Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 23/2004
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I 23/04

Urteil vom 23. September 2004

I. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Rüedi
und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiberin Hofer

Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

SWICA Gesundheitsorganisation, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401
Winterthur, Beschwerdegegnerin,

betreffend Z.________, 1985, handelnd durch Ihre Eltern

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 15. Dezember 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1985 geborene Z.________ wurde im Sommer 2000 vom Kinder- und
Jugendpsychiatrischen Dienst X.________ (KJPD) wegen einer schweren
Adoleszentenkrise mit oppositionellem Verhalten zur weiteren Abklärung im
Spital O.________ angemeldet. Im Sommer 2001 wurde die Diagnose einer
Essstörung im Sinne einer Bulimanorexia und einer Adoleszentenkrise (ICD-10
F50.2) mit der Indikation für eine Psychotherapie gestellt, welche seit
September 2001 im KJPD durchgeführt wird. Eine zunehmend schwierige
intrafamiliäre Konfliktsituation führte am 16. Dezember 2001 zur
notfallmässigen Hospitalisation. Ab 7. Januar 2003 erfolgte eine intensive
stationäre Behandlung im Kinderspital.

Am 29. Oktober 2002 hatten die Eltern von Z.________ die IV-Stelle des
Kantons St. Gallen um medizinische Massnahmen zur Behandlung der Essstörung
ihrer Tochter ersucht. Die Verwaltung holte daraufhin den Bericht des Spitals
O.________ vom 31. Dezember 2002 ein. Mit Schreiben vom 5. März 2003 teilte
das KJPD der IV-Stelle mit, um das stationär Erreichte zu stabilisieren, sei
die Fortführung der ambulanten Behandlung dringend notwendig, um die
Eingliederung ins Berufsleben zu ermöglichen. Es werde daher eine
entsprechende Kostenübernahme beantragt. Mit Verfügung vom 25. Juni 2003 wies
die IV-Stelle das Gesuch um Kostengutsprache für Psychotherapie ab, da die
Krankheit einer Dauerbehandlung bedürfe und die Eingliederungsfähigkeit durch
die beantragten Massnahmen nicht wesentlich verbessert werden könnten. Daran
hielt sie auf Einsprache des zuständigen Krankenversicherers von Z.________,
der SWICA Krankenversicherung AG (nachfolgend: SWICA), hin mit
Einspracheentscheid vom 26. August 2003 fest.

B.
Die SWICA erhob dagegen Beschwerde mit dem Antrag, es sei die IV-Stelle zu
verpflichten, die medizinischen Massnahmen zu übernehmen. Mit Entscheid vom
15. Dezember 2003 hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die
Beschwerde gut, hob den Einspracheentscheid vom 26. August 2003 auf und
verpflichtete die IV-Stelle, die Z.________ erbrachten medizinischen
Massnahmen zu übernehmen.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für
Sozialversicherung (BSV), es sei in Gutheissung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde der vorinstanzliche Entscheid vom 15. Dezember
2003 aufzuheben.

Die SWICA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
sich Z.________ nicht vernehmen lässt. Die IV-Stelle beantragt Gutheissung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Am 1. Januar 2003 sind das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) und die Verordnung über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV) vom 1. September
2002 in Kraft getreten. Mit ihnen sind unter anderem auch im
Invalidenversicherungsrecht verschiedene materiellrechtliche Bestimmungen
geändert worden.

1.2  Streitig und zu prüfen ist, ob die Versicherte ab Behandlungsbeginn im
Jahre 2001 bis längstens zum Erlass des Einspracheentscheides vom 26. August
2003, welcher rechtsprechungsgemäss die zeitliche Grenze der richterlichen
Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis), Anspruch auf
medizinische Massnahmen hat.

Diese Frage beurteilt sich, da keine laufenden Leistungen im Sinne der
übergangsrechtlichen Ausnahmebestimmung des Art. 82 Abs. 1 ATSG, sondern
Dauerleistungen im Streit liegen, über welche noch nicht rechtskräftig
verfügt worden ist, - den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln folgend
- für die Zeit bis 31. Dezember 2002 aufgrund der bisherigen Rechtslage und
ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen des ATSG (noch nicht in der
Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil M. vom 5. Juli 2004 [I 690/03] mit
Hinweis auf das noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Urteil

L. vom 4. Juni 2004 [H 6/04]).

1.2.1  Für die Zeit bis 31. Dezember 2002 galt folgende gesetzliche
Grundlage:
Nichterwerbstätige Personen vor dem vollendeten 20. Altersjahr mit einem
körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden gelten als invalid, wenn der
Gesundheitsschaden wahrscheinlich eine Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben
wird (Art. 5 Abs. 2 IVG). Der Versicherte hat Anspruch auf medizinische
Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern
unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die
Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher
Beeinträchtigung zu bewahren (Art. 12 Abs. 1 IVG).

1.2.2  Art. 5 Abs. 2 IVG in der ab 1. Januar 2003 gültigen Fassung lautet:
Bei
nicht erwerbstätigen Personen vor dem vollendeten 20. Altersjahr bestimmt
sich die Invalidität nach Art. 8 Abs. 2 ATSG. Art. 8 Abs. 2 ATSG hatte in der
vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 in Kraft gestandenen Fassung folgenden
Wortlaut: Nicht erwerbstätige Minderjährige gelten als invalid, wenn die
Beeinträchtigung ihrer körperlichen oder geistigen Gesundheit voraussichtlich
eine ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folgen haben wird. Art. 12
Abs. 1 IVG hat bis 31. Dezember 2003 keine Änderung erfahren.

Die Bestimmungen der auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen 4.
IVG-Revision sind im hier zu beurteilenden Fall nicht anwendbar, da nach dem
massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides
eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2
mit Hinweisen).

1.2.3  Die unter der bisherigen Gesetzesordnung ergangene Rechtsprechung
bleibt auch nach dem In-Kraft-Treten (1. Januar 2003) des ATSG und des
revidierten Art. 5 Abs. 2 IVG massgebend. Im Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 2
ATSG wird ausdrücklich festgehalten, diese Bestimmung lehne sich an die in
der bisherigen Gesetzgebung der Invalidenversicherung enthaltene Umschreibung
der Invalidität von Minderjährigen an (BBl 1991 II 249; Ueli Kieser,
ATSG-Kommentar, Rz 9 zu Art. 8). Zwar ist der Begriff "voraussichtlich" (vgl.
Art. 8 Abs. 2 ATSG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung) an
die Stelle von "wahrscheinlich" (vgl. Art. 5 Abs. 2 in der bis 31. Dezember
2002 gültig gewesenen Fassung) getreten. Dadurch wird betont, dass die
Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit Minderjähriger
aufgrund einer auf die Zukunft ausgerichteten Betrachtungsweise zu beurteilen
ist (Ueli Kieser, a.a.O., Rz 10 zu Art. 8). Dies entspricht der zu Art. 5
Abs. 2 IVG in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung ergangenen
Rechtsprechung, wonach bei Minderjährigen die anzunehmende Erwerbsunfähigkeit
nicht zeitlich aktuell gegeben sein muss (vgl. Ulrich Meyer-Blaser,
Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, Zürich 1997, S. 31 f.).

2.
2.1 Nach der Rechtsprechung können bei nichterwerbstätigen Minderjährigen
medizinische Vorkehren schon dann überwiegend der beruflichen Eingliederung
dienen und trotz des einstweilen noch labilen Leidenscharakters von der
Invalidenversicherung übernommen werden, wenn ohne diese Vorkehren eine
Heilung mit Defekt oder ein sonst wie stabilisierter Zustand einträte,
wodurch die Berufsbildung oder die Erwerbsfähigkeit oder beide beeinträchtigt
würden. Dabei geht es also um die erwerblich bedeutsame Heilung eines
Leidens, das ohne vorbeugende medizinische Vorkehren sich zu einem stabilen
pathologischen Zustand entwickeln würde. Hier soll der Eintritt eines
stabilen Defektes verhindert werden. Handelt es sich aber nur darum, die
Entstehung eines solchen Zustandes mit Hilfe von Dauertherapie
hinauszuschieben, so liegt keine Heilung vor. Freilich wird auch durch
derartige kontinuierliche Behandlung die Erwerbsfähigkeit positiv
beeinflusst, aber es besteht eine ähnlich Situation wie beispielsweise beim
Diabetiker, dessen Gesundheitszustand durch ständige medikamentöse Therapie
bloss im Gleichgewicht gehalten und dadurch vor wesentlicher, die
Leistungsfähigkeit beeinträchtigender Verschlimmerung mit allenfalls letalem
Risiko bewahrt wird; auch hier ist die medizinische Vorkehr nicht auf die
Heilung eines Leidens zur Verhütung eines stabilen pathologischen Defektes
gerichtet. In allen derartigen Fällen stellen die Vorkehren nach der
Rechtsprechung (dauernde) Behandlung des Leidens an sich dar und es kommt
ihnen kein Eingliederungscharakter im Sinne des IVG zu (BGE 100 V 43 Erw. 2a;
vgl. auch BGE 105 V 19). Diese Rechtsprechung wurde in ZAK 1981 S. 548 Erw.
3a ausdrücklich bestätigt. Dabei ist bezüglich der Anspruchsvoraussetzungen
von Art. 12 Abs. 1 IVG bei Minderjährigen nicht entscheidend, ob eine
Sofortmassnahme (z.B. eine Operation) oder eine zeitlich ausgedehntere (aber
nicht unbegrenzte) Vorkehr (z.B. Physiotherapie, Ergotherapie) angeordnet
wird.

2.2  Daraus ergibt sich für minderjährige Versicherte mit psychischen Leiden,
dass die Invalidenversicherung für vorbeugende Psychotherapien aufzukommen
hat, wenn das erworbene psychische Leiden mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit zu einem schwer korrigierbaren, die spätere Ausbildung und
Erwerbsfähigkeit erheblich behindernden oder gar verunmöglichenden stabilen
pathologischen Zustand führen würde. Umgekehrt kommen prophylaktische
Massnahmen der Invalidenversicherung nicht in Betracht, wenn sich diese gegen
psychische Krankheiten und Defekte richten, welche nach der heutigen
Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft ohne dauernde Behandlung nicht
gebessert werden können. Dies trifft in der Regel unter anderem bei
Schizophrenien und manisch-depressiven Psychosen zu (BGE 100 V 44 Erw. 2a;
vgl. auch BGE 105 V 20). In ZAK 1970 S. 234 Erw. 2 hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht erwogen, Psychosen im engeren Sinn (Schizophrenie und
organische Psychosen) könnten bei Kindern und Jugendlichen später oft zu
einem relativ stabilisierten Defektzustand führen. Bei diesen Krankheiten sei
manchmal eine Behandlung möglich, die - auf den Zeitpunkt des Eintritts ins
Erwerbsalter bezogen - zur dauernden und wesentlichen Verbesserung der
Erwerbsfähigkeit geeignet sei. Dabei richte sich die Behandlung primär auf
das Leiden an sich, d.h. spezifisch auf die Grundkrankheit. Könne diese
aufgehalten oder geheilt werden, so bedeute dies die Wiederherstellung oder
Verbesserung der Erwerbsfähigkeit. Bei pathologischen
Persönlichkeitsentwicklungen komme es meistens überhaupt nicht oder erst viel
später als beim Eintritt ins Erwerbsleben zu relativ stabilisierten
Zuständen. Nach ZAK 1971 S. 604 Erw. 3b bleibt ein psychotischer Zustand -
Ausnahmen vorbehalten - bei einem Kind lange fortschreitend. Bei einem an
solchen Störungen leidenden Kind dient die psychotherapeutische Massnahme in
der Regel nicht der Verhinderung eines stabilen Defektzustandes, der sich in
naher Zukunft einstellen würde. Vorbehalten hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht den Fall, dass eine medizinische Massnahme, die an sich
der Leidensbehandlung dient, derart eng mit gleichzeitig zur Durchführung
gelangenden medizinischen Eingliederungsmassnahmen verbunden ist, dass sie
von diesen nicht getrennt werden kann, ohne die Erfolgsaussichten zu
gefährden. In diesem Falle seien Art und Ziel des gesamten
Massnahmenkomplexes ausschlaggebend. Demzufolge könne Psychotherapie von der
Invalidenversicherung übernommen werden, wenn sie der Ergänzung der
Sonderschulung oder anderer Massnahmen pädagogischer Art diene, sofern sie
nicht selbst von derartiger Bedeutung sei, dass sie die andern Massnahmen in
den Hintergrund verweise (ZAK 1971 S. 604 Erw. 3a).

3.
3.1 Nach Auffassung der Vorinstanz macht die Unterscheidung zwischen der
Behandlung stabiler Defektzustände und der Dauerbehandlung stationärer
Zustände zur Verhinderung einer Verschlimmerung bei Personen, die das 20.
Altersjahr noch nicht vollendet haben, keinen Sinn. Die Invalidität im
Zusammenhang mit medizinischen Massnahmen Jugendlicher werde allein durch den
überwiegenden Eingliederungszweck definiert, weshalb eine Differenzierung
zwischen einem stabilen Defektzustand und einem nur durch eine
Dauerbehandlung stationär zu haltenden Leiden gesetzwidrig sei. Sie verstosse
zudem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Eingliederungsbedarf sei
derselbe, ob die Krankheit nur stationär zu halten oder ob sie heilbar sei.
Mit Bezug auf medizinische Massnahmen zur Behandlung einer Anorexia nervosa
oder einer Bulimanorexia bedeute dies, dass weder die generelle Heilbarkeit
der Krankheit noch die konkreten Heilungschancen massgebend seien.
Entscheidend sei einzig, dass ohne medizinische Behandlung keine berufliche
Eingliederung möglich wäre.

3.2  Das BSV macht geltend, medizinische Massnahmen könnten bei Leiden, die
eine dauernde Behandlung erforderten, selbst Minderjährigen nicht gewährt
werden. Der erwartete oder bereits eingetretene Eingliederungserfolg einer
solchen Massnahme sei, für sich allein gesehen, im Rahmen von Art. 12 IVG
kein taugliches Abgrenzungskriterium, da praktisch jede ärztliche Vorkehr,
die medizinisch erfolgreich sei, auch die (künftige) Erwerbsfähigkeit günstig
beeinflusse.

4.
4.1 Die dargelegte Rechtsprechung zu den medizinischen Massnahmen stützt sich
auf Art. 12 Abs. 1 IVG, wonach nur solche Vorkehren von der
Invalidenversicherung zu übernehmen sind, die "nicht auf die Behandlung des
Leidens an sich", also nicht auf die Heilung oder Linderung labilen
pathologischen Geschehens gerichtet sind. Während dies bei Erwachsenen ohne
weiteres gilt, sind bei Jugendlichen - ihrer körperlichen und geistigen
Entwicklungsphase Rechnung tragend - medizinische Vorkehren trotz des
einstweilen noch labilen Leidenscharakters von der Invalidenversicherung zu
übernehmen, wenn ohne diese Vorkehren in absehbarer Zeit eine Heilung mit
Defekt oder ein sonst wie stabilisierter Zustand einträte, wodurch die
Berufsbildung oder die Erwerbsfähigkeit oder beide beeinträchtigt würden (BGE
98 V 215 Erw. 2). Die Invalidenversicherung hat daher bei Jugendlichen - die
Erfüllung der übrigen Voraussetzungen vorbehalten - nicht nur unmittelbar auf
die Beseitigung oder Korrektur stabiler Defektzustände oder Funktionsausfälle
gerichtete Vorkehren zu übernehmen, sondern auch dann Leistungen zu
erbringen, wenn es darum geht, mittels geeigneter Massnahmen einem die
berufliche Ausbildung oder die künftige Erwerbsfähigkeit beeinträchtigenden
Defektzustand vorzubeugen. Diese Rechtsprechung wurde wiederholt bestätigt
(vgl. beispielsweise BGE 105 V 20; AHI 2000 S. 64 Erw. 1, 2003 S. 104 Erw.
2). Entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung bestehen keine
entscheidenden Gründe, welche zu Gunsten einer Änderung dieser Praxis
sprechen würden.

4.2  Nun gibt es psychische Leiden, welche nach den Erkenntnissen der
medizinischen Wissenschaft ohne dauernde Behandlung nicht gebessert werden
können. Dies trifft in der Regel unter anderem bei Schizophrenien und
manisch-depressiven Psychosen zu (BGE 100 V 44 Erw. 2a). Diese Behandlung
fällt nach der in Erwägung 2.2 dargelegten Rechtsprechung nicht in den
Bereich der Invalidenversicherung. Denn es geht in diesen Fällen nicht um
einen "einstweilen noch labilen Leidenscharakter", sondern um eine dauernde
Behandlung des Leidens, von welcher nicht mehr gesagt werden kann, sie diene
(auch) der beruflichen Eingliederung. Es fehlt somit am
Eingliederungscharakter der Therapie. Da die Behandlungsbedürftigkeit in
diesen Fällen auch im Erwachsenenalter unverändert andauert, besteht kein
Grund, die speziell für Versicherte vor dem vollendeten 20. Altersjahr
geltende Praxis anzuwenden. Es kann somit in diesem Zusammenhang nicht von
einer rechtsungleichen Behandlung gesprochen werden. An der bisherigen
Rechtsprechung ist daher festzuhalten.

4.3  Andere Krankheiten nehmen nach medizinischen Erkenntnissen einen
individuell unterschiedlichen Verlauf. Dies ist beispielsweise bei der
Anorexia nervosa der Fall, welche zur totalen Remission führen, aber auch
chronisch-persistierende und chronisch-rezidivierende Varianten aufweisen
kann. Von einer Heilung lässt sich nur bei 45% der Fälle sprechen. Eine
partielle Besserung tritt bei etwa 33% der Patienten ein, und 20% zeigen
einen chronifizierten Krankheitsverlauf. Als positive Prognosefaktoren können
Erkrankungen in der Adoleszenz, hysterische Persönlichkeitsanteile,
konfliktfreie Eltern-Kind-Beziehungen, kurze und wenige stationäre
Behandlungen, kurze Krankheitsdauer vor der stationären Therapie und höherer
Bildungs- und Sozialstatus betrachtet werden. Ungünstige Prognosefaktoren
sind hingegen Erbrechen, Bulimie, hoher Gewichtsverlust, Chronizität,
prämorbide Auffälligkeiten im Sinne von Entwicklungsabweichungen und
Verhaltensprobleme sowie männliches Geschlecht (Hans-Christoph Steinhausen,
Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen, Lehrbuch der Kinder- und
Jugendpsychiatrie, 5. Auflage, München 2002, S. 169). Der Umstand, dass die
Anspruchsvoraussetzungen oftmals nicht erfüllt sind, ändert nichts daran,
dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob Anspruch auf medizinische Massnahmen
gegenüber der Invalidenversicherung besteht. Die Anspruchsvoraussetzungen
einer psychotherapeutischen Behandlung wurden denn auch in AHI 2000 S. 63
eingehend geprüft und gestützt auf die fachärztlichen Meinungsäusserungen als
nicht gegeben erachtet. Ebenso war das Vorgehen in AHI 2003 S. 103 mit Bezug
auf hyperkinetische Störungen.

5.
5.1 Verwaltungsweisungen sind für das Sozialversicherungsgericht nicht
verbindlich. Es soll sie bei seiner Entscheidung mit berücksichtigen, sofern
sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der
anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Es weicht anderseits insoweit
von Weisungen ab, als sie mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht
vereinbar sind (BGE 127 V 61 Erw. 3a, 126 V 68 Erw. 4b, 427 Erw. 5a, 125 V
379 Erw. 1c, je mit Hinweisen).

5.2  Im Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherung über die
medizinischen Eingliederungsmassnahmen in der Invalidenversicherung (KSME)
wird in Rz 645-647/845-847.4 ausgeführt: Das Vorliegen von Krankheiten und
Defekten, die nach heutiger Erkenntnis der Medizin ohne dauernde Behandlung
nicht gebessert werden können (z.B. Schizophrenien, manisch-depressive
Psychosen) schliessen medizinische Massnahmen der IV auch gegenüber
Jugendlichen aus. Dies gilt auch für Leiden, die einer Therapie zumindest
über längere Zeit hinweg bedürfen und ohne dass sich eine zuverlässige
Prognose stellen lässt (z.B. hyperkinetische Störungen, Anorexien).

5.3  Bei schweren erworbenen psychischen Leiden ist die Kostenübernahme
gegeben, sofern nach intensiver fachgerechter Behandlung von einem Jahr Dauer
keine genügende Besserung erzielt wurde und gemäss spezialärztlicher
Feststellung bei einer weiteren Behandlung erwartet werden darf, dass der
drohende Defekt mit seinen negativen Wirkungen auf die Berufsausbildung und
Erwerbsfähigkeit ganz oder in wesentlichem Ausmass verhindert werden kann.
Dauer und Intensität der Behandlung müssen durch Berichte, Arztrechnung und
dergl. belegt sein (Rz 645-647/845-847.5 KSME). Insoweit stimmt die Weisung
mit der ab 1. Januar 1979 gültig gewesenen Fassung überein. In BGE 105 V 20
hat das Eidgenössische Versicherungsgericht ausdrücklich festgehalten, diese
Verwaltungspraxis halte sich im Rahmen des Gesetzes (vgl. auch AHI 2000 S. 64
f. Erw. 1; Urteil C. vom 28. Februar 2003 [I 615/01]). Nachträglich in die
Verwaltungsweisung eingefügt wurde der Zusatz: Die Kostenübernahme erfolgt ab
2. Behandlungsjahr. Die Psychotherapie ist dabei jeweils für maximal zwei
Jahre zu verfügen. Ob dieses "Karenzjahr" gesetzmässig ist, was nach
Auffassung der Vorinstanz mit Bezug auf medizinische Massnahmen mit
überwiegendem Eingliederungscharakter bei Versicherten unter dem 20.
Altersjahr zu verneinen ist, braucht in diesem Verfahren aus den
nachstehenden Gründen nicht beurteilt zu werden (vgl. Erw. 8).

6.
Geht es um psychische Beeinträchtigungen, stellt sich die Frage nach der
Natur des Leidens. Liegen labile Gesundheitsverhältnisse vor, ist zu prüfen,
ob mittels medizinischer Massnahmen einem Defektzustand vorgebeugt werden
kann, welcher die Berufsbildung oder die Erwerbsfähigkeit oder beide
beeinträchtigen würde. Der (fach)ärztliche Bericht ist im allgemeinen eine
unerlässliche Grundlage zur Beurteilung der Anspruchsberechtigung, wobei die
Prüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu erfolgen hat. Hinsichtlich
des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob er für die
streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch
die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und
in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die
Schlussfolgerungen des Experten begründet sind (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Die
Beurteilung darf sich somit nicht mit einem pauschalen Hinweis auf die
mögliche Verbesserung oder Erhaltung von Berufs- und Erwerbsfähigkeit
begnügen. Auf weitere Abklärungen kann selbstverständlich immer dann
verzichtet werden, wenn von Vornherein klar ist, dass die Voraussetzungen von
Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 IVG nicht erfüllt sind.

7.
Dr. med. G.________ vom Spital O.________ führte im Bericht vom 31. Dezember
2002 zur Anamnese aus, die ersten Abklärungen hätten eine familiäre
Kommunikationsstörung mit oppositionellem Verhalten der Patientin gezeigt.
Daraufhin sei eine Psychotherapie eingeleitet worden. Im weiteren Verlauf sei
eine Essstörung mit anorektischem und bulimischem Verhalten aufgetreten. Da
die zunehmend schwierige intrafamiliäre Konfliktsituation trotz ambulanter
Psychotherapie nicht habe vermindert werden können, sei es am 16. Dezember
2001 zur notfallmässigen Hospitalisation im Kinderspital gekommen. Das
Körpergewicht wurde bei einer Grösse von 162.5 cm mit 48 kg angegeben. Der
Gesundheitszustand wurde als besserungsfähig bezeichnet. Zudem wird die
Frage, ob durch die medizinischen Massnahmen die Möglichkeit einer späteren
Eingliederung ins Erwerbsleben wesentlich verbessert werde könne, bejaht.
Gemäss Bericht des KJPD vom 5. März 2003 wurde im Sommer 2001 die Diagnose
einer Essstörung mit Bulimia nervosa und Adoleszentenkrise gestellt. Seit
September 2001 werde eine ambulante therapeutische Behandlung durchgeführt,
welche in erster Linie der Motivation für das Ernstnehmen der sich immer
deutlicher etablierenden Essstörung gedient habe. Auf die
Nahrungsverweigerung sei eine bulimische Phase gefolgt. Dazu seien
Verhaltensstörungen, Konflikte mit den Eltern und soziale Auffälligkeiten
gekommen. Die intensive psychotherapeutische Behandlung habe dazu gedient,
diese Aspekte zu bearbeiten und die Motivation für eine intensive stationäre
Behandlung im Kinderspital, die seit 7. Januar 2003 durchgeführt werde, zu
fördern. Zur Stabilisierung des Erreichten sei eine daran anschliessende
ambulante Behandlung dringend notwendig, um in der Folge eine Eingliederung
ins Berufsleben zu ermöglichen.

8.
Obwohl die medizinischen Berichte eher kurz abgefasst sind, vermögen sie für
die Beurteilung des vorliegenden Falles dennoch eine rechtsgenügliche
Entscheidungsgrundlage zu bilden. Ihnen ist zu entnehmen, dass die Essstörung
anorektische und bulimische Züge aufweist und sich zudem vor dem Hintergrund
einer schweren familiären Krisensituation abspielt. Damit weist das als labil
zu bezeichnende Krankheitsgeschehen zumindest zwei der in der medizinischen
Literatur als ungünstig bezeichneten Prognosefaktoren auf (vgl. Erw. 4.3).
Daraus ist auf ein Leiden zu schliessen, dessen Folgen derzeit nicht
abgeschätzt werden können. Zudem muss angenommen werden, es handle sich um
eine Störung, die in naher Zukunft nicht zu einem stabilen Defektzustand
führt. Dass die zur Diskussion stehende Behandlung auch der Berufsbildung und
Erwerbsfähigkeit nützlich ist, ändert nichts daran, dass sie weder einen
untrennbaren Bestandteil eines Komplexes berufsbildender Massnahmen
darstellt, noch dazu bestimmt ist, einen sich in naher Zukunft einstellenden
Defektzustand zu verhindern. Den medizinischen Massnahmen fehlt es daher am
Eingliederungscharakter, weshalb sie nicht in den Bereich der
Invalidenversicherung fallen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. Dezember 2003
aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Versicherten, dem Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen und der IV-Stelle des Kantons St. Gallen zugestellt.

Luzern, 23. September 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der I. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: