Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 392/2004
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I 392/04

Urteil vom 22. September 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Scartazzini

S.________, 1948, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Eric
Schuler, Frankenstrasse 3, 6003 Luzern,

gegen

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 26. Mai 2004)

Sachverhalt:

A.
Der 1948 geborene, als Schreiner tätige S.________ erlitt im Alter von 19
Jahren eine Ellbogenfraktur links, die mittels Versteifung des Gelenks in
Streckstellung versorgt wurde. Vom 1. März 1987 bis 31. August 1988 richtete
ihm die IV-Kommission Luzern eine befristete ganze Rente aus (Verfügung vom
19. Dezember 1989). Mit Verfügung vom 10. Dezember 1991 wurde dem
Versicherten ab 1. Mai 1989 eine ganze und ab 1. November 1990 eine halbe
Rente zugesprochen. Diese Versicherungsleistung wurde auf Ende Oktober 1993
aufgehoben (Verfügung vom 24. September 1993). Nachdem im Oktober 1996 der
IV-Stelle Luzern eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes gemeldet
wurde, verneinte die Verwaltung mit Verfügung vom 19. Januar 2001 einen
Rentenanspruch bei einem Invaliditätsgrad von 13 %. Die dagegen erhobene
Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom
30. August 2001 insoweit gut, als die Sache zur ergänzenden Abklärung an die
IV-Stelle zurückgewiesen wurde. Nach Einholung weiterer medizinischer und
erwerblicher Unterlagen, insbesondere eines Gutachtens von Dr. med.

W. ________, Facharzt FMH für Chirurgie, vom 18. Januar 2002 sowie einer
Stellungnahme der Beruflichen Abklärungsstelle (BEFAS) zu diesem Gutachten
vom 3. Mai 2002, lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 3. März 2003 das
Rentengesuch gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 23 % wiederum ab und
bestätigte ihren Standpunkt mit Einspracheentscheid vom 25. Juli 2003.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, womit die Aufhebung des angefochtenen
Einspracheentscheides und die Zusprechung einer ganzen Rente ab 1998 sowie
die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Einspracheverfahren
beantragt wurden, hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern nach
bewilligter unentgeltlicher Verbeiständung mit Entscheid vom 26. Mai 2004
insoweit teilweise gut, als dem Versicherten die unentgeltliche
Verbeiständung im Einspracheverfahren gewährt wurde. Der Anspruch auf eine
Invalidenrente wurde nach neuer Ermittlung des hypothetischen Validen- (Fr.
61'692.-) und Invalideneinkommens (Fr. 41'730.-) bei einem Invaliditätsgrad
von 32,35 % hingegen abgelehnt.

C.
S. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und unter Kosten- und
Entschädigungsfolge beantragen, in teilweiser Aufhebung des kantonalen
Entscheides und vollumfänglicher Aufhebung des ablehnenden
Einspracheentscheides vom 25. Juli 2003 sei ihm mit Wirkung ab 1998 eine
ganze Rente zuzusprechen. Eventuell sei die Angelegenheit zur Einholung eines
medizinischen Gutachtens und zum anschliessenden Neuentscheid an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem wird um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung ersucht.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zum
Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; Art. 7 und 8 ATSG; BGE 116 V 249
Erw. 1b), zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28
Abs. 1 [in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung] und 1bis IVG
[in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2003]) und zur Bemessung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG; zu Art. 28 Abs. 2 IVG [in Kraft
gestanden bis 31. Dezember 2002] vgl. BGE 104 V 136 f. Erw. 2a und b; AHI
2000 S. 309 Erw. 1a in fine mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 V 30 Erw. 1 mit
Hinweisen), namentlich zur Verwendung von Tabellenlöhnen bei der Ermittlung
des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch realisierbaren
Einkommens (Invalideneinkommen; BGE 126 V 76 f. Erw. 3b mit Hinweis; AHI 2002
S. 67 Erw. 3b) und zum in diesem Zusammenhang gegebenenfalls vorzunehmenden
behinderungsbedingten Abzug (AHI 1999 S. 181 Erw. 3b; siehe auch BGE 126 V 78
ff. Erw. 5; AHI 2002 S. 67 ff. Erw. 4) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt
für die Rechtsprechung zur Aufgabe des Arztes und der Ärztin bei der
Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 f. Erw. 4 mit Hinweisen) und zum
Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit
Hinweis; AHI 2000 S. 152 Erw. 2c). Darauf wird verwiesen.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer bis längstens zum Erlass
des Einspracheentscheides vom 25. Juli 2003, welcher rechtsprechungsgemäss
die zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 121 V
366 Erw. 1b mit Hinweis; vgl. auch BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw.
1, je mit Hinweisen), Anspruch auf Versicherungsleistungen hat. Diese Frage
beurteilt sich, stehen doch keine laufenden Leistungen im Sinne der
übergangsrechtlichen Ausnahmebestimmung des Art. 82 Abs. 1 ATSG, sondern
Dauerleistungen im Streit, über welche noch nicht rechtskräftig verfügt
worden ist, - den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln folgend - für
die Zeit bis 31. Dezember 2002 auf Grund der bisherigen Rechtslage und ab
diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft
getretenen ATSG und dessen Ausführungsverordnungen (noch nicht in der
Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil M. vom 5. Juli 2004, I 690/03,
Erw. 1 mit Hinweis auf das ebenfalls noch nicht in der Amtlichen Sammlung
publizierte Urteil L. vom 4. Juni 2004, H 6/04). Keine Anwendung finden
demgegenüber die per 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des
Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der
Verordnung über die Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 (4. IV-Revision)
sowie die damit einhergehenden Anpassungen des ATSG.

2.
2.1 Die Vorinstanz stützte ihren Entscheid hauptsächlich auf einen
Abklärungsbericht der BEFAS vom 30. Juni 2000, die medizinischen Gutachten
von Dr. med. T.________ und Dr. med. W.________ vom 15. bzw. 18. Januar 2002
sowie auf die Stellungnahme der BEFAS zum genannten Gutachten von Dr. med.

W. ________ vom 3. Mai 2002. Dabei erwog sie, nach der Beurteilung dieses
Gutachters könne der Beschwerdeführer unter Vermeidung bestimmter Bewegungen
eine Arbeit ganztägig ohne zeitliche Einschränkung erledigen. Mit dieser
Bewegungseinschränkung und unter Berücksichtigung derselben sei er zu 100 %
arbeitsfähig, da der eingeschränkten Einsatzfähigkeit
invalidenversicherungsrechtlich dadurch Rechnung getragen werde, dass der
Versicherte in Erfüllung der ihm obliegenden Schadenminderungspflicht
gehalten sei, in einer der gesundheitlichen Beeinträchtigung angepassten
Beschäftigung tätig zu sein. Bei einer leidensangepassten Tätigkeit, für
welche der Beschwerdeführer vollumfänglich arbeitsfähig sei, müsse diese
Einschränkung somit bereits als berücksichtigt betrachtet werden.

2.2  Demgegenüber wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht,
der Beschwerdeführer sei in einer behinderungsangepassten Tätigkeit nicht zu
100 % arbeitsfähig. Dies gehe aus den entsprechenden Ausführungen von Dr.
med. W.________ in seinem Gutachten vom 18. Januar 2002 hervor. Darin habe
der Arzt festgehalten, die beim Versicherten objektiv vorliegenden
Fähigkeitsstörungen würden die Ausübung des angestammten Berufes eines
Schreiners noch höchstens im Rahmen eines geschützten Arbeitsplatzes
zulassen. Auf die Frage, in welchem zeitlichen Rahmen von ihm andere, den
Störungen angepasste Tätigkeiten verlangt werden könnten, habe der Gutachter
geantwortet, dem Versicherten sei in behinderungsgerechten Tätigkeiten ein
Vollpensum zumutbar. Ob dabei eine verminderte Leistungsfähigkeit bestehe,
sei vom Experten jedoch ausdrücklich bejaht worden, wobei das Ausmass dieser
Einschränkung mit 50 % beziffert worden sei. Angesichts dieser
eingeschränkten Leistungsfähigkeit sei das angenommene Invalideneinkommen zu
halbieren, was einen Invaliditätsgrad von 69,45 % ergebe.

2.3  Die bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebrachte Rüge vermag
gegenüber den zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid, auf welche
verwiesen wird, nicht aufzukommen. Zudem ist gemäss den richtigen Vorbringen
der IV-Stelle zu berücksichtigen, dass laut den Ausführungen von Dr. med.

W. ________ die bisherige Tätigkeit als Schreiner zwar noch vollschichtig
möglich sei, dabei jedoch eine Leistungsunfähigkeit von 50 % bestehe. Im
bisherigen Beruf des Schreiners und in ähnlichen Tätigkeiten liege eine
qualitative Minderung von 50 % vor. Es dränge sich daher nach dem Dafürhalten
des Gutachters aus somatisch-medizinischer Sicht die Angewöhnung an
behinderungsgerechte Verrichtungen im Rahmen der BEFAS-Abklärung auf. Die
Schreinertätigkeit (und ähnliche Tätigkeiten) sei bekanntlich keine
angepasste Tätigkeit im Rahmen der BEFAS-Abklärung, weshalb auch die von Dr.
med. W.________ diesbezüglich erwähnte 50 %ige Leistungseinbusse
nachvollziehbar sei. Eine Leistungsverminderung in gemäss BEFAS-Bericht
angepassten Tätigkeiten sei dem Gutachten entgegen den Ausführungen des
Beschwerdeführers indessen klar nicht zu entnehmen.

Nach dem Gesagten wurde ein Anspruch auf eine Invalidenrente zu Recht
abgelehnt.

3.
Da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos
zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372
Erw. 5b, je mit Hinweisen), kann die unentgeltliche Verbeiständung gewährt
werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG). Es wird indessen
ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Eric
Schuler, Luzern, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 22. September 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: