Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 354/2004
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I 354/04

Urteil vom 28. Januar 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber
Krähenbühl

V.________, 1957, Beschwerdeführer, vertreten durch die Beratungsstelle
X.________,

gegen

IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6304 Zug, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug

(Entscheid vom 29. April 2004)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 17. April 2003, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 12.
Juni 2003, sprach die IV-Stelle Zug dem 1957 geborenen V.________ rückwirkend
ab 1. Oktober 1999 eine halbe Invalidenrente zu.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug
mit Entscheid vom 29. April 2004 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt V.________ wie schon im kantonalen
Verfahren die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente beantragen; zudem macht
er geltend, der Rentenbeginn sei auf den 1. Juni 1995 festzulegen.
Das kantonale Gericht und die IV-Stelle schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach ständiger Rechtsprechung stellt das Sozialversicherungsgericht bei
der Beurteilung einer Streitsache in der Regel auf den bis zum Zeitpunkt des
Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier: 12. Juni 2003)
eingetretenen Sachverhalt ab (vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweis). Ferner
sind in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend,
die bei Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben
(BGE 130 V 259 Erw. 3.5, 333 Erw. 2.3, 425 Erw. 1.1, 447 Erw. 1.2.1, je mit
Hinweisen). Vorliegend finden daher die erst im Zuge der 4. IV-Revision auf
den 1. Januar 2004 neu eingeführten oder geänderten Bestimmungen des IVG und
der dazugehörenden Verordnung (IVV) keine Anwendung.

1.2 Das kantonale Gericht hat den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG [in
der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung] resp. Art. 4 Abs. 1 IVG
[in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung] in Verbindung mit dem [ebenfalls
auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen] Art. 8 ATSG) sowie die
gesetzlichen Bestimmungen über die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch
und dessen Umfang (Art. 28 Abs. 1 IVG [in der bis 31. Dezember 2003 gültig
gewesenen Fassung]) zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Dasselbe
gilt hinsichtlich der Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG [bis 31. Dezember 2002: Art. 28
Abs. 2 IVG]).

1.3 Richtig sind auch die vorinstanzlichen Ausführungen über die den
ärztlichen Arbeitsfähigkeitsschätzungen im Rahmen der Invaliditätsbemessung
zukommende Bedeutung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw.
3c, 105 V 158 Erw. 1) sowie die bei der beweismässigen Auswertung
verschiedener Arten medizinischer Berichte (von Versicherungsträgern
eingeholte Gutachten externer Spezialärzte, Berichte versicherungsinterner
Ärzte, Parteigutachten, hausärztliche Stellungnahmen) zu beachtenden
Grundsätze (vgl. dazu auch BGE 125 V 352 ff. Erw. 3, 122 V 160 Erw. 1c, je
mit Hinweisen; Peter Omlin, Die Invalidität in der obligatorischen
Unfallversicherung, Diss. Freiburg 1995, 2. Aufl. 1999, S. 296 ff.;
Meyer-Blaser, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], in:
Murer/Stauffer [Hrsg.], Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum
Sozialversicherungsrecht, Zürich 1997, S. 230).

2.
2.1 Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ist medizinisch umfassend
dokumentiert. Eine abschliessende Beurteilung der noch zumutbaren Tätigkeiten
ist daher ohne Beizug zusätzlicher ärztlicher Stellungnahmen möglich.
Insbesondere besteht für das Eidgenössische Versicherungsgericht keine
Veranlassung zur beantragten Einholung einer Expertise des Psychiaters Dr.
med. S.________, nachdem bereits das kantonale Gericht erfolglos versucht
hat, von diesem einen detaillierten Bericht über das Krankheitsbild und
dessen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.

2.2 Die vorhandenen medizinischen Unterlagen sind im angefochtenen kantonalen
Entscheid einer sorgfältigen und gründlichen Prüfung unterzogen worden.
Entgegen der Argumentation in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nicht
gesagt werden, die Vorinstanz hätte einzelne ärztliche Einschätzungen, welche
eher für die vom Beschwerdeführer angestrebte Zusprechung einer höheren Rente
gesprochen hätten, "vollumfänglich ignoriert". In Rahmen der eingehenden
Würdigung der zahlreichen fachärztlichen Stellungnahmen hat das kantonale
Gericht vielmehr ausführlich und überzeugend begründet, weshalb es einzelnen
Berichten - insbesondere demjenigen der Frau Dr. med. R.________ vom 16.
Dezember 2002 - weniger Gewicht beigemessen und vorwiegend auf andere
abgestellt hat. Dem ist seitens des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
auch unter Berücksichtigung der Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts beizufügen.

2.3 Ebenso wenig zu beanstanden ist die vorinstanzliche Schlussfolgerung,
wonach - vorwiegend gestützt auf das polydisziplinäre Gutachten der
Medizinischen Abklärungsstelle der Invalidenversicherung (MEDAS) vom 19.
November 1998 und die Beurteilungen des Rheumatologen und Internisten Dr.
med. M.________ vom 23. Januar 2002 sowie des Psychiaters und
Psychotherapeuten Dr. med. I.________ vom 31. Juli 2002 - von einer 50%igen
Arbeitsfähigkeit auszugehen ist, realisierbar in einer leidensangepassten,
d.h. leichten wechselbelastenden Tätigkeit ohne Heben und Tragen von Lasten
über 10 kg und ohne Arbeiten in vorgeneigter oder abgedrehter Haltung resp.
über Schulterniveau.

3.
3.1 Nachdem es dem Beschwerdeführer seit 1994 nicht mehr gelungen ist,
dauerhaft eine Stelle zu versehen, haben Vorinstanz und Verwaltung zur
Ermittlung des trotz Gesundheitsschädigung auf dem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt zumutbarerweise noch zu erwartenden Einkommens
(Invalideneinkommen) zu Recht die vom Bundesamt für Statistik im Rahmen der
Lohnstrukturerhebung (LSE) für das Jahr 1998 gesammelten Lohndaten (sog.
Tabellenlöhne) beigezogen (vgl. BGE 126 V 75). Ausgehend vom Zentralwert bei
mit einfachen und repetitiven Aufgaben (Lohnniveau 4) betrauten Männern
errechneten sie für das Jahr 1999 bei nur 50%iger Einsatzmöglichkeit korrekt
ein Jahresgehalt von Fr. 26'804.25. Dass das kantonale Gericht davon einen
15%igen Abzug vornahm, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass gesundheitlich
beeinträchtigte Personen in der Regel die für voll einsatzfähige Arbeitnehmer
geltenden Lohnansätze nicht erreichen, ist im Hinblick auf die konkreten
Umstände angemessen. In die für die Invaliditätsbemessung vorzunehmende
Vergleichsrechnung ist daher als Invalideneinkommen der Betrag von Fr.
22'783.60 einzusetzen.

3.2 Zur Bestimmung des ohne Gesundheitsschädigung mutmasslich erzielbaren
Verdienstes (Valideneinkommen) zog die Verwaltung das bei der letzten
Arbeitgeberfirma im Jahr 1994 erzielte Einkommen bei und rechnete dieses
unter Berücksichtigung der seither auf dem Arbeitsmarkt beobachteten
Lohnentwicklung auf den Zeitpunkt des auf den 1. Oktober 1999 festgelegten
Rentenbeginns hoch. Der so ermittelte Betrag von Fr. 57'081.- ist vom
Beschwerdeführer zu Recht nie beanstandet worden.

3.3 Stellt man dem Valideneinkommen von Fr. 57'081.- das Invalideneinkommen
von Fr. 22'783.60 gegenüber, resultiert ein Invaliditätsgrad von (abgerundet)
60 %, womit lediglich Anspruch auf eine halbe Invalidenrente besteht.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer beanstandet auch den von Verwaltung und Vorinstanz
auf den 1. Oktober 1999 festgelegten Rentenbeginn, was er damit begründet,
dass er seit 1994 nicht mehr arbeite und die behandelnden Ärzte eine 100%ige
Arbeitsunfähigkeit bestätigt hätten. Er unterlässt es indessen, genauer
darzulegen, gestützt auf welche medizinischen Akten eine Arbeitsunfähigkeit
angenommen werden könnte, welche zu einem früheren Rentenbeginn führen würde.

4.2 Nach einem am 2. Mai 1994 erfolgten Sturz auf einer Treppe wurde dem
Beschwerdeführer bereits für die Zeit ab 2. August 1994 wieder eine
uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit attestiert, was die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt seinerzeit denn auch - ungeachtet eines Anfang
August 1994 missglückten Arbeitsversuches - veranlasste, ihre Leistungen
einzustellen. In der Zeit ab 28. Mai 1995 bis 30. September 1996 bezog der
Beschwerdeführer Taggelder der Arbeitslosenversicherung, was annehmen lässt,
dass er damals vermittlungs- und arbeitsfähig war. Die Vorinstanz hielt fest,
dass "mit PD Dr. L.________ im August 1997 erstmals ein Arzt von einer
Berentung im Umfang von wahrscheinlich 50 %" gesprochen habe; dies jedoch
ohne die Arbeitsfähigkeit zu beziffern. Erst im Gutachten der MEDAS vom 19.
November 1998 wird der Beginn der dort bescheinigten reduzierten
Arbeitsfähigkeit auf den 16. Oktober 1998 datiert. Tatsächlich sind in den
Akten keine medizinischen Atteste auszumachen, welche es rechtfertigen
liessen, eine bereits früher einsetzende, für den Beginn des Rentenanspruchs
relevante Arbeitsunfähigkeit anzunehmen. Da auch der Beschwerdeführer nicht
in der Lage ist, solche näher zu bezeichnen, hat es mit dem von Vorinstanz
und Verwaltung auf den 1. Oktober 1999 festgesetzten Rentenbeginn sein
Bewenden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, der
Ausgleichskasse des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 28. Januar 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: