabenbereich unter dem Gesichtspunkt der
Eingliederungswirksamkeit von existentieller Bedeutung sein muss, damit
Amortisationsbeiträge zugesprochen werden können. Führt ein Hilfsmittel
lediglich zu einer Steigerung der Arbeitsfähigkeit von 10 % in einem Teil des
gesamten Haushaltsbereiches, trägt es nicht zur Ermöglichung oder Erhaltung
einer beachtlichen Haushaltsführung bei (ebenso Urteil F. vom 3. Dezember
2003, I 827/02). Im Lichte dieser Rechtsprechung ist die Ablehnung von
Amortisationsbeiträgen im vorliegenden Fall insoweit richtig, als die
Beschwerdeführerin dank des Automobils im Haushalt einzig die auswärtigen
Einkäufe leichter erledigen könnte. Dies ergäbe eine Steigerung der
Arbeitsfähigkeit von 10 %, was praxisgemäss nicht ausreicht.

2.4 Es bleibt zu prüfen, ob sich wegen der ehrenamtlichen Tätigkeiten in
Verbindung mit der Haushaltsarbeit Anspruch auf Amortisationsbeiträge ergibt.
Wie die Vorinstanz unter Hinweis auf BGE 122 V 227 Erw. 4b/bb richtig
festgehalten hat, ist für die Zusprechung solcher Beiträge im Aufgabenbereich
erforderlich, dass die dort verrichtete Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt der
Eingliederungswirksamkeit von existentieller Bedeutung ist. Dabei ist auf die
Zeitspanne bis zum Datum des Einspracheentscheides (28. Januar 2004)
abzustellen, welches rechtsprechungsgemäss die zeitliche Grenze der
richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 116 V 248 Erw. 1).

2.4.1 Die Versicherte erwähnt in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde folgende
Aktivitäten, für welche sie das Auto benötige: sie führe die Kasse bei der
F.________ und habe zeitweise gratis für die Y.________ gearbeitet, bis diese
in die Pädagogische Schule Z.________ eingegliedert worden sei. Hinzu kämen
kleinere Aufgabenbereiche wie die Kasse der Arbeitnehmerbewegung O.________,
die Protokollführung bei der Frauengemeinschaft R.________, die Unterstützung
ihres Ehemannes bei der Führung des Behindertensportverbandes P.________
sowie bis Juli 2002 die Betreuungsarbeit im Aufgabenhort der J.________.
Ferner besuche sie verschiedene Therapien. Gewisse Aktivitäten wechselten
sich ab. So habe sie zur Zeit den Aufgabenhort, die Ergotherapie und die
Psychotherapie eingestellt, besuche dafür eine Myoreflextherapie in der
Klinik L.________ und werde demnächst einen weiteren PC-Weiterbildungskurs in
E.________ beginnen.

2.4.2 Für den Besuch der verschiedenen Therapien können der
Beschwerdeführerin keine Amortisationsbeiträge gesprochen werden. Bei den
Arztbesuchen handelt es sich um einen unter Art. 21 Abs. 2 IVG fallenden
Eingliederungszweck, wofür die Invalidenversicherung im Rahmen von Ziff. 10
HVI Anhang (mit Ausnahme der hier nicht zur Diskussion stehenden
invaliditätsbedingten Abänderungen von Motorfahrzeugen gemäss Ziff. 10.05)
keine Leistungen zu erbringen hat (BGE 122 V 218 Erw. 4c/cc). Hinsichtlich
der ehrenamtlichen Tätigkeiten ist festzuhalten, dass die Versicherte
einerseits selbst angibt, die Arbeit bei der Y.________ und den Aufgabenhort
bei der J.________ eingestellt zu haben. Somit verbleiben aus der oben
aufgeführten Liste ehrenamtlicher Tätigkeiten die Kassenführung bei der
F.________ sowie die von der Versicherten selbst als kleinere Aufgaben
bezeichnete Kasse der Arbeitnehmerbewegung O.________, die Frauengemeinschaft
R.________ und die Unterstützung ihres Ehemannes im Behindertensport. In den
Akten fehlen jegliche Hinweise über den bei diesen Tätigkeiten anfallenden
Arbeitsumfang und insbesondere den damit zusammenhängenden Reisebedarf. Es
erübrigt sich indessen, hierüber nähere Abklärungen zu treffen. Einerseits
befinden sich die "Arbeitsorte" mehrerer dieser Tätigkeiten in M.________,
somit am Wohnort der Versicherten. Anderseits lässt sich angesichts der
Tatsache, dass die Beschwerdeführerin zu 100 % arbeitsunfähig ist und nach
eigenen Angaben sehr viel Erholungszeit braucht, ausschliessen, dass den
verbliebenen ehrenamtlichen Tätigkeiten eine existentielle Bedeutung zukommt.
Demnach besteht kein Anspruch mehr auf Amortisationsbeiträge.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 11. Januar 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: