Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 332/2004
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I 332/04

Urteil vom 4. Oktober 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiberin Durizzo

C.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Eduard Schoch,
Neuarlesheimerstrasse 15, 4143 Dornach,

gegen

IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 24. März 2004)

Sachverhalt:

A.
C. ________, geboren 1948, arbeitete als Küchenangestellter im Spital
B.________, als er bei der Arbeit ein erstes Mal am 8. Juni 1993 und ein
zweites Mal am 27. Februar 1998 ausrutschte und sich am linken Knie
verletzte. Seit dem zweiten Unfall ist er nicht mehr erwerbstätig. Ab 1. März
1999 richtete die Invalidenversicherung eine ganze Invalidenrente aus.

Gestützt auf ein vom Unfallversicherer angeordnetes Gutachten des Dr. med.
S.________, Orthopädische Chirurgie FMH, vom 14. Juni 2002 leitete die
IV-Stelle Basel-Landschaft eine Revision ein. Sie holte Berichte der
behandelnden Ärzte Dr. med. Z.________, Innere Medizin FMH, vom 12. August
2002 sowie des Dr. med. F.________, Orthopädische Chirurgie FMH, vom 5.
Januar 2003 ein und liess den Versicherten durch Dr. med. G.________,
Psychiatrie und Psychotherapie FMH, begutachten (Expertise vom 22. Juni
2003). Am 3. Juli 2003 verfügte sie die Aufhebung der bis dahin
ausgerichteten Rente mit der Begründung, dass dem Versicherten die Ausübung
einer sitzenden Tätigkeit vollumfänglich zumutbar wäre, und bestätigte ihre
Auffassung mit Einspracheentscheid vom 22. September 2003.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit
Entscheid vom 24. März 2004 ab.

C.
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei
der angefochtene Entscheid aufzuheben und ihm weiterhin eine ganze
Invalidenrente auszurichten, eventualiter die Angelegenheit zu weiteren
Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen.

Die IV-Stelle Basel-Landschaft und das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichten auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zu den
Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der
bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung), zu den Begriffen der
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) sowie der Invalidität (Art. 8 ATSG in
Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), zur Rentenrevision (Art. 17 ATSG; vgl. zu
den genannten Bestimmungen des ATSG das noch nicht in der Amtlichen Sammlung
veröffentlichte Urteil A. vom 30. April 2004, I 626/03), zur Aufgabe des
Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 115 V 134 Erw. 2; vgl. auch
BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen, AHI 2002 S. 70 Erw. 4b/cc) sowie zum
Beweiswert von Arztberichten (BGE 125 V 352 Erw. 3a) zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass die mit der 4. IV-Revision auf
den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Bestimmungen keine Anwendung finden,
da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen
Einspracheentscheides (hier: vom 22. September 2003) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweis).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, Verwaltung und Vorinstanz
hätten sich bei der Beurteilung des Gesundheitszustandes und der
Arbeitsfähigkeit zu Unrecht auf das Gutachten des Dr. med. S.________
gestützt. Dieser sei zum einen als Beauftragter des Unfallversicherers nicht
unabhängig. Zum andern attestiere er entgegen allen andern ärztlichen
Berichten eine 100 %ige Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten
Tätigkeit, obwohl keine Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten
sei.

2.2 Die Vorinstanz hat die medizinische Aktenlage einlässlich dargelegt und
ist zum Schluss gekommen, dass die Verwaltung bezüglich der Arbeitsfähigkeit
zu Recht auf das Gutachten des Dr. med. S.________ abgestellt habe. Was
dagegen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, vermag an
dieser Beurteilung nichts zu ändern.

2.2.1 So ist die Herkunft des Beweismittels für seinen Beweiswert nicht
ausschlaggebend. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Arztbericht für die
streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, die
geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und
der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des
Experten begründet sowie nachvollziehbar sind (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit
Hinweis). Insbesondere ist den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens durch
UVG-Privatversicherer eingeholten Gutachten von externen Spezialärzten,
welche auf Grund eingehender Beobachtungen und Untersuchungen sowie nach
Einsicht in die Akten Bericht erstatten und bei der Erörterung der Befunde zu
schlüssigen Ergebnissen gelangen, bei der Beweiswürdigung volle Beweiskraft
zuzuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der
Expertise sprechen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/bb). Solche Anhaltspunkte bestehen
nicht, und der Beschwerdeführer substantiiert den Vorwurf der mangelnden
Unabhängigkeit nicht. Aber auch sonst wird nichts geltend gemacht, was die
Richtigkeit der Einschätzung des Gutachters in Zweifel zu ziehen vermöchte.
Dem Haupteinwand, es sei bei gleicher Diagnosestellung aller Ärzte keine
rentenwirksame Veränderung des Gesundheitszustandes eingetreten, ist
entgegenzuhalten, dass der Hausarzt Dr. med. Z.________ vor der
ursprünglichen Rentenverfügung angab, dem Versicherten sei auf Grund der
eingeschränkten Gehfähigkeit sowie der Beschwerden eine Erwerbstätigkeit
nicht zumutbar, und er keine leidensangepasste Tätigkeit nennen konnte
(Bericht vom 16. März 1999). Gemäss Stellungnahme vom 12. August 2002
hingegen bestanden Schmerzen nur noch beim Gehen und zum Teil beim Liegen
oder beim Drehen im Bett. Auch gegenüber dem Psychiater Dr. med. G.________
äusserte sich der Versicherte anlässlich der Explorationen, welche in seiner
Muttersprache Spanisch geführt wurden, dahingehend, dass die Schmerzen
ausschliesslich bewegungsbedingt seien (Gutachten vom 22. Juni 2003). Während
Dr. med. Z.________ am 26. November 2001 immerhin schon berichten konnte,
dass ein stockfreies Gehen möglich sei, jedoch weiterhin Schwellungen am Knie
zu beobachten waren, klagte der Versicherte anlässlich der Untersuchung durch
Dr. med. S.________ am 26. April 2002 auch darüber nicht mehr. Angesichts
dieser Verbesserung des Gesundheitszustands ist die Einschätzung des
Orthopäden Dr. med. S.________, dem Beschwerdeführer seien sämtliche
sitzenden Tätigkeiten vollumfänglich zuzumuten, ohne weiteres
nachvollziehbar. Da die Expertise die rechtsprechungsgemässen Anforderungen
erfüllt, kann mit Verwaltung und Vorinstanz darauf abgestellt werden.

2.2.2 Der Einwand des Versicherten, die behandelnden Ärzte Dr. med.
Z.________ und Dr. med. F.________ hätten ihre eigene Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit nach Vorliegen des Gutachtens aufgegeben und sich der
Auffassung des Dr. med. S.________ angeschlossen, ist nach dem Gesagten
unberechtigt. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte, dass sie ihre
Meinung "plötzlich und ohne weitere Begründung" wegen des Gutachtens geändert
hätten, befinden sich doch in den Akten keine Berichte, die unmittelbar vor
der Begutachtung erstellt worden wären; die letzte ärztliche Stellungnahme
(des Dr. med. Z.________) datiert vom 26. November 2001.

2.2.3 Ebenfalls trifft es nicht zu, dass Dr. med. S.________ als Gutachter
des Unfallversicherers nur die gesundheitlichen Beschwerden fokussiert habe,
welche mit dem Unfallereignis in Zusammenhang stehen. Der Versicherte klagt
einzig über Kniebeschwerden, welche von Dr. med. S.________ umfassend
abgeklärt wurden. Der Experte hat sich nicht etwa darauf beschränkt, zur
Unfallkausalität Stellung zu nehmen. Die arterielle Hypertonie hat gemäss
Berichten des Hausarztes Dr. med. Z.________ vom 12. August und vom 9.
September 2002 keine Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit, da sie gut
eingestellt sei. Dem von Dr. med. S.________ geäusserten Verdacht einer
somatoformen Schmerzstörung ist die IV-Stelle nachgegangen und hat den
Beschwerdeführer psychiatrisch begutachten lassen. Dr. med. G.________ konnte
diese Diagnose nicht bestätigen. Aber auch sonst konnte er keine psychische
Störung mit Krankheitswert feststellen, sondern es bestand aus
psychiatrischer Sicht eine 100 %ige Arbeitsfähigkeit. Es liegt somit kein
psychisches Leiden vor, das dem Versicherten die Verwertung seiner
Restarbeitsfähigkeit auf dem ihm nach seinen Fähigkeiten offen stehenden
ausgeglichenen Arbeitsmarkt verunmöglichen würde. Dass der Beschwerdeführer
vier Jahre lang berentet wurde und seit über fünf Jahren nicht mehr im
Arbeitsprozess steht, führt entgegen der Ansicht des Psychiaters nicht zur
Unzumutbarkeit jeglicher Erwerbstätigkeit (vgl. dazu BGE 127 V 298 Erw. 4c).
Bezüglich des Alkoholproblems war der Hausarzt Dr. med. Z.________ gemäss
Bericht vom 9. September 2002 der Meinung, dass der Konsum nach Abklingen
längerer innerfamiliärer Schwierigkeiten zurückgegangen sei; der Versicherte
sei seit ein bis zwei Jahren auch praktisch nie mehr alkoholisiert in der
Sprechstunde erschienen. Die Befürchtung des Dr. med. S.________, die
Prognose werde durch die Verdachtsdiagnosen der somatoformen Schmerzstörung
und des chronischen Aethylabusus ungünstig beeinflusst, lässt sich demnach
nicht bestätigen, und es kann auf seine Einschätzung der 100 %igen
Arbeitsfähigkeit aus orthopädischer Sicht abgestellt werden. Der
Gesundheitszustand ist damit genügend abgeklärt und die beantragten weiteren
Untersuchungen erübrigen sich.

2.2.4 Unberechtigt ist schliesslich das Vorbringen, man habe auf eine
veraltete medizinische Aktenlage abgestellt. Der Gesundheitszustand war nach
Ansicht des Hausarztes gemäss Bericht vom 12. August 2002 stationär, und nach
den Angaben des Versicherten gegenüber dem Psychiater Dr. med. G.________ war
ebenfalls keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten (vgl.
Erw. 2.2.1). Der letztinstanzlich eingereichte Bericht des Dr. med.
Z.________ vom 1. Juni 2004 ist hier nicht beachtlich, da für die
richterliche Überprüfungsbefugnis der Zeitpunkt des Erlasses des
Einspracheentscheides massgebend ist (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 121 V 366 Erw.
1b). Dies gilt insbesondere bezüglich der geltend gemachten Beschwerden an
Schulter und Halswirbelsäule.

2.3 Damit besteht kein Raum für die Annahme, dem Beschwerdeführer könne
keinerlei Erwerbstätigkeit zugemutet werden und es sei daher von einem
Invaliditätsgrad von 100 % auszugehen, wie er beantragt.

3.
Zu prüfen bleibt, was bezüglich der erwerblichen Auswirkungen des
Gesundheitsschadens geltend gemacht wird.

3.1 Nach dem unter Erwägung 2 Gesagten ist zunächst auf den Einwand, der
Beschwerdeführer könne überhaupt kein Invalideneinkommen mehr erzielen, nicht
einzugehen. Gleiches gilt, wie schon ausgeführt (Erw. 2.2.4), für die
Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit wegen Beschwerden, die Ende 2003
aufgetreten sein sollen und hier daher nicht zu berücksichtigen sind.

3.2 Des Weiteren wird vorgebracht, das kantonale Gericht habe bei der
Ermittlung des Invalideneinkommens zu Unrecht invaliditätsfremde Faktoren,
welche auf Seiten des Valideneinkommens eine Rolle spielten, nicht
berücksichtigt. Als Beispiel werden fehlende Deutschkenntnisse angeführt.

Rechtsprechungsgemäss sind invaliditätsfremde Gesichtspunkte im Rahmen des
Einkommensvergleichs nach Art. 28 Abs. 2 IVG überhaupt nicht oder dann bei
beiden Vergleichsgrössen gleichmässig zu berücksichtigen (BGE 129 V 225 Erw.
4.4; ZAK 1989 S. 458 Erw. 3b; RKUV 1993 Nr. U 168 S. 104). Inwiefern jedoch
die mangelnden Deutschkenntnisse sich bei der Entlöhnung durch den vormaligen
Arbeitgeber niedergeschlagen haben sollen, wird nicht dargelegt. Was das
Invalideneinkommen betrifft, hängt die Frage, ob und gegebenenfalls in
welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen sind, nach der Rechtsprechung von
sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des konkreten Einzelfalls
ab (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre,
Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad), welche nach
pflichtgemässem Ermessen zu schätzen sind, und der maximal zulässige Abzug
beträgt 25 % (BGE 126 V 79 f. Erw. 5b). Das kantonale Gericht hat ohne
weitere Begründung den höchstzulässigen Abzug gewährt. Damit erübrigt sich
eine Prüfung, ob das Kriterium der Nationalität allenfalls stärker hätte
berücksichtigt werden müssen.

Im Übrigen kann bezüglich der Ermittlung des Invaliditätsgrades auf die
zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden, welche der
Beschwerdeführer nicht weiter beanstandet.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem
Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 4. Oktober 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: