Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 291/2004
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I 291/04

Urteil vom 9. Mai 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Durizzo

L.________, 1944, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Michael
Weissberg, Zentralstrasse 47, 2502 Biel,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 15. April 2004)

Sachverhalt:

A.
L. ________, geboren 1944, arbeitete als Lastwagenchauffeur bei der
B.________ AG, als er am 28. Mai 1998 beim Laden eines Camions ausglitt, aus
zwei Metern Höhe auf den Boden stürzte und sich dabei die rechte Schulter
verletzte. Nach einer ersten Operation (Reinsertion kraniale
Subscapularissehne, Bicepstenodese) am 23. September 1998 konnte er seine
Erwerbstätigkeit am 15. März 1999 wieder aufnehmen, ab 14. Juni 1999 wieder
als Lastwagenchauffeur arbeiten. Am 8. Dezember 1999 wurde er ein zweites Mal
operiert (Schulterarthroskopie, ventrale und dorsale Kapsulotomie,
subacrominales Debridement, Mobilisation in Narkose). Verschiedene
Arbeitsversuche scheiterten in der Folge, da L.________ keine schweren Lasten
mehr heben konnte. Die Arbeitgeberin konnte keine Ersatztätigkeit anbieten
und kündigte deshalb das Arbeitsverhältnis per Ende November 2000. Auf Mitte
Mai 2001 fand L.________ eine neue Stelle bei der Bäckerei-Konditorei
R.________, wo er jeweils morgens Backwaren ausfährt.
Am 13. Juli 2000 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern zog die Akten des Unfallversicherers
bei, holte Berichte des Hausarztes Dr. med. H.________, Allgemeine Medizin
FMH, vom 10. September und 11./19. Dezember 2000 ein und liess den
Versicherten durch die Berufliche Abklärungsstelle (BEFAS) abklären
(Gutachten vom 20. April 2001). Mit Verfügung vom 5. März 2002 lehnte sie die
Ausrichtung einer Invalidenrente mangels rentenbegründender Invalidität ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 15. April 2004 ab.

C.
L.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag auf
Aufhebung des angefochtenen Entscheides sowie der Verfügung vom 5. März 2002
und Rückweisung an die IV-Stelle zur Neubeurteilung.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Grundsätze über die (Nicht-)Anwendbarkeit des
am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000, die
gesetzlichen Bestimmungen zum Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG in
der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung; BGE 116 V 249 Erw. 1b),
zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und
1bis IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung) und zur
Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis 31. Dezember 2002
gültig gewesenen Fassung; vgl. auch BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) sowie die
Rechtsprechung zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung
(BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) und zur Beweiswürdigung von
Arztberichten (BGE 125 V 352 ff. Erw. 3a und b mit Hinweisen) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt, dass das kantonale Gericht einzig auf die
internen medizinischen Berichte der SUVA abstelle, obwohl diese in
Widerspruch zur BEFAS-Abklärung der Invalidenversicherung, aber auch zu den
Einschätzungen des Hausarztes und des beigezogenen Orthopäden stünden.

2.2 Die Vorinstanz hat hinsichtlich des Beweiswertes von Arztberichten
zutreffend ausgeführt, dass die Herkunft des Beweismittels nicht
ausschlaggebend ist. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Bericht für die
streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, die
geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und
der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des
Experten begründet sowie nachvollziehbar sind (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit
Hinweis). Insbesondere kommt auch den Berichten und Gutachten
versicherungsinterner Ärzte Beweiswert zu, sofern sie als schlüssig
erscheinen, nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und
keine Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen. Die Tatsache allein, dass
der befragte Arzt in einem Anstellungsverhältnis zu einem Versicherungsträger
steht, lässt nicht schon auf mangelnde Objektivität und auf Befangenheit
schliessen. Es bedarf vielmehr besonderer Umstände, welche das Misstrauen in
die Unparteilichkeit der Beurteilung objektiv als begründet erscheinen
lassen. Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, welche den Arztberichten im
Sozialversicherungsrecht zukommt, ist an die Unparteilichkeit des Gutachters
allerdings ein strenger Massstab anzulegen (BGE 122 V 161 f. Erw. 1c).

2.3 Der grundsätzliche Einwand des Beschwerdeführers, es sei letztlich einzig
auf Berichte von SUVA-Ärzten abgestellt worden, ohne konkrete Rügen
anzubringen, ist nach dieser Rechtsprechung unbehelflich. Nach Lage der Akten
sind keinerlei Umstände ersichtlich, die an der Objektivität der SUVA-Ärzte
zweifeln liessen.

2.4 Unbestritten ist, dass der Versicherte keine schweren Lasten mehr heben
kann, und offenbar treten bei Belastung von Schulter und Arm Schmerzen auf.
Damit ist die Einschätzung des SUVA-Arztes Dr. med. V.________, dass es
aufgrund der objektivierbaren Befunde an der rechten Schulter keine plausible
medizinische Begründung gebe, weshalb eine den Unfallfolgen angepasste
Tätigkeit - allenfalls mit einer gewissen Verlangsamung - nicht während eines
ganzen Arbeitstages möglich sein sollte, ohne weiteres schlüssig und
nachvollziehbar. Dabei ist nicht ausser Acht zu lassen, dass die SUVA-Ärzte
den Gesundheitszustand des Versicherten regelmässig überwacht und
kontrolliert haben. Sein Einwand, dass sie sich jeweils auf eine kurze
Untersuchung beschränkt hätten, ist mit Blick darauf nicht berechtigt. Zudem
führt Dr. med. V.________ aus, der Beschwerdeführer habe die im Kindesalter
erlittene schwere Quetschverletzung der Finger III bis V rechts trotz der
erheblichen Folgen (Versteifung des Kleinfingers, Beweglichkeitseinschränkung
von Ring- und Mittelfinger; Faustschluss nur zwischen Zeigefinger und Daumen
möglich; Kraft vermindert) funktionell erstaunlich gut kompensieren können.
Des Weitern hätte ein Distorsionstrauma des rechten Kniegelenkes im Jahr 1992
mit anschliessender zweimaliger arthroskopoischer Meniskektomie keine
invalidisierenden Folgen hinterlassen. Diesbezüglich stimmt seine
Einschätzung auch überein mit derjenigen der BEFAS-Gutachter. Diese erwähnen
ebenfalls das gute Handgeschick und sind der Auffassung, dass die Gonarthrose
rechts keine Auswirkungen zeige.

2.5 Damit ist nicht zu beanstanden, dass das kantonale Gericht auf den
umfassenden Bericht des SUVA-Kreisarztes abgestellt hat. Dem Bericht der
BEFAS-Gutachter, welche eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit attestieren, hat es
demgegenüber nur verminderte Beweiskraft beigemessen. Seiner Begründung dafür
kann indessen nicht gefolgt werden, bestehen doch keinerlei Anhaltspunkte
dafür, dass der am Gutachten mitwirkende Arzt die hier gegebene
Beschwerdeproblematik nicht richtig hätte einschätzen können. Im Ergebnis
kann der Vorinstanz jedoch nach dem oben unter Erwägung 2.4 Gesagten
beigepflichtet werden. In Bezug auf das BEFAS-Gutachten ist insbesondere zu
bemängeln, dass ausschliesslich manuelle Fähigkeiten getestet werden konnten.
Eine entsprechende Tätigkeit ist für den Beschwerdeführer angesichts der
Beweglichkeitseinschränkung der Finger an der rechten Hand und der auch
dadurch bedingten Verlangsamung nicht ohne weiteres geeignet.

2.6 An dieser Beurteilung vermögen auch die im vorinstanzlichen Verfahren
eingereichten Stellungnahmen des Hausarztes Dr. med. H.________, Allgemeine
Medizin FMH, vom 10. August 2002 sowie des Dr. med. U.________, Orthopädische
Chirurgie FMH, vom 12. Februar 2003 nichts zu ändern, wobei berücksichtigt
werden darf, dass Hausärzte mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche
Vertrauensstellung in Zweifelsfällen eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen
(BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc). Ebenfalls besteht kein Anlass zu der vom
Beschwerdeführer beantragten "unabhängigen Begutachtung".

3.
Zu prüfen bleibt die erwerbliche Seite. Nachdem der Beschwerdeführer seine
Restarbeitsfähigkeit nicht in zumutbarer Weise ausschöpft, sondern lediglich
ein Teilpensum versieht, ist bezüglich des Invalideneinkommens mit der
Vorinstanz auf die vom Bundesamt für Statistik herausgegebene
Lohnstrukturerhebung abzustellen (BGE 129 V 475 Erw. 4.2.1, 126 V 76 Erw.
3b/bb). Der vom kantonalen Gericht vorgenommene 20%ige Abzug vom Tabellenlohn
ist im Rahmen der Angemessenheitskontrolle und mit Blick auf vergleichbare
Fälle nicht zu beanstanden (Art. 132 lit. a OG; BGE 126 V 81 Erw. 5 und 6 mit
Hinweisen, 129 V 481 Erw. 4.2.3). Auch im Übrigen hat die Vorinstanz den
Invaliditätsgrad korrekt mit 31 % ermittelt.

4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
steht dem Beschwerdeführer keine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 9. Mai 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: