Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 402/2004
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I 402/04

Urteil vom 7. Dezember 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiberin Hofer

J.________, 1961, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Herbert
Bracher, Hauptgasse 35, 4500 Solothurn,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 26. Mai 2004)

Sachverhalt:

A.
Die 1961 geborene J.________, Mutter von drei Kindern, war im Gastgewerbe und
später als Raumpflegerin teilzeitlich erwerbstätig. Am 26. Juni 2000 meldete
sie sich unter Hinweis auf in den Jahren 1987, 1993 und 1994 erlittene
Verkehrsunfälle und Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau nahm medizinische und
erwerbliche Abklärungen vor. Mit Verfügung vom 8. Februar 2002 sprach sie
J.________ mit Wirkung ab 1. Februar 2001 eine halbe Invalidenrente zu, wobei
sie von einer Aufteilung der Bereiche Erwerbstätigkeit von 43% und Haushalt
von 57%, einer Einbusse im Erwerbsbereich von 100% sowie einer Einschränkung
in den häuslichen Verrichtungen von 40%, somit von einer gewichteten
Gesamtinvalidität von 66% (0.43 x 100% + 0.57 x 40%) ausging. Hiegegen erhob
die Versicherte beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde mit
dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente. Das kantonale Gericht
kam zum Schluss, dass die von der Verwaltung vorgenommene Gewichtung der
erwerblichen und der häuslichen Tätigkeit sowie die Abklärungen an Ort und
Stelle über die Einschränkung im Bereich Haushalt nicht zu beanstanden seien.
Hingegen erlaubten die medizinischen Unterlagen keine abschliessende
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit im erwerblichen Bereich. Es hiess daher die
Beschwerde mit Entscheid vom 9. Juli 2002 teilweise gut, hob die Verfügung
vom 8. Februar 2002 auf und wies die Sache zur ergänzenden Abklärung im Sinne
der Erwägungen und zur Neuverfügung an die IV-Stelle zurück. Das
Eidgenössische Versicherungsgericht bestätigte diesen Entscheid mit Urteil
vom 20. Februar 2003.
In der Folge holte die IV-Stelle bei der Neurochirurgischen Klinik des
Spitals A.________ einen Arztbericht ein, der am 22. Mai 2003 von Dr. med.
K.________ erstellt wurde. Gestützt darauf ging sie für den Bereich
Erwerbstätigkeit bei einer leidensangepassten Beschäftigung von einer
uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit aus. Mit Verfügung vom 30. Juli 2003
ermittelte sie aufgrund der gemischten Methode einen Invaliditätsgrad von
22.8% (0.43 x 0% + 0.57 x 40%). Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom
24. Oktober 2003 fest mit dem Hinweis, dass die Rentenaufhebung nach
Zustellung der Verfügung auf Ende des folgenden Monats erfolge.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 26. Mai 2004 ab, nachdem es vorgängig der
Versicherten die gesamten Vernehmlassungsakten zur Kenntnis- und allfälligen
Stellungnahme zugestellt hatte.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J.________ beantragen, in Aufhebung
des vorinstanzlichen Entscheids sei die Sache zur ergänzenden medizinischen
Abklärung und neuem Entscheid an die Verwaltung zurückzuweisen.

Die IV-Stelle verzichtet unter Verweis auf den kantonalen Gerichtsentscheid
auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht
vernehmen lassen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin bis längstens zum Erlass des
Einspracheentscheides vom 24. Oktober 2003, welcher rechtsprechungsgemäss die
zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 129 V 4
Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen), Rentenleistungen zugute
hat. Die Rentenfrage beurteilt sich, stehen doch keine laufenden Leistungen
im Sinne der übergangsrechtlichen Ausnahmebestimmung des Art. 82 Abs. 1 ATSG,
sondern Dauerleistungen im Streit, über welche noch nicht rechtskräftig
verfügt worden ist, - den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln folgend
- für die Zeit bis 31. Dezember 2002 auf Grund der bisherigen Rechtslage und
ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft
getretenen ATSG und dessen Ausführungsverordnungen (BGE 130 V 445). Keine
Anwendung finden dagegen die per 1. Januar 2004 in Kraft getretenen
Änderungen des IVG vom 21. März 2003 und der IVV vom 21. Mai 2003 (4.
IV-Revision) sowie die damit einhergehenden Anpassungen des ATSG.

1.2 Die Vorinstanz hat die für die Beurteilung erheblichen Bestimmungen und
Grundsätze zutreffend dargelegt. Es betrifft dies die Voraussetzungen und den
Umfang des Anspruchs auf eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 Abs. 1
[in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung] und 1bis IVG [in
Kraft gestanden bis 31. Dezember 2003] sowie die Invaliditätsbemessung bei
erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs (bis 31. Dezember 2002: Art. 28 Abs. 2 IVG; ab 1. Januar
2003: Art. 1 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG), bei im Haushalt
beschäftigten Versicherten nach der spezifischen Methode des
Betätigungsvergleichs (bis 31. Dezember 2002: Art. 28 Abs. 3 IVG in
Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 und 2 IVV [in der vom 1. Januar 2001 bis 31.
Dezember 2002 in Kraft gestandenen Fassung]; ab 1. Januar 2003: Art. 28 Abs.
3 IVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 und 2 IVV sowie Art. 8 Abs. 3 ATSG [je
in der vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung]) und bei
teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode unter gewichteter
Berücksichtigung beider Teilbereiche (bis 31. Dezember 2002: Art. 28 Abs. 3
IVG in Verbindung mit Art. 27bis Abs. 1 und 2 IVV [in den vom 1. Januar 2001
bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassungen]; ab 1. Januar 2003: Art. 28 Abs. 3
IVG in Verbindung mit Art. 27bis Abs. 1 und 2 IVV sowie Art. 8 Abs. 3 und
Art. 16 ATSG [je in den vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 in Kraft
gestandenen Fassungen]). Richtig sind auch die Erwägungen zur Aufgabe des
Arztes oder der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung (vgl. auch BGE 125 V 261
Erw. 4 mit Hinweisen und AHI 2002 S. 70 Erw. 4b/cc) sowie zur richterlichen
Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 122 V 160 Erw. 1c;
vgl. auch BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis). Darauf wird verwiesen.

1.3 Bei den in Art. 3-13 ATSG enthaltenen Legaldefinitionen handelt es sich
in aller Regel um eine formellgesetzliche Fassung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu den entsprechenden Begriffen vor In-Kraft-Treten des ATSG.
Inhaltlich ergibt sich damit, namentlich in Bezug auf die Bestimmungen zur
Arbeitsunfähigkeit (Art. 6), Erwerbsunfähigkeit (Art. 7) und Invalidität
(Art. 8), keine Änderung. Die dazu entwickelte Rechtsprechung kann folglich
übernommen und weitergeführt werden (BGE 130 V 343). Auch die Normierung des
Art. 16 ATSG bewirkt, wie in Erw. 3.4 des erwähnten Urteils dargelegt wird,
keine Modifizierung der bisherigen Judikatur zur Invaliditätsbemessung bei
erwerbstätigen Versicherten, welche weiterhin nach der allgemeinen Methode
des Einkommensvergleichs vorzunehmen ist (zu altArt. 28 Abs. 2 IVG: BGE 128 V
30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2a und b). Ebenfalls nicht von einer Änderung
betroffen sind die für die Festsetzung der Invalidität von
Nichterwerbstätigen im Sinne von neuArt. 5 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art.
8 Abs. 3 ATSG, insbesondere im Haushalt beschäftigten Versicherten,
anzuwendende spezifische Methode des Betätigungsvergleichs (zu altArt. 28
Abs. 3 IVG in Verbindung mit altArt. 27 Abs. 1 und 2 IVV: BGE 125 V 149 Erw.
2a, 104 V 136 Erw. 2a; AHI 1997 S. 291 Erw. 4a; vgl. auch BGE 128 V 31 Erw.
1; Urteil M. vom 6. September 2004, I 249/04, Erw. 4) sowie die im Falle von
teilerwerbstätigen Versicherten beizuziehende gemischte Methode (zu altArt.
28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit altArt. 27bis Abs. 1 und 2 IVV: vgl.
namentlich BGE 125 V 146; BGE 130 V 393).

2.
Nicht mehr streitig ist, dass die Beschwerdeführerin ohne gesundheitliche
Beeinträchtigung zu 43% erwerbstätig und zu 57% im Haushalt beschäftigt wäre,
sodass die Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode zu erfolgen hat.
Ebenfalls nicht mehr zu überprüfen ist die gesundheitsbedingte Einschränkung
im Haushaltbereich, welche auf 40% festzusetzen ist. Uneinigkeit herrscht
demgegenüber bezüglich der gesundheitlichen Einschränkung im Erwerbsbereich,
welche im Folgenden zu prüfen ist.

3.
3.1 Hinsichtlich des erwerblichen Leistungsvermögens ist mit der Vorinstanz,
insbesondere gestützt auf den Bericht von Dr. med. K.________ vom 22. Mai
2003, davon auszugehen, dass der Versicherten, bedingt durch ihre
Rückenbeschwerden, körperlich schwere Arbeiten nicht mehr zumutbar sind, sie
in Bezug auf leichte, rückenadaptierte Tätigkeiten indes während vier bis
sechs Stunden pro Tag arbeitsfähig ist. Die Ärztin der Neurochirurgischen
Klinik des Spitals A.________ diagnostizierte ein chronisches
lumbospondylogenes Schmerzsyndrom, eine flache Diskusprotrusion L4/5 und eine
mediane Diskushernie L5/S1. Die Versicherte sollte deshalb keine Gegenstände
von mehr als 5 kg heben, die Lendenwirbelsäule nicht besonders belasten und
vorwiegend sitzende oder stehende Tätigkeiten ausüben, ohne dabei viel
umherzugehen. Der entsprechenden Stellungnahme kommt, wie die Vorinstanz
einlässlich erwogen hat, voller Beweiswert im Sinne der Rechtsprechung zu
(vgl. BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis). Es erscheint insbesondere nicht
widersprüchlich, dass die Versicherte zwar nicht mehr als Raumpflegerin
arbeiten, jedoch jeder anderen, leichteren vorwiegend sitzenden oder
stehenden Tätigkeit nachgehen kann. Weiter ist der Vorinstanz darin
beizupflichten, dass die Empfehlung der Ärztin, weitere diagnostische
Massnahmen vorzunehmen, um eine allfällige Progredienz der Hernierung zu
beurteilen und Therapievorschläge zu unterbreiten, nicht bedeutet, dass sie
aufgrund der bisher getätigten Untersuchungen nicht in der Lage gewesen wäre,
die Restarbeitsfähigkeit zu beurteilen. Von ergänzenden Abklärungen bei Dr.
med. R.________ sah das kantonale Gericht ab, nicht zuletzt dem Umstand
Rechnung tragend, dass Hausärzte im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche
Vertrauensstellung in Zweifelsfällen erfahrungsgemäss mitunter zu Gunsten
ihrer Patienten aussagen.

3.2 Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, vermag zu
keinem anderen Ergebnis zu führen. Insoweit die Beschwerdeführerin den
Umstand bemängelt, dass der Bericht der Neurochirurgischen Klinik des Spitals
A.________ von der Assistenzärztin verfasst und unterzeichnet wurde, ist
festzuhalten, dass es üblich und allgemein zugelassen ist, dass der Chef-
oder leitende (Ober-)Arzt einer Klinik für Kontrolluntersuchungen sowie zur
Erstellung von medizinischen Berichten Mitarbeitende beizieht. Man kann von
einem solchen Arzt nicht verlangen, dass er persönlich alle Untersuchungen
vornimmt. Der Beweiswert eines Arztberichtes ist nicht vermindert, wenn er
unter Beizug ausgewiesener Mitarbeiter erstattet wird (Urteil M. vom 24. Juli
2002, U 87/01). Im Jahre 2000 war die Beschwerdeführerin wegen der
Rückenbeschwerden im Spital A.________ umfassend untersucht worden (vgl. die
Berichte vom 1. und vom 25. Februar 2000). Auf die entsprechenden Unterlagen
konnte die Ärztin zurückgreifen. Obwohl sie den Gesundheitszustand als sich
verschlimmernd bezeichnete, sah sie keinen Anlass für eine einschränkendere
Beurteilung der Restarbeitsfähigkeit. Die Beschwerdeführerin bringt keine
Gründe vor, welche Zweifel an der Begründetheit der Einschätzung von Dr. med.
K.________ aufkommen lassen könnten. Dass die Versicherte neuerdings bei Dr.
med. U.________, Spezialarzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation, in
Behandlung steht und zudem für eine stationäre Therapie in der Klinik
S.________ weilte, deutet für sich allein nicht auf eine zusätzliche
Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hin. Von ergänzenden Beweiserhebungen
in medizinischer Hinsicht, wie sie die Beschwerdeführerin beantragt, sind -
zumindest was die für die Beurteilung massgebende Zeit bis zum Erlass des
Einspracheentscheids vom 24. Oktober 2003 betrifft - keine neuen Erkenntnisse
zu erwarten, weshalb das kantonale Gericht darauf verzichten konnte, ohne
dadurch den Untersuchungsgrundsatz zu verletzen. Aus demselben Grund sind
auch vom Eidgenössischen Versicherungsgericht keine ergänzenden Abklärungen
zu veranlassen (antizipierte Beweiswürdigung; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw.
4b mit Hinweisen auf BGE 124 V 94 Erw. 4b und 122 V 162 Erw. 1d). Soweit in
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt wird, in den zur Verfügung
gestellten Akten fehlten Berichte von Dr. med. E.________, Dr. med.
N.________ und Dr. med. O.________, ist dies insofern nicht zutreffend, als
die Vorinstanz dem Rechtsvertreter der Versicherten die Vernehmlassungsakten
der IV-Stelle zugestellt hat, zu denen auch die beigezogenen Unfallakten
gehörten, bei welchen unter anderem der Bericht von Dr. med. E.________ vom
2. November 1994 und die Stellungnahmen von Dr. med. N.________ vom 13.
September 1995, 15. Juni 1995, 5. und 22. Dezember 1994 lagen.

4.
Der im vorinstanzlichen Entscheid durchgeführte Einkommensvergleich, welcher
für den erwerblichen Bereich einen Invaliditätsgrad von 0% ergab, wird
seitens der Beschwerdeführerin nicht beanstandet und gibt nach Lage der Akten
zu keinen Bemerkungen Anlass. In Anbetracht einer ebenfalls nicht betrittenen
Einschränkung im Haushalt von 40% resultiert eine gewichtete,
rentenausschliessende Invalidität von insgesamt 23 % (zur Rundung: BGE 130 V
121).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Ausgleichskasse des Schweizerischen
Baumeisterverbandes, Zürich, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und
dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 7. Dezember 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: