Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 145/2004
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I 145/04

Urteil vom 6. September 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Scartazzini

G.________, 1970, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Michel
Béguelin, Dufourstrasse 12, 2502 Biel,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 6. Februar 2004)

Sachverhalt:

A.
Die 1970 geborene, verheiratete G.________ war seit dem 20. März 2000
ganztägig bei der Firma I.________ AG als Blumenbinderin erwerbstätig.
Daneben besorgt sie den Haushalt, dem neben dem Ehemann vier zwischen 1988
und 1995 geborene Kinder angehören.  Ende April 2001 gab sie - nach ihren
Angaben aus gesundheitlichen Gründen - ihre Arbeit auf. Am 24. September 2001
meldete sie sich wegen generalisierten Schmerzen zum Bezug einer Rente bei
der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Bern holte Auskünfte der
Arbeitgeberin vom 4. März 2002 sowie Arztberichte von Dr. med. K.________
(vom 6. Februar und 25. April 2001), Dr. med. S.________ (vom 30. März 2002),
der Dres. med. B.________ und W.________ (vom 8. April 2002) und der
medizinischen Abteilung des Spitals X.________ vom 10. Oktober 2001 (wo die
Versicherte vom 15. August bis zum 14. September 2001 hospitalisiert war)
ein. Ferner veranlasste sie im Januar/Februar 2003 eine interdisziplinäre
Begutachtung der Versicherten durch Dr. med. H.________, Psychiatrie und
Psychotherapie, sowie Dr. med. R.________, Spezialarzt FMH für Rheumatologie.
Gestützt darauf lehnte die IV-Stelle nach Ermittlung einer Arbeitsunfähigkeit
von höchstens 20 % die Ausrichtung einer Rente mit Verfügung vom 31. März
2003 ab und bestätigte dies mit Einspracheentscheid vom 21. August 2003.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 6. Februar 2004 ab.

C.
G. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und bean-tragen, in
Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Sache unter Kosten- und
Entschädigungsfolge zur Zeugeneinvernahme und zur Anordnung eines
medizinischen Obergutachtens sowie zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze
zum Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; Art. 7 und 8 ATSG; BGE 116 V
249 Erw. 1b), zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art.
28 Abs. 1 [in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung] und 1bis
IVG [in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2003]) und zur Bemessung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG; zu Art. 28 Abs. 2 IVG [in Kraft
gestanden bis 31. Dezember 2002] vgl. BGE 104 V 136 f. Erw. 2a und b; AHI
2000 S. 309 Erw. 1a in fine mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 V 30 Erw. 1 mit
Hinweisen) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Rechtsprechung zur
Aufgabe des Arztes und der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V
261 f. Erw. 4 mit Hinweisen) und zum Beweiswert ärztlicher Berichte und
Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis; AHI 2000 S. 152 Erw. 2c).
Darauf wird verwiesen.

Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin bis längstens zum
Erlass des Einspracheentscheides vom 21. August 2003, welcher
rechtsprechungsgemäss die zeitliche Grenze der richterlichen
Über-prüfungsbefugnis bildet (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis; vgl. auch
BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen), Anspruch auf
Versicherungsleistungen hat. Diese Frage beurteilt sich mit dem kantonalen
Gericht, stehen doch keine laufenden Leistungen im Sinne der
übergangsrechtlichen Ausnahmebestimmung des Art. 82 Abs. 1 ATSG, sondern
Dauerleistungen im Streit, über welche noch nicht rechtskräftig verfügt
worden ist, - den allgemeinen intertempo-ralrechtlichen Regeln folgend - für
die Zeit bis 31. Dezember 2002 auf Grund der bisherigen Rechtslage und ab
diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft
getretenen ATSG und dessen Ausführungsverordnungen (noch nicht in der
Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil M. vom 5. Juli 2004, I 690/03,
Erw. 1 mit Hinweis auf das ebenfalls noch nicht in der Amtlichen Sammlung
publizierte Urteil L. vom 4. Juni 2004, H 6/04). Keine Anwendung finden
demgegenüber die per 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des
Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der
Verordnung über die Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 (4. IV-Revision)
sowie die damit einhergehenden Anpassungen des ATSG.

1.2  Ergänzend bleibt festzuhalten, dass unter gewissen Umständen nach der
Rechtsprechung auch somatoforme Schmerzstörungen eine Arbeitsunfähigkeit
verursachen können. Sie fallen unter die Kategorie der psychischen Leiden (zu
deren invalidisierenden Charakter generell BGE 102 V 165; AHI 2001 S. 228
Erw. 2b mit Hinweisen; siehe auch BGE 127 V 498 ff. Erw. 4c und 5), für die
grundsätzlich ein psychiatrisches Gutachten erforderlich ist, wenn es darum
geht, über das Ausmass der durch sie bewirkten Arbeitsunfähigkeit zu befinden
(AHI 2000 S. 159 Erw. 4b mit Hinweisen; Urteile R. vom 2. Dezember 2002, I
53/02, Erw. 2.2, L. vom 6. Mai 2002, I 275/01, Erw. 3a/bb und b sowie Q. vom
8. August 2002, I 783/01, Erw. 3a). In Anbetracht der sich mit Bezug auf
Schmerzen naturgemäss ergebenden Beweisschwierigkeiten genügen mithin die
subjektiven Schmerzangaben der versicherten Person für die Begründung einer
(teilweisen) Invalidität allein nicht; vielmehr muss im Rahmen der
sozialversicherungsrecht-lichen Leistungsprüfung verlangt werden, dass die
Schmerzangaben durch damit korrelierende, fachärztlich schlüssig
feststellbare Befunde hinreichend erklärbar sind, andernfalls sich eine
rechtsgleiche Beurteilung der Rentenansprüche nicht gewährleisten liesse (zur
Publi-kation in BGE 130 V bestimmtes Urteil N. vom 12. März 2004, I 683/03,
Erw. 2.2.2).

2.
Nach Lage der medizinischen Akten, insbesondere gestützt auf das im
Januar/Februar 2003 erstellte interdisziplinäre Gutachten der Dres. med.

H. ________ und R.________ ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin
eine Einschränkung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit von höchstens 20 %
aufweist. Nach gemeinsamer Beurteilung der Spezialärzte wurde dabei befunden,
im Vordergrund stehe ein generalisiertes Schmerzbild (eine Panalgie), dem
extrasomatische Ursachen zugrunde lägen. Aus rheumatologischer Sicht lassen
sich keine relevanten krankhaften Veränderungen objektivieren, die eine
Arbeitsunfähigkeit begründen könnten; auch aus psychiatrischer Betrachtung
könnten weder psychische noch psychosomatische Störungen nachgewiesen werden.

2.1  Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwände vermögen zu
keinem anderen Schluss zu führen. Bereits die Vorinstanz hat mit
einlässlicher und überzeugender Begründung erwogen, dass dem
interdisziplinären Gutachten voller Beweiswert zuzuerkennen ist (BGE 125 V
352 Erw. 3a mit Hinweis). Auch für ergänzende medizinische Abklärungen bleibt
kein Raum, zumal die Gutachter die gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowohl
aus somatischer wie auch aus psychiatrischer Sicht untersuchten. Von einer
unrichtigen Feststellung des massgeblichen Sachverhalts oder einer Verletzung
des rechtlichen Gehörs durch das kantonale Gericht kann dabei nicht die Rede
sein.

2.1.1  Nicht stichhaltig ist das Vorbringen, bei der von der IV-Stelle
veranlassten Begutachtung durch den Psychiater Dr. med. H.________ und durch
den Rheumatologen Dr. med. R.________ wäre zwingend die Reihenfolge der
Untersuchung der somatischen vor derjenigen der psychischen Leiden zu
beachten gewesen. Ohne Belang für die Beurteilung der Voraussetzungen für die
Zusprechung von Versicherungsleistungen sind sodann die Einwände der
Beschwerdeführerin, sie habe entgegen der Ausführungen von Dr. med.

R. ________ ihre Tätigkeit nicht schon am 1., sondern erst am 20. März 2003
aufgenommen. Gleiches gilt für das Vorbringen, sie sei anlässlich der
Untersuchung im Spital X.________ (Arztbericht vom 8. April 2002) nicht von
Frau Dr. med. B.________, sondern von Frau Dr. med. W.________ untersucht
worden.

2.1.2  Soweit geltend gemacht wird, G.________ sei nicht einer
Doppelbelastung
als Hausfrau/Mutter und als Hilfsarbeiterin ausgesetzt worden, sondern leide
eindeutig an einer Fibromyalgie, ist der Beschwerdeführerin zu entgegnen,
dass diese Diagnose nicht automatisch zu einer Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit führt. Für die Frage, ob und inwiefern der versicherten
Person trotz ihres Leidens die Verwertung ihrer Restarbeitsfähigkeit auf dem
ihr nach ihren Fähig-keiten offen stehenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt noch
sozialpraktisch zumutbar und für die Gesellschaft tragbar ist (BGE 127 V 298
Erw. 4c mit Hinweisen), ist die nach einem weitgehend objektivierten Massstab
zu erfolgende Beurteilung entscheidend. Vorliegend wurde auf die Einschätzung
des Psychiaters Dr. med. H.________ abgestellt. Dieser kam zum Schluss, dass
bei der Versicherten weder psychische noch psychosomatische Störungen
nachweisbar sind. Das Ergebnis der Begutachtung stimmt zudem auch mit den
Befunden der anderen Ärzten, die sich zum Gesundheitszustand der Versicherten
geäussert haben, überein. Damit ist die für die Annahme einer
invalidisierenden Einschränkung der Arbeitsfähigkeit erforderliche
Voraussetzung des Vorliegens eines fachärztlich ausgewiesenen psychischen
Leidens mit Krankheitswert nicht erfüllt.

3.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die für die Zusprechung einer
Invalidenrente erforderliche Erwerbsunfähigkeit nicht gegeben ist. Der
angefochtene Entscheid ist somit nicht zu beanstanden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Gross- und
Transithandel und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 6. September 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: