Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 254/2004
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I 254/04

Urteil vom 6. September 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin
Durizzo

C.________, 1949, Beschwerdeführer, vertreten durch Herrn lic. iur. Max S.
Merkli, Praxis für Sozialversicherungsrecht, Schaffhauserstrasse 345, 8050
Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin

AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden

(Entscheid vom 19. März 2004)

Sachverhalt:

A.
C.  ________, geboren 1949, arbeitete als Brenner und Staplerfahrer bei einer
Ziegelei. Am 3. Dezember 1999 meldete er sich unter Hinweis auf
Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung an und ersuchte um
Ausrichtung einer Rente. Hausarzt Dr. med. G.________, Allgemeinmedizin FMH,
attestierte eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf seit Ende
November 1998 (Bericht vom 28. Dezember 1999). Die IV-Stelle des Kantons
Thurgau liess den Versicherten in der Klinik T.________ untersuchen (Bericht
vom 4. September 2000), holte eine Stellungnahme des Dr. med. S.________,
Rheumatologie und Rehabilitation FMH, vom 8. Juni 2001 ein und klärte die
erwerbliche Situation ab. Am 2. Juli 2001 lehnte sie das Gesuch ab. Nachdem
der Rechtsvertreter von C.________ dagegen Beschwerde erhoben hatte, hob die
IV-Stelle ihre Verfügung auf und liess den Versicherten durch die
Medizinische Abklärungsstelle (MEDAS) begutachten (Expertise vom 10. Juli
2002). Am 30. Mai 2003 sprach sie C.________ mit Wirkung ab 1. November 1999
eine halbe Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 66 % zu
und bestätigte diese Verfügung mit Einspracheentscheid vom 17. September
2003.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau mit Entscheid vom 19. März 2004 ab.

C.
C. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die Aufhebung des
angefochtenen Entscheides sowie Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 1.
November 1999 beantragen.

Während die IV-Stelle des Kantons Thurgau sinngemäss auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zu den
Begriffen der Arbeits- und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 6 und 7 ATSG) sowie
der Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), zu den
Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der
bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung), zur Bemessung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG; zu Art. 28 Abs. 2 IVG [in Kraft
gestanden bis 31. Dezember 2002]: vgl. auch BGE 128 V 30 f. Erw. 1 mit
Hinweisen), zu dem für den Einkommensvergleich massgebenden Zeitpunkt des
Rentenbeginns (BGE 128 V 174, 129 V 222), zur möglichst konkreten Ermittlung
des Valideneinkommens (ZAK 1980 S. 593 mit Hinweisen) und Anpassung an die
Nominallohnentwicklung, wobei nach Geschlechtern zu differenzieren ist (BGE
129 V 408), zum Beizug der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen
Lohnstrukturerhebung beim Invalideneinkommen, wenn die versicherte Person
nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen
hat (BGE 126 V 76 f. Erw. 3b/bb) sowie zum Abzug vom Tabellenlohn (BGE 126 V
78 ff. Erw. 5) und zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung
(BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen; vgl. auch AHI 2002 S. 70 Erw. 4b/cc)
zutreffend dargelegt. Zu ergänzen ist, dass die mit der 4. IV-Revision auf
den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Bestimmungen keine Anwendung finden,
da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen
Einspracheentscheides (hier: vom 17. September 2003) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1; vgl. auch BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweis).

2.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer in seinem angestammten Beruf zu
100 %, in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 50 % arbeitsunfähig ist.
Angefochten werden jedoch die vom kantonalen Gericht ermittelten Validen- und
Invalideneinkommen.

2.1  Was zunächst das Valideneinkommen betrifft, hat die Vorinstanz zum -
unstreitigen - Grundlohn im Jahr 1999 von Fr. 55'393.- eine sogenannte
Brennerzulage sowie Zulagen für Sonn- und Feiertage in der Höhe von Fr.
10'787.- hinzugefügt. Dieser Betrag entspricht den Zulagen, wie sie der
Beschwerdeführer im Jahr 1998 erhalten hat, angepasst an die 1999 gewährte
Lohnerhöhung von 0,85 %. Nun wird geltend gemacht, diese Zulagen seien
schwankend, und ausgerechnet im Jahr 1998 seien sie beträchtlich tiefer
ausgefallen als üblich. Es sei deshalb auf den Durchschnittswert der Jahre
1996 bis 1998 abzustellen. Dieser Einwand ist zutreffend, ergibt sich doch
aus der Zusammenstellung der Arbeitgeberin vom 23. Oktober 2002, dass die
Zulagen sich im Jahr 1996 auf Fr. 17'077.- und im Jahr 1997 auf Fr. 12'392.-
belaufen haben, während der Versicherte im Jahr 1998 lediglich Fr. 10'696.-
erhalten hat. Berücksichtigt man wie beantragt den Durchschnittswert der
Zulagen 1996 bis 1998 von Fr. 13'388.-, ergibt sich ein Valideneinkommen von
Fr. 68'781.-.
2.2  Zu prüfen bleibt die Ermittlung des Invalideneinkommens.

2.2.1  Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, dass er zwar bereits während
des ganzen Jahres 1999 vollständig arbeitsunfähig gewesen sei. Bis Ende
November 2000 habe jedoch immer noch Aussicht und Hoffnung bestanden, der
Gesundheitszustand werde sich soweit bessern, dass er seine gewohnte Arbeit
zumindest zu einem grossen Teil wieder werde aufnehmen können. Erst als sich
wider Erwarten herausgestellt habe, dass dies nicht mehr möglich sein werde,
habe die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis per November 2000 gekündigt. Es
sei bis zu diesem Zeitpunkt deshalb nicht von Belang, welches
Erwerbseinkommen dem Beschwerdeführer in einer anderen, seinem
Gesundheitszustand angepassten Tätigkeit hätte erzielen können. Massgebend
sei vielmehr, dass er seine angestammte Tätigkeit nicht habe ausüben und mit
dieser auch kein Erwerbseinkommen habe erzielen können. Der Beschwerdeführer
beantragt daher bis dahin die Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente. Dieser
Einwand ist unbehelflich. Nachdem der Beschwerdeführer nach Eintritt des
Gesundheitsschadens keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen hat, obwohl ihm
unbestrittenerweise eine leidensangepasste Tätigkeit mit einem Arbeitspensum
von 50 % zumutbar gewesen wäre, ist bezüglich des Invalideneinkommens
rechtsprechungsgemäss auf die vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen
Tabellenlöhne und auf den für den Einkommensvergleich massgebenden Zeitpunkt
des Rentenbeginns abzustellen (BGE 126 V 76 f. Erw. 3b/bb; BGE 128 V 174, 129
V 222). Eine Differenzierung im Sinne der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
rechtfertigt sich demgegenüber nicht.

Das kantonale Gericht hat auf den standardisierten Lohn im Sektor
Dienstleistungen abgestellt. Dem Versicherten stehen jedoch verschiedene
Hilfsarbeiterstellen offen, weshalb der Zentralwert und nicht eine
branchenspezifische Zahl massgeblich ist. Gemäss Tabelle TA1 der
Lohnstrukturerhebung 1998 (S. 25) belief sich der Zentralwert für die mit
einfachen und repetitiven Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) beschäftigten
Männer im privaten Sektor auf Fr. 4'268.- (bei einer wöchentlichen
Arbeitszeit von 40 Stunden). Umgerechnet auf die betriebsübliche wöchentliche
Arbeitszeit von 41,8 Stunden (Die Volkswirtschaft, 2003 Heft 6, S. 98,
Tabelle B 9.2) und angepasst an die Nominallohnentwicklung bei Männerlöhnen
von 0,1 % (Bundesamt für Statistik, Lohnentwicklung 2002, S. 32, Tabelle
T1.1.93; vgl. BGE 129 V 408) ergibt sich zu dem für den Einkommensvergleich
massgebenden Zeitpunkt des Rentenbeginns im Jahr 1999 ein jährliches
Einkommen von 53'574.-, beziehungsweise Fr. 26'787.- für ein 50 %-Pensum.

2.2.2  Der Beschwerdeführer beantragt schliesslich einen Abzug vom
Tabellenlohn von mindestens 15 % anstelle der von der Vorinstanz gewährten
Reduktion von 9 %. Die Gründe, die er hiezu vorbringt, sind jedoch nicht
stichhaltig. Nach der Rechtsprechung hängt die Frage, ob und gegebenenfalls
in welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen sind, von sämtlichen
persönlichen und beruflichen Umständen des konkreten Einzelfalls ab
(leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre,
Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad), welche nach
pflichtgemässem Ermessen zu schätzen sind, und der maximal zulässige Abzug
beträgt 25 % (BGE 126 V 79 f. Erw. 5b). Das kantonale Gericht hat zutreffend
erwogen, dass die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Versicherten auch in
einer körperlich leichten bis vereinzelt mittelschweren Tätigkeit durch sein
chronisches lumboischialgieformes Schmerzsyndrom und das psychische Leiden
bedingt ist, was die MEDAS-Gutachter bei ihrem Attest einer
Arbeitsunfähigkeit von 50 % berücksichtigt haben. Eine darüber hinaus gehende
Beeinträchtigung in einer leidensangepassten Tätigkeit besteht nicht, weshalb
sich eine zusätzliche Reduktion des Tabellenlohns nicht rechtfertigt. Andere
Abzugsgründe als die vom kantonalen Gericht berücksichtigte Teilzeitarbeit
liegen nicht vor, weshalb der von der Vorinstanz vorgenommene Abzug im Rahmen
der Angemessenheitskontrolle nicht zu beanstanden ist (Art. 132 lit. a OG;
BGE 126 V 81 Erw. 6 mit Hinweisen). Nach Reduktion des Tabellenlohnes um 9 %
resultiert ein Invalideneinkommen von Fr. 24'376.-.
2.2.3  Verglichen mit dem Valideneinkommen von Fr. 68'781.- ergibt sich ein
Invaliditätsgrad von 65 % (vgl. zur Rundung des Invaliditätsgrades BGE 130 V
121). Damit ist der angefochtene Entscheid im Ergebnis zu bestätigen.

3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
steht dem Beschwerdeführer keine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons
Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 6. September 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: